

In den Räumen Nummer 6 und 7 der Prälatur des Zisterzienser-Klosters Himmerod trafen sie sich, getarnt als »Zusammenziehung der Versicherungsvertreter«. In Wahrheit handelte es sich um 15 ehemalige Offiziere der Wehrmacht. Sie sollten eine möglichst »weiße Weste« haben. So schufen sie das, was bis heute als moralisches Fundament der Bundeswehr betrachtet wird, die »Himmeroder Denkschrift«. Von dem 53-Seiten-Papier, das auf den 9. Oktober 1950 datiert ist, existieren lediglich vier Originalexemplare.
Erinnerung an ein geheimes Treffen
Zum 75. Jahrestag wurde Himmerod erneut angefahren. Jetzt aber höchst offiziell, von gut 100 geladenen Gästen. Darunter vor allem ranghohe Vertreter der Bundeswehr. Einem ökumenischen Gottesdienst in der Kirche folgte ein Festakt mit musikalischer Begleitung von Musikern des Heeresmusikkorps Koblenz im einstigen Refektorium. Nach einem Grußwort des Hausherrn, Triers Bischof Dr. Stephan Ackermann, hielt General a.D. Eberhard Zorn, von 2018 bis 2023 Generalinspekteur der Bundeswehr, die Festrede.
In der »Himmeroder Denkschrift«, in ihrer unmittelbar nach Kriegsende deutlichen (und heute wieder überraschend aktuellen) Einschätzung der Bedrohungslage durch Russland (damals Teil der Sowjetunion) seien zentrale und immer noch gültige Stichworte zum Thema festgehalten worden: Abschreckungspolitik wurde gefordert, um den »Frieden in Freiheit« zu schützen, der als oberstes Prinzip einer Armee gilt, deren »Pathos der Landesverteidigung« auch das gesamte Volk umfassen müsse, so Zorn.
Was ihn vor allem an der ein dreiviertel Jahrhundert alten Schrift beeindrucke, sei die als unabdingbar gehaltene »gesellschaftliche Verankerung der Streitkräfte«, die eben »kein Staat im Staate, sondern Instrument des demokratischen Staates« sein müsse. Zorn: »Das war und das ist der Geist von Himmerod.« Entlang dieser Gedanken habe sich in den Jahrzehnten unser Verständnis von in der Gesellschaft integrierten Streitkräften entwickelt.
»Wir haben nicht nur Waffen, sondern auch Werte«
Zorn wurde mit Blick auf die Zukunft angesichts der veränderten Sicherheitslage in Europa und der Welt deutlich: »Wir brauchen einerseits Professionalität sowie professionell ausgebildetes und ausgerüstetes Personal. Aber wir brauchen auch Haltung, Motivation und Wertebewusstsein.« Eben das, was in Himmerod aufgeschrieben worden sei.
Diese Denkschrift, so formulierte es der ehemalige Generalinspekteur der Bundeswehr, Eberhard Zorn, sei das Versprechen, »dass wir nicht nur Waffen haben, sondern auch Werte«. Und genau das gelte auch in Zukunft »unumstößlich« weiter.
Text: Stefan Lieser



