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„Geboren in Theresienstadt“: Zeitzeuge Thomas Gabelin mahnt in Wittlich gegen das Vergessen

Wittlich. Am Donnerstag, 8. Mai, 80 Jahre nach der Befreiung vom Nationalsozialismus, war der Kino Palast in Wittlich bis auf den letzten Platz gefüllt. Der Anlass war kein gewöhnlicher: Thomas Gabelin, einer der letzten öffentlich aktiven Holocaust-Überlebenden, sprach an diesem symbolträchtigen Tag über seine eigene Lebensgeschichte – eine Geschichte, die im Grauen begann und heute ein kraftvolles Zeichen gegen das Vergessen ist.

Zeitzeuge Thomas Gabelin (li.) und Buchautor Louis Pawellek verbindet eine Freundschaft.

Zeitzeuge Thomas Gabelin (li.) und Buchautor Louis Pawellek verbindet eine Freundschaft.

Bild: Kevin Schössler

Thomas Gabelin, geboren am 21. Dezember 1944 im Ghetto und Konzentrationslager Theresienstadt, kam in einer Welt zur Welt, die geprägt war von Tod, Elend und Verfolgung. Seine Eltern wurden als sogenannte „Halbjuden“ aufgrund jüdischer Großmütter nach Theresienstadt deportiert. Seine Mutter war hochschwanger, als sie das Lager erreichte. Dort erwartete sie kein Schutz, sondern unvorstellbare Bedingungen: Hunger, Kälte, Krankheiten und die ständige Angst vor dem Tod.

Der kleine Thomas wurde in der sogenannten Hohenelber Kaserne – einer KZ-Klinik – geboren. Er war mit Läusen übersät, es gab kein Wasser, nur geschmolzenen Schnee zum Überleben. Von über 9.000 Kindern, die in Theresienstadt inhaftiert waren, überlebten nur rund 100. Thomas Gabelin war eines von ihnen.

Ein Leben, das Geschichte wurde

80 Jahre später steht dieser Mann auf der Bühne – ruhig, eindringlich, mit der Kraft eines Überlebenden. Sein Ziel ist klar: erinnern, mahnen, erzählen. Denn viele seiner Weggefährten leben nicht mehr. Er spricht für sie – und für die Millionen, deren Stimmen für immer verstummt sind.

Die Zuhörer in Wittlich erleben keinen Vortrag im klassischen Sinne, sondern ein eindringliches Zeitzeugengespräch. Thomas Gabelin berichtet von den letzten Tagen des Krieges, von Zügen, die nur noch Leichen ins Ghetto brachten, von den Ängsten seiner Eltern, von der Kindheit nach dem Krieg – und davon, wie schwer es ist, mit dem Unsagbaren zu leben.

Der 8. Mai – Tag der Befreiung, Tag der Mahnung

Die Wahl des 8. Mai als Veranstaltungsdatum war kein Zufall. Am 8. Mai 1945 kapitulierte Nazi-Deutschland – für viele Überlebende der Konzentrationslager war es der Tag der Befreiung. Für Thomas Gabelin bedeutete er: eine neue Chance auf Leben. Heute, 80 Jahre später, nutzt er diese Chance, um als Mahner der Geschichte aufzutreten.

„Es geht nicht um mich, es geht um das Erinnern“

Begleitet wurde Gabelin von seinem Freund Louis Pawellek (27), der auch den Abend anmoderierte. Die beiden verbindet eine enge Freundschaft über Generationen hinweg. Louis Pawellek, der Thomas Gabelins Geschichte seit Jahren dokumentiert, gab zu Beginn einen kurzen historischen Überblick über das Lager Theresienstadt.

Auch das gemeinsame Buch „Es gab mehr als nur Auschwitz“ wurde erwähnt – es spielte jedoch an diesem Abend eine untergeordnete Rolle. Im Mittelpunkt steht allein die Lebensgeschichte des Mannes, der es überlebt hat, im Schatten des Todes geboren worden zu sein.

Judentum, Verfolgung, Verantwortung

Das Judentum ist eine jahrtausendealte Religion mit eigener Kultur, Geschichte und Tradition. Juden glauben an einen einzigen Gott, folgen der Tora und feiern ihre Identität trotz jahrhundertelanger Ausgrenzung. Im Nationalsozialismus wurden sie systematisch entrechtet, verfolgt und ermordet – allein weil sie Juden waren.

Der Holocaust, die industrielle Vernichtung von sechs Millionen europäischen Juden, war das grausamste Kapitel dieser Geschichte. Thomas Gabelins Überleben ist ein Wunder – und seine Stimme heute ein Schatz.

Ein Abend, der bleibt

Die bewegende Veranstaltung in Wittlich war mehr als Erinnerung. Sie war ein Aufruf an die Gegenwart. Thomas Gabelin zeigte eindrucksvoll, warum Gedenken nicht nur Pflicht, sondern Verantwortung ist – besonders an einem Tag wie dem 8. Mai. 

 

Text und Bilder: Kevin Schößler 

 


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