Stichwort Pflege: Austausch hilft
Laut Statistischem Bundesamt werden in Deutschland aktuell rund 2,6 Mio Menschen zuhause gepflegt. Der demografische Wandel sorgt dafür, dass die Zahlen tendenziell steigen. Im Landkreis Bernkastel-Wittlich sind 5.330 Menschen auf Pflege angewiesen (Stand: 15.12.2021). 2926 davon beziehen ausschließlich Pflegegeld und werden von Angehörigen versorgt. Selbst, wenn alles gut geregelt ist bleiben Fragen, Unsicherheit, Angst und oft auch das Gefühl, mit seinen Sorgen alleine zu sein.
Angst vor Fehlern
Für Angehörige, die sich um die Pflege eines Familienmitglieds kümmern, möchte der Pflegestützpunkt Bernkastel-Kues ab Ende Mai mit einem Gesprächskreis ein neues Angebot etablieren, das die Möglichkeit bietet, sich mit Menschen auszutauschen, denen es ähnlich geht. Initiatorin ist Julia Schiff. Sie kennt die größten Probleme pflegender Angehöriger: "In den Beratungsgesprächen äußern die Familienmitglieder unserer Klienten oft den Wunsch nach Unterstützung bei Antragstellungen," sagt die Pflegeberaterin. "Sei es, um einen Pflegegrad zu erhalten oder auch, um konkrete Hilfen zu beantragen, wenn der Bedarf bereits festgestellt ist. Die Pflegestützpunkte helfen beim Umgang mit Behörden sowie bei der Antragstellung und Finanzierungsmöglichkeiten." Viele hätten auch einfach Angst, etwas falsch zu machen, ergänzt Ulrike Jung-Ristic, Leiterin der Beratungs- und Koordinierungsstelle/Schwerpunkt Demenz beim Caritasverband Mosel-Eifel-Hunsrück e.V.. Jung-Ristic hat viel Erfahrung mit Gesprächskreisen und der "Hilfe zur Selbsthilfe". Sie bietet diese Art von Treffen erfolgreich für Angehörige von dementiell veränderten Menschen an und unterstützt nun ihre Kollegin Julia Schiff beim Aufbau des neuen Forums. Existieren tut die Idee schon länger. "Bereits vor der Corona-Pandemie war der Gesprächskreis geplant. Wir sind öfter darauf angesprochen worden, konnten während der Pandemie jedoch keinen regelmäßigen Gesprächskreis planen," blickt Julia Schiff zurück. Beim letzten Pflegestammtisch äußerten Angehörige den Wunsch dann nochmal ganz konkret. "Gemeinsam sind wir dann in die Planung gegangen. Erfahrungsgemäß sollte die Gruppengröße 15 Teilnehmende nicht übersteigen, damit ein guter Austausch möglich ist," so Julia Schiff.
Fragen am Ende des Tages
Die Treffen starten am 31. Mai und sollen jeden letzten Mittwoch im Monat, von 18 bis 19.30 Uhr im Altenzentrum St. Nikolaus Bernkastel-Kues, Stiftsweg 2 stattfinden. Sie sind grundsätzlich als offener, durch den Pflegestützpunkt moderierter Austausch unter Angehörigen gedacht. Julia Schiff: "In der Regel wird es als sehr bereichernd empfunden, wenn man merkt, dass man in einer solchen, oft beschwerlichen Situation, nicht alleine ist. Denn trotz genügend theoretischem Wissen bleibt am Ende des Tages oft die Frage `Ja, wie denn jetzt ?`". Gesprächskreis-Teilnehmende könnten sich untereinander mit Tipps und Ratschlägen zur Seite stehen. Bei fachlichen Fragen gebe es darüber hinaus auch die Möglichkeit, die Mitarbeiter des Pflegestützpunktes direkt anzusprechen. "Interesse vorausgesetzt, sind zusätzlich fachliche Vorträge zu ausgewählten Themen geplant,", ergänzt Schiff. Zur "Pflege zuhause" gehören auch viele begleitende Dienste, wie z.B. Anbieter von "Essen auf Rädern". Das Problem: Die Kapazitäten reichen nicht aus, viele sind ausgebucht. Gibt es insgesamt genügende Entlastungsangebote im Kreis Bernkastel-Wittlich? Entsprechende Angebote seien vorhanden, meint Julia Schiff. Offerten wie Essen auf Rädern seien in einem Flächenlandkreis wie Bernkastel-Wittlich für die Anbieter allerdings schwieriger zu organisieren als beispielsweise in Ballungszentren. "Besonders stark nach gefragt sind derzeit insbesondere Hauswirtschaftsleistungen." Auch hierzu kann der Pflegestützpunkt beraten.
Der neue Gesprächeskreis startet am Mittwoch, 31. Mai. Info und Anmeldung: Pflegestützpunkt Bernkastel-Kues, Julia Schiff, Tel. 0 65 31 / 5002-988; julia.schiff@pflegestuetzpunkte-rlp.de
Kommentar:
Gemeinsam besser
Unser Pflegesystem würde ohne die Hilfe Angehöriger kollabieren: Acht von zehn pflegebedürftigen Menschen in Deutschland werden zuhause von Familienmitgliedern betreut. Es sind hauptsächlich Frauen, die diese Versorgung übernehmen - oft zusätzlich zu eigenen Kindern und zum Job. Wie groß die körperliche und seelische Belastung dabei werden kann, liegt auf der Hand. Für beide Seiten. Denn pflegebedürftige Menschen möchten ihren Liebsten nicht "zur Last" fallen. Und sorgende Angehörige wollen das Beste und müssen sich dabei permanent die Frage stellen, wie das alles funktionieren kann. Da ist es gut, sich mit Menschen auszutauschen, die sich in einer ähnlichen Lebenssituation befinden. Sei es, um aus den Erfahrungen anderer lernen zu können oder einfach "nur", um festzustellen, dass man mit seinen Sorgen nicht ganz alleine dasteht.
Stephanie Baumann