Katja Hommes

Stolpersteine für Cochem-Zell: „Vergeben ja, vergessen nie"

Das Stolperstein-Projekt im Kreis Cochem-Zell wächst weiter. 27 neue kleine Mahnmale sollen ab Donnerstag an die Schicksale jüdischer Familien an verschiedenen Orten erinnern. Zum Auftakt gab es einen kleinen Empfang im Cochemer Kapuzinerkloster mit mahnenden Tönen und bewegenden Momenten.

Die wohl kürzeste aber auch bewegendste Rede des Abends hielt Varda Getzow. Die Berliner Künstlerin hatte offenbar erst kurz zuvor erfahren, dass ihr Vater Arko Götzoff, der den Holocaust überlebte, und ihre Tante Senta, die im Konzentrationslager starb, an diesem Ort die Schule besucht hatten. „Dieser Blick auf Cochem“, schwärmte Varda Getzow, „so haben es mein Vater und seine kleine Schwester erlebt“. Doch die idyllische Landschaft steht im starken Kontrast zu dem, was ihre Verwandten und viele weitere Juden auch im Kreis Cochem-Zell erleben mussten. Es gibt noch viel zu tun „Vergeben ja, vergessen nie“: Diesen Satz hat Franz Piacenza, Mitbegründer des Freundeskreises Synagoge Zell, in den vergangenen Jahren sehr oft gehört, vor allem von Gästen aus Israel, die  die ehemalige Synagoge im Moselort besuchen. Weil eben auch die Mitglieder nicht vergessen wollen, sahen sie schon vor einigen Jahren in dem Stolperstein-Projekt des Künstlers Gunter Demnig eine Chance, an die Schicksale der Juden im Zeller Hamm zu erinnern. 2015 wurden bereits erste Steine in Zell verlegt, weitere werden nun in Bad Bertrich, Bullay, Pünderich und Zell folgen. Ist damit schon genug erreicht? Für Piacenza nicht: „Es gibt noch viel zu tun.“ Der gleichen Meinung sind auch Landrat Manfred Schnur und WochenSpiegel-Redaktionsleiter Mario Zender. Vor einigen Jahren vereinbarten sie eine Zusammenarbeit. Das Ziel: Allen aus dem Kreis Cochem-Zell deportierten, vertriebenen und ermordeten Juden ein Andenken mithilfe eines Stolpersteines setzen. Die Umsetzung des Projektes hat 2014 begonnen. Beide nahmen in ihren Reden auch Bezug zur aktuellen politischen Lage. Auf Akzeptanz und Toleranz, so Schnur, müsse geachtet werden. Wenn Politiker, wie im aktuellen Fall, den Holocaust leugnen würden, müsse die Bevölkerung „als Demokraten zusammenstehen“.   Geschichte dahinter erfahren „Wir sind von diesem Projekt überzeugt, weil es Menschen zusammenbringt, zum Erinnern anregt und dazu, die Geschichte dahinter zu erfahren“, betonte Mario Zender. Auch im Hinblick auf darauf, dass Ausgrenzung, Verfolgung und Terror wieder an Boden gewinne, rief er dazu auf, die Verlegung der Stolpersteine zum Anlass zu nehmen „Dinge kritisch zu hinterfragen und genau hinzuschauen – was heute geschieht, was damals geschah und nie wieder geschehen darf“.   Stadtbürgermeister Wolfgang Lambertz sprach von einem „bedeutungsvollen Tag“. Es gehe darum, den Tätern von damals zu widersprechen und den Opfern ein Andenken zu setzen. Mit den ersten acht Stolpersteinen, die nun verlegt werden, sei ein Anfang gemacht, aber: „Wir haben noch an viele zu erinnern“, so Lambertz. Routine? Von wegen! Künstler Gunter Demnig, der unerwartet ans Rednerpult trat, betonte, der Hintergrund der Stolpersteine sei kein Grund zur Freude. „Dennoch freue ich mich über jeden Stein, den ich verlegen durfte“, sagt er. Das sind inzwischen weit über 58 000. Die Opferzahlen der Verfolgten und Ermordeten des Zweiten Weltkrieges seien auch für ihn abstrakt, doch bei den Verlegungen würden auch ihm immer wieder berührende Schicksale hinter diesen Zahlen vor Augen geführt. Er wiedersprach der Kritik, die in letzter Zeit öfter geäußert wurde, die Verlegung sei für ihn doch reine Routine. Das Einlassen der Steine sei vielleicht Routine. Das was dahinter stecke nicht.


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