

WochenSpiegel: Ein rechtskräftig verurteilter Sexualstraftäter wird nach jahrelanger Haft entlassen. Nun muss der Kreis den Asylbewerber aufnehmen, da er nicht abgeschoben werden kann. Das wird die Cochem-Zeller Bürger ärgern oder sogar wütend machen. Können Sie das verstehen?
Manfred Schnur: Ich bin Landrat und zudem Leiter einer Behörde – in erster Linie bin ich aber Mensch.
Und insoweit kann ich nachvollziehen, dass die Cochem-Zeller Bürgerinnen und Bürger verärgert oder gar wütend sind. Das werte ich als menschlich, denn sicherlich versteht niemand, dass ein krimineller Asylbewerber nach jahrelanger Haft nicht in sein Heimatland abgeschoben werden kann. Die Bürger sind zudem auch verunsichert und haben Angst, weil es sich hier – anhand des Vorstrafenregisters – ganz offensichtlich um einen gewaltbereiten Menschen handelt. Leider haben weder ich – noch meine Verwaltung – eigene Handlungsoptionen. Das Ausländerrecht ist keine Selbstverwaltungsangelegenheit des Landkreises. Hier wird Bundes- und Landesrecht ausgeführt.
WochenSpiegel: Was werden Sie als Landrat tun, um zu verhindern, dass der abgelehnte und kriminelle Asylbewerber in den Kreis Cochem-Zell kommt?
Manfred Schnur: Für eine Abschiebung wird ein Rückreisedokument benötigt. Und genau hier liegt das Problem. Dieses Rückreisedokument muss von den somalischen Behörden ausgestellt werden. Allerdings stellen die somalischen Behörden aktuell aber kein Rückreisedokument für eine Abschiebung aus. Hier ist der Bundesaußenminister gefordert, um Länder – wie Somalia – zu verpflichten, indem Hilfen – etwa über Entwicklungshilfe – davon abhängig gemacht werden, dass Länder in solchen Verfahren mitwirken. Zum Beispiel muss die Bundesrepublik Deutschland IS-Kämpfer aufnehmen, warum nicht Somalia auch straffällige Somalier. Meine Behörde ist im engen Kontakt mit der Zentralstelle für Rückführungsfragen (ZRF) in Trier. Außerdem versuchen wir, den Betroffenen nach seiner Haftstrafe wieder in der Aufnahmeeinrichtung unterzubringen. Aber alles bislang ohne Erfolg.
WochenSpiegel: Können Sie seine Aufnahme gegenüber dem Land nicht einfach ablehnen?
Manfred Schnur: So einfach ist das leider nicht. Die ADD Trier hat uns den Asylbewerber bereits im Jahr 2015 durch eine Verteilungsverfügung zugewiesen. Durch das Landesaufnahmegesetz sind wir verpflichtet, diese Person aufzunehmen und unterzubringen. Die Aufnahme abzulehnen ist rechtlich nicht möglich. Aber wie bereits erwähnt, werden wir dennoch alles daransetzen, dass es gar nicht erst so weit kommt und der Betroffene in einer geschlossenen oder bewachten Einrichtung unterkommt. Da muss auch das Land mithelfen.
WochenSpiegel: Wenn es dann doch nicht zu verhindern ist, dass der kriminelle Asylbewerber abgeschoben wird, stellt sich die Frage, welche Auflagen es gibt, die dazu beitragen, dass die Wahrscheinlichkeit sinkt, dass der Gewalttäter erneut auffällig werden kann?
Manfred Schnur: Für Auflagen oder Überwachungsmaßnahmen sind die Gerichte und die Polizei zuständig. Ich hoffe, dass die Überwachungsmaßnahmen so sind, dass die Bevölkerung geschützt werden kann und weitere Straftaten verhindert werden können.
WochenSpiegel: Genau solche Fälle wie dieser sorgen dafür, dass rechte Gruppen und Parteien das Asylrecht grundsätzlich in Frage stellen. Dass das Asylrecht ein wichtiges und richtiges Recht ist, darüber denke ich, brauchen wir nicht zu sprechen.
Vielmehr wie es gelingt, trotz solch gravierender Einzelfälle, die weitaus größere Zahl an integrierten Asylbewerbern in unserem Kreis, und die dadurch resultierende kulturelle Bereicherung, herauszustellen. Was meinen Sie?
Manfred Schnur: Ich gehe mit Ihnen konform: Gar keine Frage. Das Asylrecht ist ein wichtiges und richtiges Recht. Und auch der Landkreis Cochem-Zell ist ein weltoffener Landkreis, in dem Menschen aus vielen verschiedenen Nationen mittlerweile ein Zuhause gefunden haben. Dies haben der Landkreis und die Menschen 2015 ganz vorbildlich unter Beweis gestellt. Integrationsarbeit ist seit Jahren ein Thema; nicht umsonst hat der Landkreis ein Integrationskonzept erstellt, das eine Willkommenskultur als Grundprinzip hat und ein zielgerechtes Handeln in allen gesellschaftlichen Bereichen beinhaltet. In diesem Fall darf beziehungsweise muss man sich natürlich fragen: Was ist Recht und was ist rechtens? Und wie soll man verstehen, dass Flüchtlinge, die schwere Straftaten begehen, nicht abgeschoben werden dürfen, weil das Heimatland aktuell kein Rückreisedokument für eine Abschiebung ausstellt. Da kommt schon die Vermutung nahe, lass das Problem doch in Deutschland und nicht mehr im Heimatland Somalia. Ein solcher Vorfall lässt natürlich auch Vorurteile – die auch leider politisch ausgenutzt werden – weiterwachsen und erschwert mitunter denen, die sich anpassen und integrieren, »Fuß zu fassen« in unserer Gemeinschaft.