"Ein Loch in der Gesellschaft hinterlassen"
Zell, Bullay, Pünderich: "Das wäre euer Zuhause gewesen", wandte sich Ruth Schiffer, Mitglied des Freundeskreises Synagoge Zell, an die Angehörigen. Die Vertreibung und Ermordung der Juden habe auch in den Moselorten ein "Loch in der Gesellschaft" hinterlassen, betonte sie. Karl Heinz Simon, Bürgermeister der Verbandsgemeinde Zell, blickte mit den Anwesenden auf einen "bewegenden Tag" zurück. Er bekannte: Als David Harf, Sohn des aus Bullay vertriebenen Walter Harf, einen Brief seines Vaters verlaß, habe er "Tränen in den Augen" gehabt. Und er gab zu bedenken: "Neben Erinnerung hat Geschichte auch einen Auftrag". Im Fall der Stolpersteine den, dass ähnliches nicht wieder passieren dürfe. Bettina Salzmann, Beigeordnete der Stadt Zell, lobte vor allem das ehrenamtliche Engagement des Freundeskreises, der die Verlegung der Stolpersteine im Zeller Hamm vorbereitet hatte. Zum Schluss ergriff auch David Harf noch einmal das Wort: "Wenn ich bisher an Deutschland dachte, dachte ich an den Holocaust", sagte er. Deswegen sei er froh, zur Verlegung der Steine für seine Verwandten gekommen zu sein. Der Aufenthalt ermögliche ihm einen neuen Blick. "Das schönste war die Anteilnahme der Jugendlichen", betonte Harf. Diese hatten vor einige Monaten damit begonnen, Kontakt zu seinem Vater aufzunehmen. "Danke, dass ihr unser Leben geändert habt", lautete sein Schlusswort. Fotos: Hommes An diese Menschen erinnern die Stolpersteine in Zell: Berta Salomon (*1890, Stolperstein in Brandenburg 49, Zell) Berta Stolperstein war die Tochter des Viehhändlers Nathan Salomon aus Briedel und seiner Frau Karoline. Sie lebte alleinstehend in Zell. Einen schweren Schicksalsschlag erlitt die Familie bereits im Ersten Weltkrieg, der drei Brüdern das Leben kostete. In den späteren Deportationslisten wird Berta Salomons Beruf mit „Hilfsarbeiterin“ angegeben. Ende Oktober 1939 verließ sie Zell und zog nach Düsseldorf, wo auch ihre Schwester wohnte. Von dort wurde sie im November 1941 ins Ghetto nach Minsk deportiert, dort verlieren sich ihre Spuren. Das Ghetto Minsk überlebten nur wenige, zehntausende Gefangene kamen dort um. Hedwig (*1903) und Max (*1896, Stolpersteine in der Balduinstraße 28, Zell) Max Wolf gehörte wohl zu jenen, die die Gefahr durch die Nazis früh erkannten. Bei einer Wahlrede des Nationalsozialisten Dr. Ley 1932 soll er sich an der Seite seines Freundes Alfred Adler sogar mit Anhängern der Nazis im Grünen Kranz in Zell geprügelt haben. Wenige Monate später begann auch in seiner Heimatstadt Zell bereits der Boykott jüdischer Geschäfte. Max Wolf hatte die Metzgerei seines Vaters Elias übernommen. Auch seine Frau Hedwig stammte aus einer Metzgerfamilie. Gezielt wurden nicht nur die Geschäfteinhaber, sondern auch deren Kunden angegangen. Die Nazis drohten auch ihnen mit Folgen, sollten sie weiter beim jüdischen Metzger kaufen. Der Metzger selbst wurde immer weiter in die Enge getrieben. In einem Zeitungsartikel wurde er beispielsweise öffentlich der Schwarzschlachtungen und Steuerhinterziehung beschuldigt. Dem wirtschaftlichen und psychischen Druck hielt der Zeller nicht Stand. Er nahm sich im März 1936 das Leben. Seine Frau zog anschließend zurück zu ihren Eltern nach Heldenbergen. Von Darmstadt aus wurde sie im September 1930 vermutlich nach Treblinka deportiert. Todesdatum und Ort sind jedoch nicht genau bekannt. Sie wurde nach dem Krieg für tot erklärt. Samuel Kornfeld (*1854, Stolperstein in der Balduinstraße 35, Zell) Samuel Kornfeld wurde in Ungarn geboren und immigrierte vor dem Ersten Weltkrieg nach Deutschland. Er war der letzte Lehrer der jüdischen Gemeinde Zell. Mit der Machtergreifung der Nazis sank die Zahl der Jugendlichen, die er unterrichtete, drastisch. Aufgrund von Flucht, Boykott der Geschäfte und immer weiteren Eingriffen in die Freiheit der Juden, wurde auch dem Lehrer die Lebensgrundlage entzogen. Weil er sich eine eigene Wohnung nicht mehr leisten konnte, nahm ihn die Zeller Familie Bender in ihrem Haus auf. Im August 1938 zog Kornfeld jedoch nach Trier und wenig später aus unbekanntem Grund nach Leipzig. Dort starb er am 7. Oktober 1939. Amalia Sondheimer (*1875) und Theresia Moos, geborene Sondheimer (*1874, Stolpersteine in der Petersstraße 2, Zell) Amalia Sondheimer und Theresia Moos waren Schwestern und die Töchter des Zeller Metzgers Adam Sondheimer und seiner Frau Babette. Das Ehepaar hatte zwei weitere Töchter, Natalie und Emma. Letzteren beiden gelang mit ihren Familie die Flucht vor den Nazis in die USA. Wann genau Amalia Sondheimer und Theresia Moos Zell verlassen haben, ist nicht bekannt. Sie wurden jedoch offenbar in das SS-Sammellager im belgischen Mechelen gebracht. Dieses verließen sie, so Recherchen des Synagogenvereins Zell, am 19. April 1943 im Deportationszug nach Auschwitz gemeinsam mit mehr als 1 600 Gefangenen. Dieser Gefangenentransport ging in die Geschichte ein, weil Widerstandskämpfer versuchten, die Menschen zu befreien. 232 Menschen gelang zunächst die Flucht, 26 weitere wurden auf der Flucht getötet. Weitere 87 Personen wurden später gefasst und deportiert. Über das weitere Schicksal von Amalia Sondheimer und Theresia Moos ist nichts weiter bekannt. Es wird davon ausgegangen, dass sie direkt nach Ankunft in Auschwitz in den Gaskammern ermordet wurden.