

Erst beruflich weiterentwickeln, dann auf die Familienplanung konzentrieren – für viele junge Menschen ist diese Reihenfolge logisch. Dass, einmal im Berufsleben etabliert, der Familie nichts im Wege steht, sehen die meisten als selbstverständlich. Für die 29-jährige Anna Skala wurde der Kinderwunsch zur persönlichen wie existenziellen Zerreißprobe.
Vor über sieben Jahren hat sich die Ergotherapeutin selbstständig gemacht. In ihrer Praxis werden vor allem Säuglinge, Kinder und Jugendliche behandelt. »Die Arbeit mit den vielen Kindern hat meinen Kinderwunsch noch verstärkt«, berichtet Anna Skala. Doch die Freude über ihre Schwangerschaft im Jahr 2019 hielt nicht lange an. Schon bei der ersten Untersuchung in der sechsten Schwangerschaftswoche erteilte der Arzt ihr aus medizinischen Gründen ein Beschäftigungsverbot. Eine Hiobsbotschaft, denn als Selbstständigen stand ihr in diesem Fall keinerlei Unterstützung zu. »Ich sollte mich entscheiden: Entweder ich mache meine Praxis zu, was für meine Angestellte und mich der wirtschaftliche Ruin bedeutet hätte, oder ich arbeite weiter und gefährde das Leben meines Kindes«, resümiert Anna Skala. »Es kann doch nicht sein, dass das Leben meines ungeborenen Kindes nicht geschützt ist! Wir leben in einer Zwei-Klassen-Gesellschaft der Frau.«
Das Beschäftigungsverbot war nur das erste Problem auf dem Weg der Mutterschaft. Von ihrer privaten Krankenversicherung hatte sie als Selbstständige keinen Anspruch auf Mutterschutz. »Ich weiß noch genau, dass ich fünf Stunden nach der Geburt im Krankenhausbett lag und E-Mails für die Arbeit beantwortet habe«, erinnert sich Anna Skala. Weil es nicht anders ging, wenn sie ihre Praxis behalten wollte.
Als sie sich über ihren Anspruch auf Elternzeit informieren wollte, fand sie dazu kaum Informationen. Nach mühsamem Durchfragen bei verschiedenen Instanzen, die allesamt keine klaren Antworten hatten, stand sie schließlich wieder vor einer unmöglichen Entscheidung: »Elterngeld stand mir nur zu, wenn ich die Praxis geschlossen oder das Geld im Anschluss zurückgezahlt hätte.« Und selbst dann wäre das Geld, das ihre Mitarbeiterin während Anna Skalas Elternzeit für ihren eigenen Lebensunterhalt erwirtschaftet hätte, der Inhaberin aufs Elterngeld angerechnet worden.
Also ging Anna Skalas angestellter Partner in Elternzeit und für die Ergotherapeutin folgten stressige Monate, in denen sie nach jedem behandelten Patienten nach Hause fuhr, um ihr Kind zu stillen. Eine Zeit, die für ihre Praxis nicht wirklich wirtschaftlich war. Doch blieb ihr kaum eine anderen Wahl. »Was ich mir jahrelang mühsam aufgebaut habe, möchte ich auch nicht einfach so aufgeben«, so die 29-Jährige.
Zwei Jahre später, als das Thema Hausbau anstand, war das Ende des Rattenschwanzes noch immer nicht in Sicht. Um die Kreditfähigkeit von Anna Skala und ihrem Partner zu ermitteln, wurde der Praxisverdienst der letzten beiden Jahre angerechnet. Diese liefen aufgrund der Schwanger- und Mutterschaft aber deutlich schlechter als die Vorjahre. So spürt Anna Skala noch Jahre nach ihrer Entscheidung, eine Familie zu gründen, die Konsequenzen. »Ich fordere aktiv, dass jetzt gehandelt wird. Das ist kein neues Problem und wir brauchen Lösungen für die moderne Frau«, postuliert die Ergotherapeutin. »Kinderplanung darf kein unternehmerisches Risiko bedeuten.«
Dass eine Lösung her muss, hat am 15. Juni auch der Bundestag einstimmig beschlossen. Ob diese rechtzeitig kommt, damit Anna Skala ihre Familienplanung sorgenfrei fortsetzen kann, bleibt nur zu hoffen.




