Eiskalte Weihnachten?
24 Familien in Cochem-Brauheck bangen um ihre Festtage. Grund: Der Energieversorger droht das Gas für die Heizung abzustellen. Die Hausverwaltung hat offenbar die Rechnungen nicht gezahlt.
Von Mario Zender
Cochem. In Cochem-Brauheck herrscht wenige Tage vor dem Fest der Liebe alles – nur keine festliche Vorfreude. Mehr als 25 Familien aus drei Wohnanlagen stehen vor der bangen Frage, ob sie Heiligabend überhaupt im Warmen verbringen können. Der Energieversorger EVM hat den Bewohnern schriftlich angekündigt, bereits in der kommenden Woche die Wärmeversorgung einzustellen. Die zentrale Heizstation der Wohnanlage solle dann nicht mehr mit Gas versorgt werden. Hintergrund sind offenbar nicht bezahlte Rechnungen der verantwortlichen Hausverwaltung.
Das Schreiben der EVM erreichte die Bewohner inmitten ihrer Weihnachtsvorbereitungen und schlug wie ein Blitz ein. Darin teilt der Versorger mit, dass »massive Vertragsstörungen« vorlägen und wiederholte Versuche, mit der zuständigen Verwaltung eine Lösung zu finden, erfolglos geblieben seien. Sollte seitens der Verwaltung weiterhin keine Reaktion erfolgen, werde man den Wärmeanschluss ab Kalenderwoche 50 sperren.
Für viele Mieter war das ein Schock. Stephan Theusch (48), seit Jahren Bewohner der Groenhoffstraße, berichtet: »Ich habe mich mit meiner Freundin und meiner 14-jährigen Tochter auf schöne Weihnachten gefreut – und dann kam dieses Schreiben. Wir wissen wirklich nicht, ob wir an Heiligabend warmes Wasser und eine funktionierende Heizung haben werden.«
Besonders dramatisch ist die Lage auch für Irina Fast (55), die ihre 86-jährige Mutter pflegt. Die Seniorin ist schwer erkrankt und auf eine warme Wohnung angewiesen. Fast schildert: »Die Heizung fällt schon jetzt immer wieder aus. Wenn sie tatsächlich ganz abgestellt wird, weiß ich nicht, wie wir das schaffen sollen.«
Die Probleme in der Wohnanlage bestehen offenar nicht erst seit Kurzem. Nach Angaben zahlreicher Bewohner begann der Ärger vor rund sechs Jahren, als die Häuser den Eigentümer wechselten. Vorher heizte jede Wohnung mit einer eigenen Gastherme. Mit dem Umbau auf eine zentrale Anlage sei es bergab gegangen. Immer wieder habe es Störungen und Kaltphasen gegeben, dazu kämen Zugluft und alte Fenster.
Viele Bewohner haben auf eigene Kosten nachgebessert. So etwa Julia Alembaew (51). »In einem Raum zog es so stark, das man es nicht mehr ausgehalten hat. Deshalb habe ich ein Fenster bestellt und einbauen lassen.« Gleich erging es Dimitri Spielmann (52): »Ich habe mich immer wieder beschwert, dass es zieht. Es ist aber nichts gemacht worden.« In der vergangene Woche hat er nach eigenen Angaben erst 1200 Euro für ein neues Fenster und eine neue Balkontür investiert. »Sonst hätten wir hier im Winter gar nicht leben können«, sagt er. »Dass ich das Geld zurückbekomme? Daran glaube ich nicht«, so Spielmann.
Wie es jetzt weitergeht, ist unklar. Die Betroffenen hoffen, dass es kurzfristig eine Lösung gibt. Die entscheidende Frage bleibt: Wird es in Brauheck an Heiligabend warm – oder erleben dutzende Familien eine buchstäblich eiskalte Nacht?
Nachdem die Mieter der Groenhoffstraße 5–7 in Cochem-Brauheck das Schreiben der »EVM« erhalten hatten, suchten einige von ihnen umgehend anwaltliche Unterstützung. Der Cochemer Jurist und Fachanwalt für Wohnungseigentumsrecht Marco Steuer von der Kanzlei »Theisen, Linden und Steuer« vertritt bereits mehrere Betroffene. Steuer kritisiert den Umgang der Hausverwaltung mit den Mietern deutlich:
»Viele wohnen seit Jahrzehnten dort, haben Renovierungen mit eigenen Mitteln durchgeführt und immer zuverlässig Miete und Betriebskosten bezahlt. Nun droht ihnen unmittelbar vor Weihnachten die Einstellung der Wärmeversorgung, weil der Eigentümer seine Verpflichtungen nicht erfüllt. Das ist ein Unding.«
Steuer beantragte beim Amtsgericht Cochem eine einstweilige Verfügung, die inzwischen erlassen wurde. Darin wird die Hausverwaltung verpflichtet, die Versorgung mit Warmwasser und Heizenergie sicherzustellen. Laut Verfügung müsse die Versorgung ab Kalenderwoche 50 und darüber hinaus gewährleistet bleiben. Für den Fall der Zuwiderhandlung droht das Gericht ein Zwangsgeld von bis zu 250.000 Euro, ersatzweise Zwangshaft gegen den Geschäftsführer der Hausverwaltung.
Nach Recherchen des WochenSpiegels soll es bei den offenen Forderungen gegenüber dem Versorger um einen Betrag von rund 50.000 Euro gehen.
Der Energieversorger selbst bestätigte in dem Schreiben an die Mieter, versucht zu haben, mit der Hausverwaltung Gespräche zu führen. Bislang erfolgte jedoch offenbar keine Reaktion.
Besonders brisant erscheint die Lage vor dem Hintergrund der öffentlichen Darstellung der Hausverwaltung aus dem hessischen Maintal. Auf ihrer Website beschreibt sie sich als familiengeführtes Unternehmen mit mehr als 40 Jahren Erfahrung in der Immobilienverwaltung, als transparent und serviceorientiert sowie als Partner, der den Überblick behalte. Für viele Mieter wirkt dies angesichts der Situation in der Groenhoffstraße inzwischen wie blanker Hohn.
Auf eine Anfrage des WochenSpiegels zur Stellungnahme reagierte das Hausverwaltungsunternehmen bis Redaktionsschluss nicht.
Auch die Politik ist inzwischen alarmiert. Mehrere Bewohner wandten sich hilfesuchend an Cochems Stadtbürgermeister Walter Schmitz sowie an den Verbandsgemeindebürgermeister Wolfgang Lambertz. Beide bestätigten, Gespräche mit der Hausverwaltung und dem Versorger aufgenommen zu haben, um sicherzustellen, dass die Bewohner nicht im Kalten sitzen.
Stadtchef Walter Schmitz kann nicht verstehen, wie es zu einer solchen Situation kommen konnte. »Hier geht es um Menschen. Die kann man nicht einfach im Winter so hängen lassen«, so Schmitz. Zudem habe ihm der Eigentümer zugesichert, »dass die finanzielle Situation geklärt ist, sodass die Nahwärme nicht abgestellt werden muss«.
»Das ist ein unhaltbarer Zustand, der dringend gelöst werden muss«, fordert Lambertz.
Helfen will auch der Landtagsabgeordnete Benedikt Oster (SPD). Nachdem er über die Zustände in Cochem-Brauheck informiert wurde, reagierte er deutlich. Er bezeichnet die drohende Wärmeabschaltung als »vollkommen inakzeptabel« und sagte gegenüber dem WochenSpiegel: »Eine soziale Schieflage wie diese darf in unserem Land keinen Platz haben. Mieterinnen und Mieter, die ordnungsgemäß zahlen, dürfen nicht dafür bestraft werden, dass Eigentümer ihren Verpflichtungen nicht nachkommen.«
Oster kündigte an, den Mieterschutzbund sowie das Sozialministerium einzuschalten und den Vorgang weiter zu begleiten. Trotz der einstweiligen Verfügung ist die Unsicherheit bei den Bewohnern nicht ausgeräumt.
Unklar bleibt, ob der Betrag zeitnah gezahlt wird, ob die Heizungsanlage weiter zuverlässig betrieben werden kann und ob die Verwaltung die gerichtlichen Vorgaben umsetzt.
Die Familien in Brauheck hoffen auf schnelle Lösungen. Ob es ihnen gelingt, Weihnachten im Warmen zu verbringen, entscheidet sich wohl in den kommenden Tagen. Bis dahin bleibt die Angst: Wird es »Stille Nacht, heilige Nacht« – oder doch »eiskalte Nacht«? Bericht folgt!