Mario Zender & Christian Thielen

Exklusiv: So kam die Steuerfahndung den Winzern auf die Spur

Zahlreiche Moselwinzer sind ins Visier der Steuerfahndung Trier geraten (wir berichteten). Vergangenen Mittwoch ging die Serie von Hausdurchsuchungen weiter. In einem Moselort bei Cochem wurden gleich mehrere Weinbaubetriebe durchsucht. Der Verdacht: Steuerhinterziehung durch »Schwarzverkäufe«.

 8.14 Uhr - Der Einsatz beginnt Die Ermittler der Steuerfahndung Trier verabredeten sich an diesem Tag in einer Bäckerei zum Frühstück. Die ersten Beamten sind bereits um 7.25 Uhr dort, insgesamt kommen nach und nach 25 Ermittler zu dem Treffpunkt. Mit dabei ist auch ein Oberregierungsrat, der als Chef der Bußgeld- und Strafsachenstelle des Finanzamtes Trier,  die entsprechenden Strafen gegen die Beschuldigten, soweit sie tatsächlich Steuern hinterzogen haben, festlegen wird. Nachdem sich die Beamten um 8.14 Uhr in dem Café »gestärkt« haben, starten sie ihren Einsatz. Aufgeteilt in fünf Teams fahren die Ermittler drei Weingüter sowie mehrere Banken an. Bei den Geldinstituten interessieren sie sich besonders für Schließfächer der betroffenen Winzer. Bei der Durchsuchung, die von einer Richterin des Amtsgerichtes Trier angeordnet worden war, gehen die Steuerfahnder sehr diskret vor. Sie parken ihre Autos abseits vom zu durchsuchenden Objekt, gehen ruhig zu dem betreffenden Weingut und klingeln. Ein Nachbar, der die Beamten sieht, fragt unseren Reporter misstrauisch: »Was ist denn hier für eine Drücker-Kolonne unterwegs?«. Nicht die letzte Aktion Mehrere Stunden lang überprüfen die Steuerfahnder die Winzerbetriebe. Um 12.15 Uhr verlassen sie die Häuser. Ein gemeinsames Mittagessen der Beamten in einem örtlichen Restaurant beendet an diesem Tag den Außeneinsatz im Kreis Cochem-Zell. Schon jetzt steht fest: Es wird nicht die letzte Aktion dieser Art an der Mosel gewesen sein. Denn die nächsten Durchsuchungen der Trierer Finanzermittler stehen, so WochenSpiegel-Informationen, bereits fest. Entsprechende Beschlüsse wurden bereits beantragt. Und es wird nicht einige Wenige, sondern, so ein Ermittler gegenüber dem WochenSpiegel, deutlich mehr Winzer betreffen. Dreh- und Angelpunkt Dreh- und Angelpunkt der Ermittlungsserie ist nach den dem WochenSpiegel vorliegenden Erkenntnissen ein Verfahren gegen einen Winzer aus dem Bereich Cochem. Der Betrieb fiel den Fahndern bereits 2013 auf. Aus einem Dokument der Steuerfahndung: »Bei der Steuerfahndungsprüfung des Weingutes ,Meier' (Name von der Redaktion geändert) wurden Schwarzeinnahmen aus Weinverkäufen festgestellt. Um die Schwarzeinnahmen verschleiern zu können, erwarb er (der Winzer, d. Red) regelmäßig bei verschiedenen Lieferanten zum Beispiel Korken gegen Barzahlung. Die Barkäufe der Korken verbuchte er nicht bei der Erstellung seiner Gewinnermittlung«. Diese Vorgehensweise diente dazu, so resümiert die Steuerfahndung in einem Antrag an das Gericht, dass zum Beispiel »die Finanzverwaltung bei einer Verprobung der Verkäufe laut Buchführung mit den Einkaufsmaterialien nicht die Schwarzverkäufe ermitteln konnte.«Der Winzerbetrieb hatte, so hat es die Steuerfahndung ermittelt, am 27. Februar 2013 8.000 Korken auf Rechnung gekauft und eine Lieferung von 4.000 Korken erhalten, die als Barverkauf deklariert waren, also ohne entsprechende Rechnung und mit Bargeld bezahlt. Folgenschwere Notiz Bei der Durchsuchung des betreffenden Weingutes fanden die Ermittler damals auch eine folgenschwere Notiz des Winzers vom 11.1.2013. Laut Asservatenliste der Steuerfahndung handelte es sich dabei um eine Preisliste des Zulieferbetriebes aus dem Kreis Cochem-Zell, mit Angaben von Korkenpreisen der Marke »Diam Neutral«, also jene, die das Weingut am 27. Februar bestellt hatte. Am Rand der Preisliste hatte der Winzer handschriftlich notiert: »kann auch BV laufen«. Die Steuerfahndung dokumentiert dazu in einem Schriftsatz: »BV ist nach kriminalpolizeilicher Erfahrung aus anderen Steuerfahndungsfällen die gebräuchliche Abkürzung für Barverkäufe.« »Diam Neutral« bedeutet, dass der Korken (der Firma Diam) keine Aufschrift (oder Logo des Weingutes, d. Red.) trägt. Für die Steuerfahndung war dieses Schreiben Anlass, den Zulieferbetrieb zu durchleuchten. Am 5. Februar 2014 schlugen die Fahnder bei dem Händler sowie einem weiteren Zulieferbetrieb zu. Sie nahmen Kundenlisten, Inventurübersichten, Lieferscheine, Umsatzstatistiken sowie sämtliche Buchführungsunterlagen mit. Als sie diese ausgewertet hatten, wurde eine Vielzahl von Verfahren gegen Winzer eröffnet. Hochrechnungen der Fahnder gehen in die Millionen Nach Informationen des WochenSpiegel, werden sich die zahlreichen Verfahren gegen Winzer an der Mosel offenbar noch mehrere Monate hinziehen. Bisher ist demnach erst ein Teil der anstehenden Durchsuchungen abgewickelt, weitere sind bereits geplant (wir berichteten).Welche Dimensionen die Fälle haben könnten, geht aus einem Papier der Steuerfahndung hervor (liegt dem WochenSpiegel vor). So rechnet die Steuerfahndung an einem Beispieljahr eine mögliche Anzahl an »schwarz« verkauften Weinen aus. Demnach wurden, laut Berechnungen der Ermittler, bei einem Händler im Jahr 2008 Barverkäufe in einer Größenordnung von rund 250.000 Euro festgestellt. Allein 2008 rund 800.000 Flaschen Nach Auffassung der Ermittler und einem von ihnen angenommenen Preis der Korken zwischen 0,06 Euro und 0,23 Euro würde dies allein bei diesem Händler im Jahr 2008 eine Anzahl von rund 800.000 Flaschen ausmachen, die die Kunden (Winzer) damit hätten »schwarz« abfüllen und anschließend an der Steuer vorbei verkaufen können.Diese Hochrechnung der Ermittlungsbehörde betrifft lediglich die Barumsätze eines Händlers und auch nur den Zeitraum für das Jahr 2008. Die Steuerfahnder haben solche Hochrechnungen auch für andere Jahre erstellt, da ihnen die Barumsätze der durchsuchten Betriebe vorliegen. Wenn man nun den Zehnjahreszeitraum betrachtet, der auch für die Fahnder interessant ist, würde dies eine enorm große Menge Wein ergeben, die möglicherweise »schwarz« verkauft worden sein könnte. Nach den Durchsuchungen bei den Zulieferbetrieben im Landkreis Cochem-Zell wurde anschließend auch ein Händler für Weinflaschen im Kreis Bernkastel-Wittlich durchsucht. Ermittlungen laufen zudem bei einem großen Zulieferer für Korken- und Verschlüsse im Rhein-Pfalz-Kreis sowie einem Korkenproduzenten im Norden Baden-Württembergs. Gegen mehrere Zulieferbetriebe und deren verantwortliche Geschäftsführer leitete die Steuerfahndung ebenfalls Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Beihilfe zur Steuerhinterziehung ein. Bericht folgt! Fotos: Zender / Thielen


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