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Hoffen auf Lockerungen

Das zuletzt weggebrochene Weihnachtsgeschäft und die Ungewissheit wann in der Coronakrise Lockerungen kommen, belasten den Einzelhandel. "Wir tragen den Lockdown und die Maßnahmen mit, aber viele sehen nicht, dass wir mit der Substanz unserer Unternehmen für die Gesundheit aller haften", formuliert es Thomas Theiß, Vorsitzender der ARGE Cochemer Gewerbetreibender, im Gespräch mit dem WochenSpiegel.

WochenSpiegel: Seit Mitte Dezember befindet sich Deutschland im harten Corona-Lockdown. Den Handel traf das mitten im Weihnachtsgeschäft. Wie fällt das rückblickend aus? Thomas Theiß: Man darf nicht vergessen, dass der Handel ja indirekt schon seit November starke Einbußen hatte. Rechnet man den Frequenzverlust im November durch die Schließung der Gastronomie und Hotellerie hinzu, dann fehlt dem Einzelhandel insgesamt ein weiterer Monat Umsatz. Hinzu kommt, dass die wirklich starken Umsatztage im Dezember - die letzte Woche vor Weihnachten und die Tage zwischen den Jahren - komplett geschlossen waren. Die Umsatzrückgänge im textilen Einzelhandel liegen für 2020 deutschlandweit zwischen 20 und 30 Prozent. Das ist schon eine Katastrophe. In Cochem wird gerade im Dezember sehr viel Liquidität gebildet, um die Monate bis zum Saisonstart im März/April abzufedern. In Kombination mit dem schon schwierigen Frühjahr 2020 stehen viele Händler mit dem Rücken zur Wand. Wir tragen den Lockdown und die Maßnahmen mit, aber viele sehen nicht, dass wir mit der Substanz unserer Unternehmen für die Gesundheit aller haften. Als Händler ist die Situation schon manchmal frustrierend, weil uns das Handeln ja verboten wird. WochenSpiegel: Zurzeit läuft eine bundesweite Aktion, um auf die Situation des Einzelhandels aufmerksam zu machen. Wie versucht die ARGE in und um Cochem auf ihre aktuelle Situation im harten Lockdown aufmerksam zu machen und zu reagieren? Thomas Theiß: Wir als ARGE nehmen an der Aktion "wir machen AUF-merksam" teil. Wir haben, auch wenn es nur ein kleiner Beitrag ist, die Bezahlung der Mitgliedsbeiträge in dem Sommer verlagert und einen Teil für das Jahr 2020 erlassen. Ich stelle in Gesprächen mit den Kollegen hier in Cochem fest, dass es gerade jetzt wichtig ist, dass man sich mit den Kollegen austauschen kann. Zwar muss jeder Betrieb die Situation alleine schultern, aber es tut gut zu wissen, dass wir alle "in einem Boot sitzen". Enttäuscht bin ich tatsächlich von den verschiedenen Vertretern der Handelsverbände. Wenn man sich ansieht wie viel Aufmerksamkeit der DEHOGA für die Gastronomie und Hotellerie erzeugt, ist unser Auftreten gegenüber den Entscheidern in der Bundespolitik schwach. Wir sind erst seit Mitte Dezember etwas mehr in die öffentliche Diskussion gekommen. WochenSpiegel: Ein erstes Cochemer Highlight in diesem Jahr wäre am 20. und 21. März der Ostermarkt. Wie realistisch ist aus Ihrer Sicht die Durchführung? Thomas Theiß: Der Ostermarkt wird - Stand jetzt - zu diesem Termin nicht stattfinden können. Wir haben uns mit unserem Bürgermeister besprochen und denken, es ist die richtige Entscheidung. Wir hangeln uns ja in der Pandemie von Woche zu Woche, was mögliche Entscheidungen über Lockerungen angeht. Ich hoffe, dass wir die Geschäfte bald wieder öffnen können, eine Veranstaltung wie diese sehe ich im Moment nicht. WochenSpiegel: Wie sehen die Planungen der ARGE aus, wenn es zu Lockerungen kommt? Thomas Theiß: Wir planen gerade eine Werbekampagne für die möglichen Lockerungen. Wir möchten die Cochem-Zeller einladen das zu tun, was sie seit Monaten vermissen, nämlich endlich wieder Einkaufen gehen zu können. In die Stadt gehen, einen leckeren Kaffee trinken, spontan jemanden treffen. Einkaufen ist und bleibt ein sozialer Akt. Unsere Kunden sagen uns ganz offen, dass sie die Geschäfte in Cochem vermissen und erst jetzt merken, wie viel Leben sie der Stadt bringen. Das ist schön und gibt auch Zuversicht für die Zeit nach dem Lockdown. WochenSpiegel: Online-Händler sind offensichtlich die Gewinner der Krise. Welche digitalen Möglichkeiten bieten sich dem Handel vor Ort? Thomas Theiß: Jeder Händler muss für sich entscheiden, wie er die Möglichkeiten nutzen will. Völlig ausblenden darf man den Online-Handel nicht. Gerade in der Phase des Lockdowns kann man hier natürlich auch Zeit investieren. Man muss aber auch sehen, dass einige Einzelhändler noch ohne Warenwirtschaft arbeiten und eine digitales Abbilden des Sortiments nicht ohne teils massive Investitionen in die EDV möglich ist. Nutzen sollte jeder die Möglichkeiten der Sozialen Netzwerke. Dies ist zumindest lediglich ein zeitliches Investment. Viele Unternehmen vor Ort tun dies schon und werden hier auch von ihren Mitarbeitern unterstützt. Wenn die technischen Voraussetzungen stimmen, kann man sich auch einer Plattform anschließen und dann vielleicht auch in einen eigenen Online-Shop investieren. Man muss sich vor Augen halten, dass jeder Kunde sowohl stationär als auch online unterwegs ist und sich informiert. Wenn man also dort sein will wo sich der Kunde aufhält, dann muss man auch in einer gewissen Form online sein. Den richtigen Mix für sich zu finden ist hier der Schlüssel. Das Gespräch führte Stefan Pauly. Fotos: Zender / Archiv


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