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Erinnerung als persönliches Anliegen

– „Als wir Kinder waren, sprach unsere Mutter oft von Kommern. Dieser kleine Ort hier ist ein wichtiger Teil unserer Familiengeschichte.“ Das sprach Helen Stone, geborene Golding, zu den rund 120 Gästen, die zur feierlichen Einweihung eines Mahnmals in der Pützgasse nach Kommern gekommen waren.

Es soll an die ehemalige Synagoge dort erinnern und wurde auf Initiative des Kommerners Wolfgang Abel installiert. Helen Stones Bruder Antony Golding ergänzte: „Ich glaube, dass es auch für unsere Kinder und Enkelkinder sehr wichtig ist zu wissen, wo ihre Großmutter herkommt.“ Helen Stone und ihr Bruder Antony Golding waren eigens aus England angereist. Dorthin war ihre 2010 verstorbene Mutter Emmy Golding, geborene Kaufmann aus Kommern, 1939 vor dem nationalsozialistischen Terrorregime geflohen. Bis November 1938 gab es in Kommern in der Pützgasse eine Synagoge mit jüdischer Schule und Mikwe (Tauchbad). Einen Tag nach der Reichspogromnacht wurde sie von Euskirchener SA-Männern angezündet und brannte bis auf die Grundmauern ab.

Feierstunde

Im Rahmen der Feierstunde berichtete die Zeitzeugin Christine Hiller, wie sie diesen Tag erlebt hat: „Ich war mit meiner Schwester Maria im Garten, wir haben Möhren ausgemacht. Plötzlich bemerkten wir einen Lastwagen. Der Fahrer sprang auf die Straße und gab den Männern auf der Ladefläche den Befehl: »Jetzt rein in die Synagoge, anzünden und sofort wieder weg«.“ Die jüdische Gemeinde Kommerns, deren letzter Synagogenvorsteher Marcus Schmitz war, wurde ausgelöscht. Es sei ein langsamer, schleichender Prozess gewesen, bis es soweit gekommen sei. Christine Hiller erinnerte auch an die Zeit davor: „Wir hatten einen Bauernhof in der Kölner Straße, unsere Nachbarn waren jüdische wie christliche Mitbürger, wir lebten ganz selbstverständlich zusammen.“ Es sei auch selbstverständlich gewesen, so die Zeitzeugin, dass die jüdischen Mitbürger am Samstag, ihrem Sabbat, nicht arbeiteten und in die Synagen gingen, ebenso, wie die Christen am Sonntag die Arbeit neiderlegten und in die Kirche gingen.

Geschichte erforscht

„Heute gibt es in Kommern zwar kein jüdisches Leben mehr, aber ein Mensch ist nicht wirklich tot, wenn man sich seiner erinnert“, sagte Wilfried Johnen, der bis vor kurzem Geschäftsführer des Landesverbands der Jüdischen Gemeinden Nordrhein war. Er übermittelte auch die Grüße seines Amtsnachfolgers Michael Rubinstein. Wilfried Johnen dankte neben den zahlreichen Gästen, die zur Mahnmal-Einweihung gekommen waren, besonders dem Initiator Wolfgang Abel und seinen Unterstützern. Besonders hob er Gisela Freier hervor, die Wolfgang Abel bei der Umsetzung seiner Idee unterstützt hatten. Sie hatte unter anderem den Kontakt zu Helen Stone und Antony Golding hergestellt. Gisela Freier, die bei Adenau lebende pensionierte Lehrerin der städtischen Mechernicher Hauptschule, hat viele Jahre lang mit ihren Schülern die Geschichte der Juden im Stadtgebiet Mechernich erforscht und ins Bewusstsein der Bevölkerung gerufen. Daraus entstanden seien mittlerweile auch tiefe Freundschaften zu jüdischen Familien in der ganzen Welt, so Johnen. Yoram Rozin, der eng mit der Kommerner Familie Brandenburger befreundet ist, war spontan aus Israel angereist, nachdem er von der Einweihung des Mahnmals gehört hatte. Wilfried Johnen: „Sie halten die die Erinnerung wach, und zwar nicht als historische Verpflichtung, sondern als ehrliches, persönliches Anliegen.“ Mit dem Mahnmal sei das jüdische Leben in Kommern im übertragenen Sinne wieder sichtbar geworden: „Mitten im Ort, wie es früher war, als hier noch die Synagoge stand.“

Mahnmal

Spürbar wurde dies nicht zuletzt, als der in Kommern-Süd lebende emeritierte Pfarrer und Professor für Geschichte und Umwelt des Alten Testaments sowie biblisch-orientalische Sprachen, Prof. Dr. Dr. Hans F. Fuhs, ein Gebet auf Hebräisch vortrug. Gemeinsam mit Mechernichs Bürgermeister Dr. Hans-Peter Schick schließlich enthüllte Wilfried Johnen das Mahnmal, ein schlichter schwarzer Stein mit einer Texttafel und dem Symbol des Davidsterns. „Das Mahnmal zeugt von der intensiven Beschäftigung mit der jüdischen Tradition“, so Johnen. Gerade seine Schlichtheit mache es so eindringlich. „Für mich ist ein Denkmal ein lebenslanger Imperativ, der aus zwei Wörtern besteht - denk und mal“, zitierte Dr. Schick den österreichischen Kabarettisten Fritz Grünbaum. „Ein jüdischer Mitbürger, der 1942 im KZ in Dachau gestorben ist.“ Mahnmale seien heute, da die Zeitzeugen sterben, wichtiger denn je. Der Bürgermeister schlug auch die Brücke zu den unzähligen Menschen, „die derzeit aus Not zu uns kommen“. Daher habe ihn auch der Text der Einladung zur Gedenkfeier sehr angesprochen: „Das Schlimmste an einer Diktatur sind die Mitläufer. Sie geben Götzen das Gefühl, Gott zu sein.“

Mit Spenden finanziert

Wolfgang Abel hatte für das Mahnmal die erforderlichen Genehmigungen bei der Stadt Mechernich, beim Grundstückseigentümer und beim Landesverband der jüdischen Gemeinden Nordrhein eingeholt, rekrutierte zahlreiche Sponsoren, die mit ihren Spenden die Finanzierung sicherten. Gemeinsam mit dem Vorsitzenden des Kommerner Vereinskartells Rolf Jaeck besorgte er den Stein und kümmerte sich um die Gestaltung und Aufstellung des Mahnmals. Sein Dank gilt allen, die ihn unterstützt haben. Neben Gisela Freier und Rolf Jaeck waren das insbesondere auch Heinz Bühl sowie die Ortsvereine. Nicht zu vergessen die Musiker um Martin Brock, die die Feierstunde musikalisch begleiteten. Sie berührten unter anderem mit ihrer Interpretation von Franz Schuberts „Heilig, heilig, heilig.“ Zahlreiche Informationen zum jüdischen Leben in Kommern hat der Euskirchener Historiker Hans-Dieter Arntz auf seiner Homepage veröffentlicht: http://www.hans-dieter-arntz.de/mahnmahl_in_kommern.html pp/Agentur ProfiPress


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