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»Größte Aufgabe seit der Einheit«

Der massive Rückgang von Fachkräften in der deutschen Wirtschaft kommt - und das schon sehr bald. Bereits in 15 Jahren gibt es sechs Millionen Menschen weniger im erwerbsfähigen Alter. »Dieses Problem müssen wir bei den Hörnern fassen«, appellierte Bundesministerin Andrea Nahles vor 500 Gästen in der Mechernicher Dreifachturnhalle an alle Unternehmer. Im Rahmen der Fachkräftewoche sprach sie exklusiv zum Thema »Die Zukunft der Arbeitswelt 4.0«.

»Die Arbeitswelt ist im Wandel. Wenn wir uns nicht auf die Veränderungen einstellen, werden sie uns überrollen«, warnt Andrea Nahles,  Bundesministerin für Arbeit und Soziales, in ihrer Rede.
Waren es vor einigen Jahren noch die Krankheitstage der Mitarbeiter oder die Lohnhöhe, die den Firmenchefs sorgen bereiteten, so sind es heutzutage die Stellen, die nicht besetzt werden können. Und daran müsse man arbeiten: »Klare Hierarchien sind nicht mehr zeitgemäß und Zahlen allein nicht mehr ausschlaggebend für den Erfolg eines Betriebes. Gute, attraktive Arbeitsbedingungen müssen her«, so Nahles. Deshalb müsse man gemeinsam auf den Veränderungsprozess zugehen.

Vorbild

Eine Art, sich als Unternehmen für die Zukunft zu rüsten, ist die Teilnahme am INQA-Audit (Initiative Neue Qualität der Arbeit).  Es unterstützt Unternehmen, Betriebe und Verwaltungen jeglicher Größe dabei, ein besseres Arbeitsumfeld zu entwickeln. »Das ist ein begleiteter Prozess, bei dem das Unternehmen zunächst analysiert wird, Ziele geplant und letztendlich umgesetzt werden«, erläuterte Bernd Altgen, Vorstandsvorsitzender der VR-Bank Nordeifel eG. »Es kommt aber darauf an, dass sich nicht nur ein Unternehmen mit der Fragestellung, wie es in Zukunft die Nase vorn haben kann, auseinander setzt - sondern die ganze Region«, mahnte Andrea Nahles und freute sich gleichzeitig, Bernd Altgen eine Urkunde für die erfolgreiche Teilnahme am INQA-Audit überreichen zu können. Diesem Veränderungsprozess  entgegen steuern zu wollen, haben auch das Deutsche Rote Kreuz im Kreis Euskirchen und die Firma Papstar in Kall zugesagt.  

Digitalisierung

»Wir müssen vor der Zukunft keine Angst haben«, motivierte Nahles. Deutschland sei zwar nicht »Silicon Valley«, aber »Vater Staat« habe einen entscheidenden Vorteil: »Wir haben qualifizierte Mitarbeiter durch eine gute Erstausbildung. Das ist unser Trumpf«, so Nahles. Und kombiniere man diesen Vorteil mit  Freude an Veränderungen und Innovationen, könne Deutschland mit seiner starken Fertigung auch Entwicklungen umsetzen und Dienstleistungen anbieten.

Duale Ausbildung

Doch der Fachkräftemangel ist auch ein »hausgemachtes« Problem. »Der gesellschaftliche Drang, den höchstmöglichen Bildungsabschluss zu erlangen, nimmt dem Handwerk die Fachkräfte weg. Wir verlieren zu viele junge Leute zwischen Schule und Ausbildung«, sagte Hans Peter Wollseifer, Präsident des Zentralverbandes Deutsches Handwerk bei der anschließenden Podiumsdiskussion in der Dreifachturnhalle. Dabei sei laut Nahles »die duale Ausbildung das Erfolgsrezept«. Nur müsse dieses für Späteinsteiger mit Weiterbildungsprämien und -förderungen angereichert werden. Die Ministerin: »Ich würde auch gerne die Bundesagentur für Arbeit in eine Bundesagentur für Arbeit und Qualifizierung umwandeln sowie eine Jugendberufsagentur. Wir werden sie im Hinblick auf den Fachkräftemangel brauchen«.

Flüchtlinge

Neben den Schulabgängern seien auch Flüchtlinge Fachkräfte von morgen. »Die Flüchtlingskrise sollte als Chance gesehen werden«, so Nahles. Schließlich seien 50 Prozent von ihnen unter 25 Jahren, 70 Prozent unter 30 Jahren. Eine Möglichkeit: Praktikas in Verbindung mit einem Sprachkurs anbieten.  Bereits heute fehlen rund 600.000 Fachkräfte in Deutschland. »Um in der Arbeitswelt 4.0 bestehen zu können, müssen wir alle an einem Strang ziehen. Wir stehen vor der größten Aufgabe seit der Wiedervereinigung«, so der Präsident des Zentralverbandes Deutsches Handwerk, Hans Peter Wollseifer, abschließend.


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