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Handicap heißt nicht unfähig

Der Arbeitsmarkt ist so aufnahmefähig wie seit 20 Jahren nicht mehr. Diese Situation sollten Arbeitgeber nutzen und Menschen mit Behinderung die Chance auf einen Job geben.
Michael Haußmann, Jürgen Reckers und Rainer Imkamp (v. l.) am Arbeitsplatz von Beate Flaig. Foto: Breuer

Michael Haußmann, Jürgen Reckers und Rainer Imkamp (v. l.) am Arbeitsplatz von Beate Flaig. Foto: Breuer

Nur rund drei Prozent der Menschen mit Behinderung haben ihr Handicap von Geburt an. »Ich habe meine Sehbehinderung erst mit 42 Jahren während meiner Erziehungszeit bekommen, einer der ungünstigsten Zeitpunkte überhaupt«, erzählt Beate Flaig. Auf einem Auge ist sie vollständig erblindet, auf dem anderen Auge hat sie nur rund 15 Prozent Sehkraft. Aufgrund ihrer Behinderung ist die gelernte Sozialarbeiterin aber nicht weniger qualifiziert für einen Job.
Trotzdem ist jeder zweite Schwerbehinderte (Grad der Behinderung mindestens 50 Prozent) ohne Job sogar langzeitarbeitslos. Dabei haben viele von ihnen gute Voraussetzungen für eine Integration ins Berufsleben, denn: »Sie können vorweisen, was heute fast unerlässlich ist: eine Qualifikation. Über 60 Prozent besitzen eine gute schulische, betriebliche oder akademische Ausbildung«, erklärt Rainer Imkamp, Vorsitzender der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Brühl.

Technik macht Inklusion am Arbeitsplatz möglich

Beate Flaig hat deshalb  - wenn auch nach langer Suche - wieder einen Job gefunden, den sie ausüben kann. »Wir wollen natürlich mit gutem Beispiel vorangehen und haben sie als Arbeitsvermittlerin und Integrationsfachkraft für Menschen mit Schwerbehinderung und Menschen im Wiedereingliederungsverfahren eingestellt«, erzählt Jürgen Reckers, Bereichsleiter im Jobcenter EU-aktiv.
Für ihren Arbeitsplatz wurde eine Tastatur mit besonders großen Tasten angeschafft, eine spezielle Software, die eine übergroße Darstellung der Daten ermöglicht sowie ein Bildschirmlesegerät, das wie eine Lupe funktioniert - nur digital. Zudem steht ihr zwei bis drei Stunden in der Woche eine Assistenz zur Seite, die ihr Dokumente vorliest.
»Dank barrierefreier Bauten und modernster Technik können viele Menschen mit den unterschiedlichsten Handicaps einen Platz im Beruf finden«, ergänzt Rainer Imkamp. Vielmehr seien es die Barrieren in den Köpfen vieler Arbeitgeber, die Inklusion am Arbeitsplatz erschweren.

Vorurteile von Arbeitgebern

Michael Haußmann, Spezialist für Rehabilitanten und Schwerbehinderte beim Jobcenter Rhein-Erft räumt mit  Vorurteilen von Arbeitgebern auf:
  • Vorurteil 1: Schwerbehinderte sind unkündbar. »Auch wenn es zuvor ein Prüfverfahren gibt, so sind Schwerbehinderte bei Angabe von Gründen genau so kündbar wie andere Mitarbeiter«.
  • Vorurteil 2: Sie kosten zusätzliches Geld. »Eine spezielle technische Ausstattung wird zu 100 Prozent gefördert, ebenso wie eine Assistenz. Zudem gibt es Instrumente der Lohnförderung«.
  • Vorurteil 3: Schwerbehinderte leisten weniger. »Am richtigen Arbeitsplatz sind behinderte Menschen genauso leistungsfähig wie nicht-behinderte. Zudem kann nicht belegt werden, sie mehr Krankheitstage haben.


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