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Mario Zender

Geständnisse im Prozess gegen italienische Gastronomen aus Mayen

Seit Januar muss sich ein italienischer Familienclan vor dem Landgericht Koblenz verantworten. Jetzt endete überraschend der Prozess.
Alle sechs Angeklagten haben vor der Wirtschaftsstrafkammer Geständnisse abgelegt. Die Wirtschaftsstrafkammer verurteilte die Italiener wegen gewerbsmäßigem Bandenbetrug beziehungsweise wegen Beihilfe zu Haftstrafen.

Alle sechs Angeklagten haben vor der Wirtschaftsstrafkammer Geständnisse abgelegt. Die Wirtschaftsstrafkammer verurteilte die Italiener wegen gewerbsmäßigem Bandenbetrug beziehungsweise wegen Beihilfe zu Haftstrafen.

Bild: Zender

Mayen (zen). Als am 3. Mai vergangenen Jahres schwer bewaffnete Sondereinheiten der Polizei zahlreiche Objekte in Mayen, Koblenz, Bonn und Wuppertal durchsuchten (wir berichteten), hatten die Staatsanwaltschaft Koblenz und das Landeskriminalamt Rheinland-Pfalz den Verdacht, es mit schwerstkriminellen Mitgliedern der Mafia-Organisation `Ndrangheta zu tun zu haben. Der rheinland-pfälzische Innenminister Michael Ebling (SPD) sprach damals sogar von einem »wirkungsvollen Schlag gegen die Mafia.« Zehn Monate später ist von den Mafia-Vorwürfen zumindest gegen sechs inhaftierte Männer, die in Mayen und Umgebung Eisdielen betrieben, nichts übriggeblieben. Vielmehr stellte sich heraus, dass es sich bei den umtriebigen Gastronomen aus Italien offenbar »nur« um »gewöhnliche Kriminelle« handelt. Und weil sie allesamt plötzlich geständig waren, erhielten sie von der Wirtschaftskammer im Rahmen einer Absprache auch milde Haftstrafen. Verurteilt wurden fünf von ihnen wegen gewerbsmäßigen Bandenbetrugs in 26 Fällen, ein weiterer wegen Beihilfe zu den gewerbs- und bandenmäßigen Betrügereien. Für gewerbsmäßigen Bandenbetrug hat der Gesetzgeber eine Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren vorgesehen. Diesen schöpfte die 15. Strafkammer des Landgerichts gegen die Italiener bei weitem nicht aus. Die Männer wurden lediglich zu Haftstrafen zwischen zwei Jahren und einem Monat sowie zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Ein Beschuldigter, der nicht zu dem Familienclan gehört, wurde zu einer Bewährungsstrafe wegen Beihilfe verurteilt. Da die Männer bereits zehn Monate in Untersuchungshaft gesessen haben, wurden die bestehenden Haftbefehle noch am Tag des Urteils gegen Auflagen außer Vollzug gesetzt. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft wurde das Ermittlungsverfahren gegen die Angeklagten wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen kriminellen Vereinigung eingestellt. Der zu Beginn der Ermittlungen im Raum stehende Verdacht, dass die Inhaftierten Teil der mafiösen `Ndrangheta sein könnten, war nicht haltbar. Für die 15. Große Strafkammer als Wirtschaftsstrafkammer steht fest, dass fünf der Angeklagten aktiv ihre finanziellen Gewinne ihrer Eiscafés in der Corona-Zeit aufbessern wollten und deshalb beim Kurzarbeitergeld getrickst haben. So wurden Gelder beantragt für Mitarbeiter, die teils gar nicht gearbeitet haben konnten, weil sie sich während der Zeit im Ausland aufhielten. In anderen Fällen waren Familienmitglieder in Kurzarbeit, die jedoch tatsächlich gar nicht in den Betrieben aktiv mitgearbeitet haben. Insgesamt sei ein Schaden von 106.323,12 Euro entstanden. Abgehörte Telefonate Dass die Italiener einer erdrückenden Beweislast gegenüberstanden, lag auch an zahlreichen abgehörten Telefonaten durch das Landeskriminalamt. Dadurch erhielten die Ermittler einen umfassenden Einblick in die Strukturen des Familienclans und merkten schnell, wer die »Ansagen« bei diesem machte. Als die Gelder des betrügerisch erwirtschafteten Kurzarbeitergeldes des Arbeitsamtes auf das Konto des Familienclans überwiesen wurden, schnitt das LKA ein besonderes Telefongespräch mit. In dem Gespräch informierte ein Familienmitglied seinen Verwandten, dass das Geld für die Kurzarbeit eingegangen sei. Dieser antwortete daraufhin, so der Richter: »Dann können ja jetzt die Korken knallen.« Strafrechtlich erledigt ist für die Männer mit dem Urteil das Verfahren noch nicht. Nach Informationen des WochenSpiegel wird ein weiteres Verfahren gegen die Verurteilten und neun weitere Beschuldigte geführt. Dabei geht es um den Verdacht des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt. Außerdem werden in einem anderen abgetrennten Verfahren gegen die Verurteilten und fünf weitere Beschuldigte Ermittlungen wegen des Verdachts auf Steuerstraftaten geführt. Oberstaatsanwalt Thorsten Kahl: »Schließlich gibt es noch eine Vielzahl von Verfahren gegen Arbeitnehmer der heute Verurteilten wegen des Verdachts auf »Schwarzarbeit.«

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