Kai Brückner

Bürgermeister: "Energiewende ist Fluch und Segen zugleich"

Kreis Bad Kreuznach. Windkraft ist ein Gewinn für den Klimaschutz, produziert aber dort, wo die zum Teil über 250 Meter hohen Windräder stehen, auch Verluste. Ein Blick nach Lettweiler.

Eine Podiumsdiskussion zur Windkraft in der Nahe-Glan Region findet am Freitag, 18. März 2022, um 20 Uhr in der Hubertushalle in Münchwald statt.

Eine Podiumsdiskussion zur Windkraft in der Nahe-Glan Region findet am Freitag, 18. März 2022, um 20 Uhr in der Hubertushalle in Münchwald statt.

Bild: Privat

Knapp 200 Bewohner hat die kleine Gemeinde Lettweiler rund zehn Kilometer südöstlich von Bad Sobernheim in der Verbandsgemeinde Nahe-Glan. Steht Ortsbürgermeister Volker Wagner auf einem erhöhten Aussichtspunkt südlich der Ortslage, dann kann er fast genau so viele Windkrafträder zählen. Bei guter Sicht reicht der Blick von hieraus bis weit ins angrenzende Nordpfälzer Bergland und nach Rheinhessen, wo besonders viele Windräder stehen.

 

Einige der stromerzeugenden Kolosse stehen aber weitaus näher. Im Süden von Lettweiler erstreckt sich seit einigen Jahren ein Windparkareal. Entlang der Lettweiler Höhe ziehen sich die Windräder wie an einer Perlenschnur aufgereiht von West nach Ost südlich am Dorf vorbei. Im Südosten stehen im Windpark Rehborn auf einer Fläche von rund 280 Hektar 14 Windräder, sieben weitere reihen sich bei Callbach, Unkenbach und Obermoschel in Richtung Osten an. So viele Windräder in der Nähe, das lässt die Kasse der Ortsgemeinde doch bestimmt klingeln? "Schöne wäre es", sagt Ortsbürgermeister Wagner, der in eine leere Gemeindekasse blickt. Die Gemeinde erhält zwar eine Nutzungsgebühr für Durchleitungsrechte, die ist aber im Vergleich zu dem eigentlichen Erlös sehr gering. Fehlanzeige auch bei Steuereinnahmen oder einer (Bürger-)Beteiligung, denn die Windräder liegen zwar alle knapp an, aber nicht auf der Gemarkung Lettweiler. Und jetzt auch noch das: Die Pläne, im Gebiet der Verbandsgemeinde Nahe-Glan neun neu Windkraft-Vorrangflächen auszuweisen (der WochenSpiegel berichtete), lassen Ortsbürgermeister Wagner mit einer Mischung aus Verzweiflung und Ärger in die Zukunft blicken. Denn Lettweilers Windkraft-Geschichte könnte sich wiederholen, und zwar in nördlicher Richtung.

 

Ein bald von Windrädern umstelltes Dorf?

Nur ein paar Hundert Meter vom Ortskern entfernt Richtung Norden beginnt das Gemarkungsgebiet von Odernheim, und dort sollen laut aktueller Planung zwei neue Vorrangflächen für Windkraftanlagen ausgewiesen werden. "Wir haben jetzt bereits 280 Hektar Windparkfläche Richtung Rehborn vor der Nase liegen, und nun sollen noch 100 Hektar in Richtung Odernheim dazu kommen, und zwar wieder direkt an unserer Ortsgrenze", rechnet Wagner den Flächenverbrauch der Anlagen zusammen. Die Sicht von Lettweiler aus auf die geplanten neuen Odernheimer Windräder: Bestens! Denn ein Teil davon stände mitten im Wald und erhöht auf einem Bergrücken. Ja, die Gemeinde würde diesmal aufgrund einer Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) an den Einnahmen mit 0,2 Cent je erzeugter Kilowattstunde partizipieren. Und auch die Nachbargemeinde Odernheim zeigt sich solidarisch und hat signalisiert, Lettweiler an dem Projekt zu beteiligen. Doch der Preis dafür: Werden die Odernheimer Windkraftpläne und auch der ebenfalls in Planung befindliche Windpark Niedermoschel auf Flächen der Gemeinden Niedermoschel und Obermoschel realisiert, dann wäre Lettweiler ein komplett von Windrädern "umstelltes" Dorf. "Wir haben hier im Dorf keinen ordentlichen Breitbandanschluss. Wir haben hier keinen ordentlichen Mobilfunkempfang und ÖPNV-Anschluss. Es fehlt ein Gemeindearbeiter und die zu verrichtenden Arbeiten müssen größtenteils ehrenamtlich bewältigt werden. Aber was wir haben, ist beste Sicht auf dutzende Windräder", so Wagner"Der aktuell gültige Flächennutzungsplan Bad Sobernheim wird nicht zu ändern sein, die Räder auf Odernheimer Gebiet werden kommen - ob wir wollen oder nicht", mutmaßt Wagner. "Aber dann möchten wir wenigstens etwas vom Kuchen abhaben! Schließlich sind wir gehalten, Haushaltskonsolidierung zu betreiben und benötigen dazu jeden Euro." Ihm geht es wie vielen anderen Ortsbürgermeistern und Gemeinderäten in Zeiten leerer Kassen. Man steht im Zwiespalt: Auf der einen Seite locken Windkraft-Einnahmen für die Gemeinde. Auf der anderen Seite steht man den Bürgerinnen und Bürgern gegenüber in der Pflicht, die die Heimat und Natur lebenswert zu erhalten. "Die geplante Energiewende ist Fluch und Segen zugleich. Den Gemeindeführungen stehen schwierige Entscheidungen ins Haus", so der Ortsbürgermeister.

 

Autor: Kai Brückner

Podiumsdiskussion zur Windkraft

Die VHS Soonwald veranstaltet eine öffentliche Podiumsdiskussion zur Windkraft in der Nahe-Glan Region. Diese findet am Freitag, 18. März, um 20 Uhr in der Hubertushalle in Münchwald statt. Auf dem Podium diskutieren werden Landrätin Bettina Dickes, Naturschützer und Ökologe Dr. Michael Altmoos, Christopf Benze aus der Staatskanzlei Mainz, und Sabrina Meures von "Fridays for Future". Moderator ist Michael Herrmann-Langhans. Zur Podiumsdiskussion eingeladen sind zudem die Bürgermeister und der Verbandsbürgermeister. Nähere Information und Anmeldung bei der VHS Soonwald, Telefon 0 67 06 / 67 79.


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