"Ich musste oft ein Schwätzchen halten"
1988, im zarten Alter von 14 Jahren, startete der junge Mann in Mörsdorf - damals noch Kreis Cochem-Zell - seine Laufbahn als WochenSpiegel-Bote. Zwei Jahre lang, bis 1990, war er jeden Mittwoch verantwortlich dafür, dass alle 245 Haushalte in dem kleinen Örtchen ihr Wochenblatt im Briefkasten hatten.
Am Esstisch Beilagen einsortiert
»Bei Wind und Wetter galt es, die Zeitung zu verteilen«, erinnert sich Guido Brachtendorf, »Am Vorabend wurden die Zeitungen und die Beilagen zu Hause angeliefert und dann hieß es erstmal einsortieren« - sprich, den WochenSpiegel mit den Beilagen zu bestücken: »Mit tatkräftiger Unterstützung von meinen Eltern und meiner Oma Luzia war das aber schnell erledigt.« Dafür wurde jede Woche der große Esstisch freigeräumt. Anschließend zog der junge Mann mit seinem dunkelblauen Zeitungstrolley los. Das Schöne daran war: Je mehr Beilagen es gab, desto mehr Geld verdiente er damit. Das Austragen am Mittwochnachmittag, nach der Schule, habe ihm stets viel Freude gemacht, berichtet Brachtendorf, der das »Alte Stadttor« gemeinsam mit Gregor Aldag leitet.
"Ich musste mich hüten, den alten Geschichten nicht allzu lang zuzuhören"
Nur positive Erinnerungen verbindet der Unternehmer mit seiner Zeit als Austräger. Vor allem genossen habe er die zahlreichen Gespräche mit den älteren Bewohnern von Mörsdorf. »Ich musste mit vielen ein Schwätzchen halten«, schmunzelt er. Einige hätten gar darauf bestanden, dass die Zeitung nicht einfach in den Briefklasten gesteckt wird, sondern dass sie ins Haus gebracht wird - durch die damals meist noch unverschlossenen Haustüren. »Dann musste ich mich hüten, den alten und neuen Geschichten nicht zu lange zu lauschen, was mir oft schwerfiel, wenn aus der ‚guten alten Zeit‘ berichtet wurde - damit ich vor dem Abendessen wieder zu Hause war«, so Guido Brachtendorf. Meistens hatte er alle Haushalte innerhalb von drei Stunden mit der neuesten WochenSpiegel-Ausgabe versorgt.
"Altertümchen" vom Lohn gekauft
»Die Vergütung, die auf mein erstes eigenes Konto überwiesen wurde, war ein schönes Taschengeld und diente zur Finanzierung meines Hobbys: dem Sammeln von ‚Altertümchen‘, die ich oft auf Flohmärkten zusammen mit meinem Vater Aloys erstand. Oder auf den Sperrmüllterminen in Mörsdorf ergattern konnte.«
Von Kindesbeinen an habe er »alles, was alt war«, gesammelt. Münzen, Bücher, Spielwaren, und und und: Guido Brachtendorf häufte eine große Sammlung an. Einige Jahre besaß er im Elternhaus sogar ein kleines Privatmuseum mit dem Namen »Blemel und Gezza«, in dem er die alten Schätze ausstellte und Führungen anbot. Es wurde sogar eine eigene Museumszeitung herausgegeben. Der WochenSpiegel berichtete seinerzeit darüber.
Beamten-Laufbahn an den Nagel gehängt
Mit 16 begann Guido Brachtendorf eine Verwaltungs-Ausbildung bei der Kreisverwaltung Cochem-Zell und gab den Austräger-Job auf, da es zeitlich nicht mehr passte. Doch lange währte die Beamten-Laufbahn nicht. Mit 22 Jahren hing er den Verwaltungsjob 1996 an den Nagel. »Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, diesen für mich zu eintönigen Dienst bis zur Rente auszuüben.« Wie sollte es nun beruflich weitergehen? Die Eltern hatten früher eine kleine Pension, sodass ihm der Umgang mit Gästen nicht fremd war - und so entschied er sich zu einer Ausbildung als Hotelfachmann im Hotel »Hoegg« in Koblenz-Ehrenbreitstein.
2011 den Sprung ins kalte Wasser gewagt
Im Jahr 2011 schließlich war der Wunsch, sich in der Gastronomie selbständig zu machen, gereift. Guido Brachtendorf wagte den Sprung ins kalte Wasser und eröffnete mit seinem Freund Gregor Aldag im Juni 2011 den Landgasthof »Altes Stadttor« in Kastellaun neu.
»Wir wurden von Anfang an sehr freundlich in unserer neuen Heimat und unserem Geschäft aufgenommen. Heute führen wir den Betrieb mit 20 Mitarbeitern. Dieses Jahr feiern wir unser fünfjähriges Bestehen und freuen uns täglich auf unsere Gäste, zu denen sich zum Teil freundschaftliche Bande entwickelt haben«, schwärmt der Inhaber von seinem Leben als Gastronom und Hotelier.
»Auch wenn unser Job anstregend ist und unsere ganze Aufmerksamkeit verlangt - das postive Feedback unserer Kunden in Hotel und Restaurant geben uns immer wieder den nötigen Antrieb, auch eine 70-Stunden-Woche noch gut gelaunt zu meistern.«