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Pandemie & Potentiale: Welterbe-Kulturmanagerin zieht Bilanz

Seit einem Jahr ist Sarah Piller die erste Kulturmanagerin für die Welterbe-Region Oberes Mittelrheintal. Wir sprachen mit ihr über Kultur in Coronazeiten und ungenutzte Potentiale der Region.
Als Kulturmanagerin vernetzt Sarah Piller Kunst- und Kulturschaffende im Welterbetal. »Das Obere Mittelrheintal ist eine der beeindruckensten Regionen Deutschlands«, sagt sie. Foto: Andreas Bender

Als Kulturmanagerin vernetzt Sarah Piller Kunst- und Kulturschaffende im Welterbetal. »Das Obere Mittelrheintal ist eine der beeindruckensten Regionen Deutschlands«, sagt sie. Foto: Andreas Bender

Der Zweckverband Oberes Mittelrheintal hat im Oktober 2020 ein Kulturmanagement für die Welterbe-Region eingerichtet. Das Kulturministerium unterstützt die Stelle mit einer Förderung (»Zukunft durch Kultur«) von rund 130 000 Euro für zunächst drei Jahre. Was genau macht eigentlich eine Kulturmanagerin?
Als Kulturmanagerin vernetze ich Kunst- und Kulturschaffende aber auch Vereine, Kulturanbieter und Kulturbegeisterte. Beratung zu möglichen Kooperationen, Projektideen aber auch Fördermöglichkeiten ist ebenfalls eine zentrale Aufgabe. Aber auch die Planung von Veranstaltungen und Festivals wie dem Theaterfestival „An den Ufern der Poesie“ sowie zahlreiche mittlere und kleinere Projekte gehören zu meiner Arbeit. Und – ganz wichtig – die Entwicklung einer Strategie zur Stärkung der Kunst- und Kulturszenen hier am Mittelrhein. Diese wird in den kommenden Wochen zusammen mit den Akteuren im Welterbegebiet startet und verspricht spannende Ergebnisse!

Wie sieht der „typische“ Arbeitsalltag einer Kulturmanagerin aus?

Einen typischen Arbeitsablauf gibt es eigentlich nicht, weil das Aufgabenspektrum so groß ist, dass fast täglich neue Dinge dazu kommen. Mal telefoniere ich den halben Tag mit Kunst- und Kulturschaffenden und stehe auch mal als Kummernummer bereit. Mal grüble ich über Finanzkalkulationen, Anträgen und Abrechnungen. Mal moderiere ich Jugendgruppen, um mit ihnen zusammen ein Escape Room Spiel zu entwickeln oder ich führe Gespräche darüber, wie wir Künstler und Winzer für die Gestaltung von Weinetiketten zusammenbringen können. Und vieles mehr. Die größte Konstante ist da eigentlich die Bearbeitung von etlichen Emails, die mich täglich erreichen und die mir zeigen, dass die Menschen mich als Ansprechpartnerin finden und das Angebot zum Austausch nutzen. So soll es sein!

Als Sie die Stelle vor einem Jahr antraten, startete gerade die zweite Corona-Welle. Hat die Pandemie Ihre Arbeit im ersten Jahr beeinträchtigt?
Ja, selbstverständlich hat die Pandemie auch mir etliche Beine gestellt. Ich musste ja die Akteure einer riesigen Region kennenlernen, ohne sie treffen zu können. Eine Bindung aufbauen, ohne sich von Angesicht zu Angesicht gegenüber zu stehen. Aus dem Home Office heraus, das war nicht leicht. Ich habe daher so viel telefoniert wie in meinem ganzen Leben noch nicht. Bin von einer Videokonferenz zur nächsten gehechtet. Habe Personen recherchiert von denen ich annehmen konnte, dass der Kontakt wichtig ist. Eine wahre Detektivarbeit. Zum Glück haben meine Kolleginnen und Kollegen im Büro mich super unterstützt und viele Tipps gegeben. Und dann natürlich das pandemie-bedingte Problem keine Veranstaltungen vernünftig planen und letztlich durchführen zu können. So musste das Theaterfestival „An den Ufern der Poesie“ leider ins nächste Jahr verschoben werden. Aber trotz oder gerade wegen Corona ist eine ganze Menge passiert. Sowohl in meinem Arbeitsbereich als auch im gesamten Welterbe.

Was konnte im ersten Jahr realisiert werden?
Im ersten Jahr haben wir zusammen mit der Theater Willy Praml ein fulminantes Theaterfestival geplant, das nun leider erst in 2022 stattfinden kann. Da ist viel Zeit und Arbeit reingeflossen. Zum Glück konnten wir aber nach mehreren Verschiebungen endlich das Lichtkunstfestival rheinleuchten im September in Lahnstein und vielen weiteren Ortschaften im Welterbegebiet veranstalten. Das war mit Tausenden von Besuchern ein großer Erfolg. Auch ein für das Welterbegebiet vollkommen neues Klangkunstkonzert mit den beiden Künstlerinnen Nathalia Grotenhuis und Violetta Richard auf Burg Rheinfels in St. Goar ist am 1. Oktober endlich verwirklicht worden. Das war mir eine besondere Herzensangelegenheit, da das Konzert zuvor für Schülerinnen und Schüler in der Region exklusiv gezeigt werden konnte. Kulturelle Bildung ist gerade jetzt nach diesen zahlreichen Lockdowns so so wichtig. Ebenso konnten wir in diesem Jahr ein tolles Team aus Fachexpertinnen und Fachexperten aus Kunst und Kultur zu einem starken Kulturrat zusammenbringen. Der tüftelt in regelmäßigen Arbeitstreffen über Strategiefragen für die Region, bereitet einen Welterbe Kulturpreis vor, der im nächsten Jahr ausgelobt wird und trägt viele kreative Ideen zusammen. Ich darf als Sprecherin den Rat koordinieren.
Und on top sind mehrere künstlerische Projekte zur Rheinromantik angelaufen. So ist bspw. vom 10. bis zum 23. Oktober eine große Ausstellung von regionalen Künstlerinnen und Künstlern mit dem Titel „Rhein!Romantik? 2029“ im Foyer der Rheinfelshalle in St. Goar zu sehen. Am 16. Oktober kommen dann die Urban Sketchers auf den Spuren von Victor Hugo ebenfalls mit einer Pop-Up Ausstellung in die Rheinfelshalle. Beide Ausstellungen sind kostenfrei zu besuchen. Kommen Sie vorbei!

Welche Events sind für die nächsten Monate / für 2022 geplant?
In 2022 wird endlich das Theaterfestival „An den Ufern der Poesie“ stattfinden, darauf kann man sich ganz besonders freuen. Aktuell sind wir noch in der Planung für weitere Termine, Veranstaltungen und Projekte in 2022. Das wird auch insofern ein besonderes Jahr, weil wir dann 20 Jahre Jubiläum als UNESCO Welterbe Oberes Mittelrheintal feiern! Von Fachveranstaltungen, Familientagen über Kulturveranstaltungen wird da eine ganze Menge kommen. Was genau – das bleibt zunächst noch eine Überraschung.
Kulturarbeit ist aber nicht nur Veranstaltungsmanagement, sondern auch Projektarbeit. Wichtig ist es auch, Strategien für Kunst und Kultur in unserer Region zu entwickeln, die funktionieren, angenommen werden, Strahlkraft haben und nachhaltig wirken. Das ist eine große Herausforderung. Diese wird in 2022 zentral sein und viel Zeit und Arbeit benötigen. Aber ich freue mich auch schon riesig darauf. Im November/Dezember geht es los – zusammen mit Kunst- und Kulturschaffenden.

Welche kulturellen Potentiale schlummern noch im Welterbetal? Gibt es z.B. besondere Spielstätten, die nicht/zu wenig genutzt werden?
Das Obere Mittelrheintal ist eine der beeindruckensten Regionen Deutschlands. Sowohl was die Geschichte des Mittelrheins anbetrifft, als auch diese pompöse Landschaft. Ich glaube viele Einheimische vergessen manchmal, dass sich Gäste aus anderen Regionen und Ländern dieser Welt gar nicht satt genug sehen können, wenn sie hier sind. Auch die Rheinromantik, die hier ihren Ursprung und ihre Hauptkulisse hat, ist ein irrsinniger Fundus von beeindruckenden Werken in der Malerei, Literatur und Musik. Das alles ins Bewusstsein zu bringen, in Teilen auch mal etwas zu entstauben und zeitgemäß aufzubereiten hat enormes Potenzial. Aber auch die Sichtbarmachung von Künstlerinnen und Künstlern, die in den letzten Jahren hierhergezogen sind ist wichtig. Hier leben preisgekrönte KeramikkünstlerInnen, GlaskünstlerInnen, MalerInnen, KarikaturistInnen, MusikerInnen und vieles mehr. Das wissen Einheimische und Gäste gar nicht. Und genau das soll sich ändern.


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