kb

Regionale Unternehmer sehen TTIP überwiegend positiv

Nur wenige Debatten werden bundesweit aktuell so leidenschaftlich geführt wie die über das geplante transatlantische Freihandelsabkommen TTIP. Das ist in Anbetracht seiner Tragweite kaum überraschend: Sollte der Vertrag zwischen den USA und der Europäischen Union nach zweieinhalb Jahren Verhandlungsdauer zustande kommen, würde mit über 800 Millionen Einwohnern der größte Freihandelsraum der Welt entstehen. Was bedeutet - grob umrissen - TTIP für die heimische Wirtschaft?

Ziel ist es hierbei, sämtliche Handelshemmnisse wie etwa Einfuhrzölle und unterschiedliche Normen - etwa bei Testverfahren oder der Verpackung eines Produkts - zu beseitigen. Dadurch würden deutsche Produkte in den USA, aber auch US-amerikanische Waren hierzulande günstiger werden und die Unternehmen könnten durch wegfallende Handelsbarrieren ihre Umsätze deutlich steigern - so die Befürworter. Dass die Verhandlungen über das Freihandelsabkommen jedoch auch auf viel Gegenwind stoßen, verdeutlicht alleine die Großdemonstration in Berlin vergangenen Oktober mit 150 000 Teilnehmern, aber auch die unzähligen Petitionen auf allen Verwaltungsebenen.

Was sagen die regionalen Firmen?

Um herauszufinden, wie mittelständische Unternehmen aus der Region zu dieser heiß diskutierten Thematik stehen, hat der WochenSpiegel die Firmen Fritsch aus Idar-Oberstein, Hevert-Arzneimittel aus Nussbaum, die Simona AG aus Kirn, Objektivhersteller Schneider-Kreuznach und die Draht- und Metallwarenfabrik Philipp Schneider aus Bad Münster am Stein nach ihrer Haltung gefragt. Dabei wurde schnell deutlich, dass aus Unternehmersicht die potenziellen Vorteile von TTIP eindeutig überwiegen. So bedauert Wolfgang Moyses, Vorstandsvorsitzender von Simona, das in der öffentlichen Diskussion oftmals überwiegende „einseitige Bild” des Freihandelsabkommens und weist demgegenüber auf dessen Chancen hin: „Die Beseitigung von Handelsbarrieren ist dazu geeignet, die Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern und engere wirtschaftliche Beziehungen mit den USA aufzubauen.” Dies sei gerade für Simona als „international agierendes Unternehmen” von großer Bedeutung, da die USA „einer der weltweit wichtigsten Absatzmärkte für Kunststoffprodukte” sei. Auch Thomas Krauß, Geschäftsführer von Philipp Schneider & Co, sieht die Vorteile von TTIP klar im Wegfall von Handelshemmnissen und der Verringerung der Bürokratie, was in einem „freieren Austausch an Gütern und Dienstleistungen” resultieren werde. In Bezug auf die Handelshemmnisse begrüßt man bei Hevert-Arzneimittel neben dem Wegfall von Zöllen besonders die „gegenseitige Anerkennung von Qualitätsnormen und Zertifikaten”, da die unterschiedlichen nationalen Bestimmungen auf diesem Gebiet bisher für einen Großteil an bürokratischem Aufwand verantwortlich waren.

Wegfall der Zolltarife

Auch bei Schneider-Kreuznach sieht man TTIP überwiegend positiv und verweist auf bereits bestehende Freihandelsabkommen wie etwa das mit Südkorea, das sich seit seinem Abschluss im Jahre 2011 „trotz des verhältnismäßig kleinen Marktes” positiv auf die Umsatzzahlen des Unternehmens ausgewirkt habe. Geschäftsführer Robert Fritsch, dessen Laborgeräteunternehmen 85 Prozent seines Jahresumsatzes auf dem ausländischen Markt erwirtschaftet, schließt sich insbesondere in Hinblick auf den Wegfall der Zolltarife den Befürwortern von TTIP an. Er fügt jedoch hinzu, dass diese Vorteile für ein Unternehmen auf dem Nischenmarkt Laborgerätebau weniger spürbar seien als beispielsweise in der Autobranche, die bisher in wesentlich stärkerem Maße mit Belastungen zu kämpfen gehabt habe. So positiv das Freihandelsabkommen aus Sicht der Unternehmer auf den ersten Blick erscheint: Die Besorgnis ist innerhalb der Bevölkerung weit verbreitet und beziehen sich auf die möglichen Auswirkungen von TTIP auf das Privatleben jedes Einzelnen. So wird beispielsweise befürchtet, dass die Angleichung der Standards gerade im Umwelt- und Verbraucherschutz europäische Standards senken könnte. Diese Sorge kann Robert Fritsch als Privatmann durchaus nachvollziehen: „Es wird, entgegen der Behauptungen aller Politiker, Änderungen geben - ob das gut oder schlecht ist, muss jeder für sich selbst entscheiden.” Ähnlich, wenn auch weniger kritisch, steht Wolfgang Moyses der Diskussion gegenüber: „Diese Ängste muss man ernst nehmen. Aber ich stehe auf dem Standpunkt „Jeder hat die Wahl“ und es liegt in der Entscheidung jedes Einzelnen.”       

Knackpunkt der TTIP-Verhandlungen

Ähnlich, wenn auch weniger kritisch, steht Wolfgang Moyses der Diskussion gegenüber: „Diese Ängste muss man ernst nehmen. Aber ich stehe auf dem Standpunkt „Jeder hat die Wahl“ und es liegt in der Entscheidung jedes Einzelnen.” Fritsch weist darüber hinaus auf einen weiteren umstrittenen Punkt hin, und zwar auf das geplante Schiedsgerichtsverfahren. Demzufolge sollen Unternehmen aus den USA und der EU die Möglichkeit haben, gegen Länder zu klagen, die beispielsweise durch Subventionen an Unternehmen den Wettbewerb verzerren. Ein privates Schiedsgericht soll in solchen Fällen verbindliche Entscheidungen treffen können - mit allen damit verbundenen Folgen. Besonders kritisch sieht man zudem sowohl bei Fritsch als auch bei Schneider-Kreuznach die Gemeinhaltung, die rund um die Verhandlungen über TTIP herrscht: So dürfen die Abgeordneten des Deutschen Bundestages seit Anfang Februar in einem speziellen Leseraum für maximal zwei Stunden Einsicht in die Verhandlungsdokumente nehmen - allerdings dürfen sie im Anschluss daran mit niemandem über deren Inhalte reden. Diese Vorgehensweise ist laut Fritsch „völlig übertrieben” und trage „zu emotionalen Problemen in der Bevölkerung bei”. Dies führt unmittelbar zum Knackpunkt der TTIP-Verhandlungen: die spärliche Anzahl verlässlicher Informationen, die es zu den bisher erzielten Zwischenergebnissen gibt. Da diese der breiten Öffentlichkeit - wie bei Verhandlungen über Freihandelsabkommen üblich - bisher vorenthalten worden sind, lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt schwer abschätzen, welche Auswirkungen die Partnerschaft auf die deutsche Industrie und Bevölkerung tatsächlich haben wird. Es bleibt somit abzuwarten, ob TTIP seiner Rolle als Wachstumsschub-Motor gerecht werden oder die Befürchtungen seiner Kritiker bestätigen wird. Wie ist Ihre Meinung? Schreiben Sie uns an Red-BadKreuznach@sw-verlag.de. Text: Alexandra Bumcke  | Foto: Basil D. Soufi


Meistgelesen