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Viele junge Flüchtlinge, wenig Personal

Mit dem anhaltenden Flüchtlingsstrom kommen auch immer mehr unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (UMF) in Rheinland-Pfalz an. Das stellt die Kinder-, Jugend- und Familienhilfe der Stiftung Kreuznacher Diakonie (KJF) vor eine große Herausforderung, denn es mangelt bereits jetzt an pädagogischen Fachkräften.
Rudi Weber (Geschäftsführer der KJF der Stiftung Kreuznacher Diakonie), Sonja Orantek (pädagogische  Leiterin in der KJF) und Svetlana Tjurin-Beer (Erzieherin in der Clearinggruppe in Bad Kreuznach, v.l.n.r.) sind zuversichtlich, die Situation meistern zu können.   Foto: M. Bomba

Rudi Weber (Geschäftsführer der KJF der Stiftung Kreuznacher Diakonie), Sonja Orantek (pädagogische Leiterin in der KJF) und Svetlana Tjurin-Beer (Erzieherin in der Clearinggruppe in Bad Kreuznach, v.l.n.r.) sind zuversichtlich, die Situation meistern zu können. Foto: M. Bomba

Waren es im vergangenen Jahr noch 400 Kinder und Jugendliche, die ohne Begleitung in Rheinland-Pfalz ankamen, sollen bis Ende des Jahres insgesamt 1 200 ankommen. Prognosen für 2016 gehen sogar von 2 000 unbegleiteten Ausländern aus. Verschärft wird die Situation durch die neue Gesetzlage. Seit 1. November sieht eine Vereinbarung zwischen Bund und Ländern die konsequente Verteilung der Flüchtlinge nach Länderquoten vor. Rheinland-Pfalz übernimmt somit 4,8 Prozent aller in Deutschland eingereisten Flüchtlinge, das ist nahezu eine Verdoppelung der bisherigen Aufnahmezahlen. Allein eingereiste Kinder und Jugendliche werden gesondert betreut Die allein eingereisten Kinder und Jugendlichen unter ihnen müssen gesondert von den Erwachsenen während der acht- bis zwölfwöchigen Clearing-Phase professionell begleitet und integeriert werden. Und genau hier hakt es. Denn entsprechend ausgebildete Fachkräfte sind Mangelware.
»Die Kinder- und Jugendhilfe war auch so schon ausgelastet, und die aktuelle Situation bringt uns an unsere Grenzen«, drückt es Rudi Weber, Geschäftsführer der KJF, klar aus. Denn laut aktueller Fachkräfteverordnung darf nur entsprechend ausgebildetes Personal in den Einrichtungen der Diakonie arbeiten. Aber: »Der Markt ist quasi leergefegt, denn das Problem besteht nicht erst seit gestern. Wir haben schon 2009 erste Alarmzeichen gesehen. Der aktuelle Bedarf kann nicht gedeckt werden, zumal wir auch Konkurrenz von Kindergärten und anderen Einrichtungen haben«, berichtet Rudi Weber.
Die Kreuznacher Diakonie kann sofort 19 Stellen besetzen, mittelfristig noch weitere fünf. Denn aktuell entstehen zusätzliche Betreuungsangebote in den Kreisen Bad Kreuznach, Birkenfeld und Kusel, um dem wachsenden Bedarf gerecht zu werden. 
Schwierig gestaltet sich für die Diakonie zum Teil auch die Suche nach geeigneten Immobilien für die neuen Betreuungsangebote. Während in Rhaunen und Kirn entsprechende Räumlichkeiten bereits gefunden sind und die Gruppen voraussichtlich im Frühjahr eröffnen, ist man in Bad Kreuznach bislang noch nicht fündig geworden. Zehn bis elf Zimmer auf etwa 280 Quadratmetern müssten es schon sein, so Weber. Gruppen sind überbelegt
Zurzeit werden in insgesamt drei Gruppen für UMF - eine in Bad Kreuznach und zwei in Niederwörresbach - 50 minderjährige Flüchtlinge von der Diakonie betreut. Platz wäre eigentlich nur für 25. Eine Gruppe für reguläre Kinder und Jugendliche in der Niederwörresbacher Einrichtung musste bereits vorübergehend geschlossen werden, um sich besser auf die Begleitung junger unbegleiteter Ausländer konzentrieren zu können, erklärt die pädagogische  Leiterin, Sonja Orantek.
»Klar ist für uns: Kein Kind bleibt alleine in einer Erstaufnahmeeinrichtung und kein Kind wird auf der Straße sitzen müssen. Ganz hart ausgedrückt: In erster Linie besteht unsere Arbeit zurzeit  daraus, Obdachlosigkeit der Kinder und Jugendlichen zu verhindern«, umreißt Weber die aktuelle Situation.
Deshalb müsse man nun neue Ressourcen gewinnen und die Fachkräfteverordnung zumindest für die Arbeit mit UMF ein wenig öffnen. »Es ist für uns schwierig, innerlich anzunehmen, dass sich Standards ändern werden. Aber in der gegenwärtigen Situation geht es nicht anders«, gibt der KJF-Geschäftsführer zähneknirschend zu. Teilzeitausbildung und Gastfamilien sollen Situation entschärfen
Ein Lösungsansatz ist die von der Diakonie seit sechs Jahren angebotene Teilzeitausbildung zum Erzieher, die auch ältere Quereinsteiger absolvieren können. Auch müsse man nun unter den Flüchtlingen selbst nach entsprechend qualifizierten Menschen Ausschau halten. »Sie bringen den entsprechenden kulturellen Hintergrund mit, das ist sehr wichtig für unsere Arbeit«, weiß Sonja Orantek.
Ebenfalls für Entzerrung der Situation könnten Gastfamilien sorgen, die die jungen Flüchtlinge aufnehmen und ihnen entweder für kurze Zeit oder auch längerfristig ein familiäres Umfeld bieten. Von bisher 25, die sich beworben hatten, haben in den vergangenen Wochen 18 die Überprüfung bestanden. Weitere Familien werden noch gesucht, wer Interesse daran hat, meldet sich bei Sonja Orantek, Telefon 0 67 85 / 97 79 50, E-Mail sonja.orantek@kreuznacherdiakonie.de.


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