

von unseren Redakteuren Kai Brückner, Klaus Desinger, Andreas Bender und Robert Syska
Fast zwei Millionen Menschen in Deutschland sind mittlerweile auf die Tafeln angewiesen – und es werden immer mehr. Gleichzeitig brechen vielerorts die Lebensmittelspenden weg, Ehrenamtliche arbeiten am Limit, einige Tafeln mussten sogar Aufnahmestopps verhängen. Die Lage ist angespannt - auch in der Region:
»Auch bei uns sinkt die Zahl der Lebensmittelspenden spürbar«, berichtet Herbert Heimes, Vorsitzender der Tafel Rhein-Hunsrück. Der Verein wurde 2005 in Kastellaun gegründet und betreibt heute sechs Ausgabestellen im Kreisgebiet: in Simmern, Emmelshausen, Kirchberg, Boppard, St. Goar-Oberwesel und Kastellaun. Wöchentlich erhalten dort bis zu 1 000 Menschen Unterstützung – rund 35 Prozent davon sind Kinder. Insgesamt hat die Tafel knapp 4 000 registrierte Kundinnen und Kunden aus 858 Haushalten. Geöffnet sind die Ausgabestellen einmal pro Woche für rund drei Stunden. Lediglich die Ausgabestelle in Kirchberg öffnet derzeit noch zweimal wöchentlich.
Auf den ersten Blick widersprüchlich: Die Zahl derer, die tatsächlich zur Ausgabe kommen, ist rückläufig. Doch das liegt nicht daran, dass der Bedarf gesunken ist – leider ist das Gegenteil der Fall: Die Mangellage in den Tafeln hat sich schon herumgesprochen: »Viele bleiben weg, weil sie wissen, dass das Angebot knapp ist«, sagt Heimes. Der Grund: Der Handel wirft kaum noch unverkaufte Ware ab. »Durch KI-gestützte Bestellprozesse und sogenannte Rettertüten geht vieles direkt an die Kunden – das, was früher bei uns gelandet wäre, fehlt jetzt.« Die Folge: Weniger Ware, größerer organisatorischer Aufwand, mehr Enttäuschung – auch bei den ehrenamtlichen Helfern. Diese übernehmen nicht nur die Verteilung, sondern holen die Lebensmittel ab, sortieren sie, prüfen Bedürftigkeit und betreuen die Ausgabestellen. »Wir brauchen dringend Verstärkung – vor allem in Kirchberg und Kastellaun«, so Heimes. Gesucht werden Helferinnen und Helfer in der Ausgabe sowie Fahrer im Fahrdienst. Finanziert wird die Tafel über Spenden, Mitgliedsbeiträge und punktuelle Förderprogramme wie die Lidl-Pfandspende oder Unterstützungen des Landes. Doch Geld hilft nur bedingt, wenn die Lebensmittel fehlen. »Unsere Arbeit lebt vom Mitmachen«, betont Heimes. Der Verein hofft nun auf neue Unterstützer – ob mit Zeit, Geld oder Waren. Denn bei der Tafel-Idee geht es um mehr als den nachhaltigen Umgang mit Lebensmitteln. Es geht auch darum, den Kundinnen und Kunden Wertschätzung und die Möglichkeit zur gesellschaftlichen Teilhabe zu bieten.
Angespannt ist die Lage auch in Bad Kreuznach: »Auch bei uns sinkt die Zahl der Lebensmittelspenden«, so Daniela Essler, Leiterin des Tagesaufenthaltes und der Tafel in Bad Kreuznach. Die Tafel Bad Kreuznach gibt es seit 2008, sie ist ein von drei Angeboten des Trägervereins »Treffpunkt Reling«, der fast ausschließlich spendenfinanziert ist. Die Tafel hat eine Ausgabestelle in Bad Kreuznach, und zwar in der Baumgartenstraße 5. Das Team der ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer kümmert sich dort unter anderem an vier Wochentagen (Montag bis Donnerstag) um die Lebensmittelausgabe. Wöchentlich erhalten bis zu 900 Personen Unterstützung – rund ein Drittel davon sind Kinder unter 16 Jahre. »Mit jeder Krise kommen mehr Menschen«, nimmt Essler besondere gesellschaftliche Herausforderungen wie den Krieg in der Ukraine und die Energiekrise in den Blick. »Zeitweise hat unsere Tafel 1200 Personen mit Lebensmitteln versorgt – aber auf Dauer war das nicht leistbar. Einer der Gründe: Der Handel wirft weniger unverkaufte Ware ab. »Die Ware, die bei Lebensmittelmärkten, Discountern und Bäckereien von uns abgeholt werden kann, wird spürbar weniger«, so Essler. Ein Grund dafür sei die verbesserte Logistik der Märkte, die zu weniger unverkaufter Ware in den Läden führe. Weitere Gründe seien spezielle Lebensmittel-Angebote zu reduzierten Preisen wie die »Rettertüten« und nicht zuletzt ein verändertes Einkaufsverhalten der Verbraucherinnen und Verbraucher. Die Folge: Weniger Lebensmittelspenden für die Tafeln.
Die dort tätigen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer haben trotzdem alle Hände voll zu tun. Sie übernehmen nicht nur die Verteilung, sondern holen die Lebensmittel auch ab, sortieren sie und sind in der Küche aktiv. »Wir haben ein stabiles und verlässliches Team«, freut sich die Leiterin über die ehrenamtliche Unterstützung für die Einrichtung. Finanziert wird die Tafel durch Spenden, Mitgliedsbeiträge und punktuelle Förderprogramme wie die »Lidl-Pfandspende«. Doch Geld hilft nur bedingt, wenn die Lebensmittel fehlen. »Da der Treffpunkt Reling ein spendenfinanzierter Verein ist, müssen wir jeden Tag daran arbeiten, gesehen und unterstützt zu werden«, betont Daniela Essler. Und dabei geht die Einrichtung auch neue Wege, wie die Präsenz auf Instagram (www.instagram.com/treffpunktreling) belegt.
Die Idar-Obersteiner Tafel wurde 2005 eröffnet, erhält keine Förderung von Stadt oder Kreis, Sachkosten werden aus Spenden finanziert. Etwa 25 Ehrenamtliche sind hier tätig. »Augenblicklich werden pro Woche etwa 600 Menschen mit Lebensmitteln durch die Tafel Idar-Oberstein versorgt, die Anzahl der Kunden steigt seit Gründung kontinuierlich an«, berichtet Einrichtungsleiter Dieter Groh-Woike. Eine besonders hohe Nachfrage von bedürftigen gab es mit Beginn des Ukrainekrieges und der stark ansteigenden Inflation, die gerade bei Grundnahrungsmitteln viele Menschen an die Grenzen ihrer finanziellen Belastbarkeit gebracht haben. In der Spitze wurden 1.000 Personen pro Woche mit Lebensmitteln unterstützt. Ehrenamtliche Helfer holen Lebensmittel von Supermärkten, Bäckereien und anderen Spendern von Montag bis Freitag ab. Anschließend werden die Waren im Tafelraum sortiert und für die Ausgabe vorbereitet. Montag bis Donnerstag werden nachmittags die Lebensmittel ausgegeben und freitags bringen Ehrenamtliche Tafelkisten zu Menschen, die wegen Krankheit oder Gehbehinderung nicht selber zur Ausgabe in die Amtsstraße kommen können. »Neue ehrenamtliche Helfer sind stets willkommen«, sagt Groh-Woike«.
Die Menge der gespendeten Lebensmittel reiche augenblicklich nicht aus, um die Tafelkisten zu füllen. Etwas ausgeglichen werden kann dies aus Großspenden, die über den Landesverband der Tafeln organisiert werden. Die Tafel Idar-Oberstein erhält Geld- und Sachspenden von Menschen aus dem Landkreis, die den Betrieb der Einrichtung sichern. »Eine bleibende Herausforderung ist seit der Gründung, genügend Barspenden zu gewinnen, um die Ausgaben für die Räume, einschließlich Kühl- und Gefriermöglichkeiten, Energiekosten und die Aufwendungen für die beiden Tafel-Fahrzeuge zu decken. daneben ist der Kontakt zu den Supermärkten, Bäckereien, Metzgereien und anderer Lebensmittelspender wichtig, um genügend Waren für die Hilfsbedürftigen zu erhalten«, so Groh-Woike.