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Mit Video: "Sie sind auf diesem Wege mitten unter uns"

Mit zwei Stolpersteinen erinnert Pünderich seit Donnerstag an zwei ehemalige Gemeindemitglieder. Fritz Geisel, Metzger in Pünderich, verließ 1939 unter steigendem Druck der Nazis seine Heimat. Er musste seine Mutter zurücklassen, die im Vernichtungslager ums Leben kam.

Nachfahren der Familie Geisel hatten den weiter Weg aus den USA an die Mosel auf sich genommen, um bei diesem für sie so wichtigen Ereignis dabei zu sein. Pündericher nahm die Familie in Empfang, darunter auch einige Zeitzeugen, die Fritz Geisel noch kannten. Veronika Dahm erinnerte sich beispielsweise, ihr späterer Mann habe für die Metzgerei Waren ausgeliefert, was ihm zusehends angekreidet wurde, erinnert sich die 92-Jährige. "Da kommt er ja, der Judenknecht", habe man ihm nachgerufen. Trotz kleiner Sprachbarrieren kommen Zeitzeugen und Familie an diesem brütend heißen Nachmittag schnell ins Gespräch. Allem, was ihnen erzählt wird, lauschen die Angehörigen aufmerksam. Lynn Geisel, die Tochter von Fritz Geisel, wusste viele Jahre lang nicht, dass er nach Dachau deportiert wurde. Kein Wort darüber verlor er nach dem Krieg, den er nur durch Flucht aus seiner Heimat überlebte. "Erinnerung hat auch eine Zukunftsdimension", sagt Hans-Werner Junkanlässlich der Stolpersteinverlegung. Sie müsse zur Wachsamkeit mahnen. Und mit Blick auf die Stolpersteine äußerte er zufrieden: Die beiden Familienmitglieder seien "auf diese Weise wieder mitten unter uns". Fotos: Hommes Die Geschichte hinter den Pündericher Stolpersteinen: Helene (*1879) und Fritz Geisel (*1908, Stolpersteine in der Kirchstraße, Pünderich) Helene Geisel war die Frau des Pündericher Metzgers Leopold Geisel. Das Paar hatte vier Kinder – Else, Fritz, Käthe und Ernst. Die Metzgerei in der Kirchstraße geriet nach der Machtergreifung zunehmend in den Fokus der Nationalsozialisten. Als Leopold Geisel 1935 starb übernahm sein Sohn Fritz das Geschäft. Der damals 27-Jährige musste sich den Repressalien der Nazis beugen, die auch seine Kunden denunzierten. 1936 schlossen Nazis die Metzgerei. Im „Nationalblatt“ begründeten sie diesen Schritt damit, dass Fritz Geisel die Preise für Kuhfleisch überschritten habe. Doch für den jungen Metzger kam es noch schlimmer: Nach der Pogromnacht 1939 wurde er ins KZ Dachau deportiert. Ebenso wie seinen Schwestern gelang ihm später jedoch die Flucht in die USA. Über die Zeit im KZ sprach er Zeit seines Lebens nicht, seine Tochter bekam dies später nur durch Zufall heraus. Bruder Ernst starb 1938 nach kurzer, schwerer Krankheit. Mutter Helene blieb in Pünderich zurück. Im Juli 1939 zog sie nach Köln. Von dort wurde sie 1941 nach Lodz deportiert. Im Mai 1942 kam sie ins Vernichtungslager Kulmhof, wo sie vermutlich direkt nach ihrer Ankunft ermordet wurde. Video (von Peter Friesenhahn): https://youtu.be/Wp8s4_g6Nr4


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