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Chicas Vermächtnis: Eine Gruppe für trauernde Tierhalter

Für viele Menschen gehören Hund, Katze und Kaninchen mit zur Familie. Sie sind Freunde, Wegbegleiter und Seelentröster. Wenn das geliebte Tier stirbt, bleibt bei vielen Haltern eine schmerzliche Lücke zurück, die im Umfeld oft auf wenig Verständnis stößt. Damit sie in ihrer Trauer nicht allein sind, gibt es in Trier seit Kurzem eine Selbsthilfegruppe. Initiatorin Yvonne Witter möchte anderen Haltern damit Mut machen.

Den 10. April 2016 wird Yvonne Witter vermutlich nie vergessen. An diesem sonnigen Frühlingstag starb ihre geliebte Hündin Chica. Ein Verlust, unter dem die 42-Jährige auch ein Jahr später immer noch leidet. "Chica und ich hatten ein besonderes Verhältnis. Vor drei Jahren ist sie dem Tod schon einmal von der Schippe gesprungen. Sie hatte einen Darmverschluss und es sah gar nicht gut aus", erzählt Witter, die noch acht andere Hunde hat. Die Tierärzte hatten damals wenig Hoffnung für die Prager-Rattler-Hündin. Die bewies allerdings ausgesprochen viel Lebensmut und kämpfte sich zurück. "Chica war immer schon ein ‚Hansdampf in allen Gassen‘, aber nach dem Vorfall hat sie alles noch mehr genossen", sagt Witter mit einem Lächeln.

"Die Welt ist stehen geblieben"

An Chicas Todestag war sie mit ihren Hunden sowie einer Bekannten und deren Hund in Morbach spazieren. "Einer von meinen Hunden und der Hund meiner Bekannten haben sich ein Wettrennen geliefert. Chica wollte mitspielen und ist zwischen die beiden gelaufen." Eine fatale Entscheidung für die fünfjährige Hündin. Yvonne Witters anderer Hund konnte nicht mehr bremsen und rannte Chica um. Die Hündin starb. "Die Welt ist in diesem Moment stehen geblieben. Ich bin danach noch mit ihr in die Tierklinik gefahren, ich wollte es einfach nicht wahrhaben", erzählt die 42-Jährige. Den anderen Hund musste Yvonne Witter noch am selben Abend abgeben. "Ich weiß, dass es nicht seine Schuld ist. Aber ich konnte ihm nicht mehr in die Augen schauen." Sie fand für ihn eine neue Familie. "Ich hänge an all meinen Hunden, aber Chica war mein Seelenhund. Wir hatten eine besondere Verbundenheit, das ist schwer zu beschreiben."

Idee zur Selbsthilfegruppe

Der Tod ihrer Hündin nahm die 42-Jährige stark mit. Sie aß nichts mehr. "Ich habe eigentlich nur noch für meine anderen Hunde funktioniert", sagt sie. Sie suchte sich deshalb professionelle Hilfe.
Aufgrund ihrer Erfahrung und ihres eigenen Leidenswegs kam ihr Ende des vergangenen Jahres die Idee, eine Selbsthilfegruppe für Halter verstorbener Tiere zu gründen. "Es gibt in Trier viele Selbsthilfegruppen für Trauernde, die unter dem Verlust eines anderen Menschen leiden. Da kann man sich natürlich schlecht wegen seinem Hund reinsetzen", sagt Witter. "Ich dachte mir, dass es doch bestimmt noch andere geben muss, die um ihr Tier trauern. Und dass diese Leute auch das Bedürfnis haben, darüber zu reden und Unterstützung haben möchten, die sie vielleicht sonst nicht bekommen, weil es da niemanden gibt, der sie versteht." Yvonne Witter nahm deshalb Kontakt zu SEKIS, einer Informationsstelle für Selbsthilfegruppen in der Region Trier, auf. "Sie haben ihre Unterstützung direkt zugesagt", erzählt sie.

Einzige Gruppe in Rheinland-Pfalz

Die Selbsthilfegruppe von Yvonne Witter ist in Rheinland-Pfalz bislang die einzige ihrer Art und hat auch deutschlandweit ein Alleinstellungsmerkmal. Derzeit gibt es nur in Olpe (Nordrhein-Westfalen) eine zweite. Getroffen hat sich die Trierer Gruppe allerdings noch nicht. Es müssen sich erst genug Interessierte finden. Laut Yvonne Witter wären drei bis vier Leute für den Anfang gut. Kommen kann jeder – egal, ob Hunde-, Katzen- oder Hamsterhalter. Die 42-Jährige weiß aber auch, dass der Weg zur Selbsthilfegruppe oft mit einer großen Hemmschwelle verbunden ist – gerade bei einer Trauergruppe für Tiere. "Viele trauen sich vielleicht nicht, über ihre Gefühle zu sprechen, weil sie Angst haben, belächelt zu werden und Verwandte oder Freunde möglicherweise auch nur begrenzt Verstänis aufbringen können." Yvonne Witter hofft deshalb, dass andere Tierhalter merken, dass sie hier eine Anlaufstelle haben, die sie in ihrer Trauer ernst nimmt. "Es geht nicht darum, sich zu bemitleiden, sondern sich gegenseitig zu unterstützen und zu sehen, dass es auch wieder aufwärts geht."

Chicas Vermächtnis

Die Selbsthilfegruppe ist für Witter eine Herzensangelegenheit. "Ich möchte anderen Haltern Hoffnung geben." Genau deshalb möchte die 42-Jährige auch ehrenamtlich als Sterbe- und Trauerbegleitung tätig werden und Halter begleiten, deren Hund todkrank oder bereits gestorben ist. Derzeit ist sie dabei, ein Netzwerk aufzubauen. "Das alles ist quasi Chicas Vermächtnis. Sie hat mir diesen Weg gezeigt. Ich glaube, das würde ihr gefallen."

Kontakt

Wer Interesse oder weitere Fragen zur Selbsthilfegruppe "Wenn das geliebte Tier stirbt – gemeinsam statt einsam" hat, kann sich per E-Mail an Yvonne Witter (regenbogenbruecke.trier@gmx.de) oder an SEKIS (kontakt@sekis-trier.de, Telefon 0651/141180) wenden. Infos gibt es auch hier.


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