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Interrail-Ticket: Das sagen EU-Abgeordnete

Diesen Herbst führten EU-Abgeordnete lebhafte Debatten im Parlament. Nichts Neues angesichts von Fast-Grexit, Brexit und der Flüchtlingskrise. Doch es gibt vielleicht eine Möglichkeit, die Zersplitterung des europäischen Konstrukts aufzuhalten und der Jugend neuen Auftrieb zu geben – mit kostenfreien Interrail-Tickets für jeden EU-Bürger zum 18. Geburtstag. Der WochenSpiegel hat EU-Abgeordnete nach ihrer Meinung gefragt.

EU-Abgeordnete Birgit Collin-Langen

Ab wann genau soll das Interrail-Ticket eingeführt werden? Oder wann genau beginnt die Testphase? Im Moment arbeitet das Europäische Parlament an konkreten Plänen für ein kostenloses Interrail-Ticket. Wir möchten es in den Europäischen Haushalt für 2018 verankern, aber bereits 2017 mit einem Pilotprojekt beginnen. Hierzu sind wir mit der Kommission in Gesprächen. Wie würde eine Testphase aussehen?

Eine "kleine Testphase" hat die CDU/CSU-Gruppe im Europäischen Parlament am 2. Dezember gestartet. Wir haben den Wettbewerb „Werdet Interrail-Travel-Blogger“ ins Leben gerufen, mit dem man kostenlose Interrail-Tickets gewinnen kann. Mehr Informationen zum Wettbewerb gibt es hier. Wie viel Geld würde das Projekt jährlich kosten? Zu Beginn der Verhandlungen ist es noch zu früh, um konkrete Zahlen zu benennen. Für uns ist aber klar: Es darf nur einen Bruchteil des EU-Haushalts kosten. Selbstverständlich kostet es Geld, aber es ist eine wichtige und sinnvolle Investition in unsere Jugend. Das Interrail-Ticket steht neben der Jugendgarantie, womit in die Ausbildung Jugendlicher investiert wird. Mit beiden Initiativen investieren wir in die Zukunft Europas: In die Jugend! Was sind die Gründe für die Zaghaftigkeit des EU-Parlaments? Ich glaube Zaghaftigkeit ist hier nicht das richtige Wort. Die Idee wurde zum ersten Mal am 14. September 2016 von Manfred Weber, dem Vorsitzenden meiner christdemokratischen EVP-Fraktion, im Plenum aufgeworfen, und bereits einen Monat später wurde das Projekt in die Planungen zum mehrjährigen Finanzrahmen aufgenommen. In den kommenden Monaten werden viele handwerkliche Fragen zu klären sein. Wir wollen den jungen Erwachsenen ein unbürokratisches Angebot machen, an dem möglichst viele teilnehmen sollen. Beispielsweise sind fünf Mitgliedsstaaten nicht Teil der Interrail-Verbindung. Auch für diese Jugendlichen müssen wir eine Lösung finden. 
Was halten Sie von dem Projekt? In meinen Augen ist dies eine Chance den Jugendlichen Europa näher zu bringen. Für viele ist Europa nur ein abstrakter Begriff. Mit dem Interrail-Ticket kann ich Europa ganz anders erleben, als wenn ich über Europa nur etwas in den Medien erfahre. Wir wollen den Jugendlichen die Augen öffnen für die Dinge, die Europa eint. Und nicht immer nur die Abgrenzung zu anderen suchen. Wo sehen Sie Chancen und Grenzen? Ein Viertel der jungen Europäer hat keine Freunde in anderen europäischen Mitgliedstaaten. Es ist eine Chance, den Nachbarn als Freund zu erleben und Freunde in Europa zu finden. Durch Freundschaften wächst Verständnis. Das Verständnis füreinander ist wichtig, nur so kann die Europäische Union in Zukunft Bestand haben. Ich hoffe, dass es uns möglich ist, diese Idee bestmöglich umzusetzen und nicht an Grenzen in den Köpfen scheitern zu lassen. Im Europäischen Parlament formiert sich gerade am rechten Rand ein heftiger Widerstand gegen unsere Interrail-Idee.

EU-Abgeordneter Norbert Neuser

Ab wann genau soll das Interrail-Ticket eingeführt werden? Oder wann genau beginnt die Testphase? Derzeit liegen noch keine Details über das Vorhaben vor. Es wird wohl darüber nachgedacht, eine "Testphase" im kommenden Jahr durchzuführen. Wie würde diese Testphase aussehen? Auch hierzu liegen keine konkreten Informationen vor. Es gibt hierzu  lediglich Vorschläge von Abgeordneten verschiedener Fraktionen. Wie viel Geld würde das Projekt jährlich kosten? Wenn alle 18-jährigen EU-Bürger ein Interrail-Ticket erhalten, dann würden die Kosten jährlich 1,0 bis 1,5 Milliarden Euro betragen. Was sind die Gründe für die Zaghaftigkeit des EU-Parlaments? Die Zaghaftigkeit des EU-Parlaments ist meines Erachtens darin begründet, dass die Finanzierung des Vorhabens nicht ansatzweise geklärt ist. Außerdem sehen viele Abgeordnete einen größeren Sinn in einer Ausweitung der bestehenden Förderprogramme für Studenten und Auszubildende (Erasmus+). Was halten Sie von dem Projekt? Die Idee, dass jeder junge Europäer zu seinem 18. Geburtstag ein Interrail-Ticket erhalten solle, finde ich grundsätzlich gut. Gerade in dieser Zeit, wo wir noch mehr einen europäischen Zusammenhalt brauchen, wäre es durchaus sinnvoll, dass möglichst viele junge Menschen in die anderen Mitgliedstaaten reisen können um Erfahrungen zu sammeln. Ich selbst bin als Student quer durch Europa getrampt und habe mich so für die Vielfalt Europas begeistern können.  Wo sehen Sie Chancen und Grenzen? Das Reisen durch Europa ist eine Riesenchance für die jungen Europäer ihren Kontinent kennen zu lernen, Freundschaften zu schließen und Sprachen zu erlernen. Die hohen Kosten des Projekts sind natürlich ein Problem. Denn die Einführung des kostenlosen Interrail-Tickets würde mehr als die Hälfte des Jahresbudgets für ERASMUS+ in 2017 verbrauchen. Jeder Euro in Erasmus+ ist sinnvoll angelegtes Zukunftskapital, das bestätigt jeder Student und Auszubildende, der mit Erasmus+ Europa besser kennen gelernt hat.

EU-Abgeordneter Dr. Werner Langen

Ab wann genau soll das Interrail-Ticket eingeführt werden? Oder wann genau beginnt die Testphase? Wie würde diese Testphase aussehen? Wie viel Geld würde das Projekt jährlich kosten? Was sind die Gründe für die Zaghaftigkeit des EU-Parlaments? Momentan plant die Europäische Kommission ein Pilotprojekt für das Jahr 2017. Wann genau es beginnen soll, steht noch nicht fest. Es wird allerdings im Vergleich zur eigentlichen Idee, einem Interrailticket für alle 18-jährigen, einen eher geringen Umfang haben. Im EU-Haushalt wurden die Mittel für das Erasmus Plus Programm kurzfristig um 50 Millionen Euro erhöht. Davon könnte ein Teil für das Pilotprojekt ausgegeben werden. Die Kosten für eine vollständige Umsetzung lägen deutlich höher und werden im Moment auf 1 bis 1,5 Millionen Euro jährlich geschätzt. Jedes Jahr gibt es EU-weit ungefähr 5,5 Millionen 18-jährige (zum Vergleich: laut dem Spiegel nutzten diesen Sommer ca. 250.000 Personen Interrail). Ein Projekt dieser Größenordnung lässt sich allein haushaltsrechtlich nicht kurzfristig umsetzen. Auch sind andere Fragen noch offen. Beispielsweise, wie man überhaupt an die Daten der betroffenen Personen kommt oder, ob es Einschränkungen aus dem Wettbewerbsrecht gibt, da die EU die Bahn gegenüber anderen Verkehrsmitteln unfair bevorzugen würde. Insofern kann von einer Zaghaftigkeit des Europäischen Parlaments nicht die Rede sein. Der Vorschlag stammt vom EVP-Fraktionsvorsitzenden Manfred Weber und wird von einer Mehrheit des Hauses befürwortet. Auch weiterhin werden wir gemeinsam mit der Kommission und den Mitgliedstaaten energisch an der Umsetzung arbeiten.  Was halten Sie von dem Projekt? Wo sehen Sie Chancen und Grenzen? Ich begrüße diese Initiative ausdrücklich. Interrail ist ein gutes Mittel, die Jugend Europas einander näher zu bringen und den Kontinent so enger zusammenwachsen zu lassen. Einem komplett kostenlosen Interrailticket stehe ich allerdings skeptisch gegenüber. Dies würde einen erheblichen Missbrauch ermöglichen, da viele es einfach benutzen würden, um schnell und billig zu ihrem angestrebten Badestrand zu gelangen. Ich halte daher eine finanzielle Selbstbeteiligung der jungen Europäer für sinnvoll und angemessen. Dies würde auch die Belastung für den EU-Haushalt etwas verringern. Klar muss auch sein, dass die Probleme des aufkeimenden Nationalismus und der Skepsis gegenüber Europa nicht allein mit einer Bahnfahrkarte gelöst werden können. Die Maßnahme kann also nur eine von vielen Initiativen sein, um Europa den Bürgern wieder näher zu bringen. Zusätzlich möchte ich Sie noch auf ein aktuelles Projekt der CDU/CSU-Gruppe im Europäischen Parlament hinweisen. Im Rahmen eines Videowettbewerbs können 18- bis 20-jährige sechs Interrailtickets gewinnen. Der Wettbewerb läuft noch bis zum 25. Februar.


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