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Claudia Neumann

»Kollektivstrafe wie früher in der Schule«

Trier. »Berliner Kissen« bremsen auf dem Petrisberg punktuell den Verkehr. Die direkten Anwohner freut es – von anderen Seiten gibt es Kritik.

Im Wohngebiet »Auf dem Petrisberg« sind sie erstmals in Trier aufgetaucht: »Berliner Kissen«. Inzwischen sind fünf teils doppelte Exemplare der Plastik-Bodenschwellen zur Geschwindigkeitsreduktion in der Tempo-30-Zone verlegt. Und zwar direkt hintereinander im Bereich vor und nach der Kurve – und nicht etwa ein paar hundert Meter weiter vor dem Kindergarten. Warum das?

»Die ‚Berliner Kissen‘ wurden auf Anregung und in Abstimmung mit der Bürgerinitiative ‚Petrisberg 30‘ platziert«, teilt Ralph Kießling, Sprecher der Stadtverwaltung Trier, mit. Die Anschaffungskosten betrugen 15.000 Euro. Dazu kamen 1000 Euro, um die Kissen, die sich nach der Erstinstallation gelöst hatten, erneut zu befestigen. »Von den direkten Anliegern, die auch zumeist Mitglieder der Bürgerinitiative sind, wird der Effekt mehrheitlich positiv wahrgenommen«, berichtet Kießling.

»Mutwillig verlegte Gummipuffer«

Es habe aber vereinzelt auch Beschwerden wegen erhöhter Lärmbelastung gegeben. Kein Wunder: nach fünf Mal Abbremsen müssen Fahrzeuge hier fünf Mal beschleunigen. Denn für viele Autos ist ein Überfahren der Hindernisse mit der erlaubten Höchstgeschwindigkeit von 30km/h nicht möglich. »Der Lärm- und Abgaseintrag ist dadurch sogar größer geworden, auch weil sich manche Leute ihrem Unmut darüber Luft verschaffen, indem sie von einem Puffer zum nächsten stark beschleunigen und dann jäh wieder abbremsen«, ärgert sich Anwohner Wolfgang Jung.

"Niemand will diese Dinger"

»Niemand will diese Dinger, außer vielleicht ein paar privilegierte Mitarbeiter der städtischen Verwaltung, die wahrscheinlich rein zufällig direkt davor wohnen.« Von »mutwillig verlegten Gummipuffern« ist in seinem Leserbrief die Rede. »Wegen der wenigen, wahrscheinlich ortsfremden Vollidioten, die vereinzelt nachts mit Vollgas die Straße entlang fuhren, wird die ganze Bevölkerung in Sippenhaft genommen, anstatt den Tätern gezielt nachzustellen.«

Auch Anwohner Oliver Arenz sind die »Berliner Kissen« ein Dorn im Auge. Das hat er der Stadtverwaltung auch schon mehrfach mitgeteilt: »Diese Maßnahme der Geschwindigkeitsbegrenzung gleicht eher einer Kollektivstrafe, wie wir sie noch aus der Schule kennen«, meint auch er. »Eine Anhäufung, wie und wo sie jetzt montiert sind, ist aus meiner Sicht unlogisch. Man bekommt dadurch den Anschein, dass es der Initiative nur um ihren Eigennutz vor ihrer eigenen Haustür geht.« Denn gerast wird an vielen Stellen in Trier – auch an Fußgängerüberwegen, Bushaltestellen und Kindergärten, vor denen bisher keine »Berliner Kissen« verlegt sind.

Keine Alternativen erwogen

Arenz hat sich viele Gedanken über eine alternative Lösung des Problems gemacht. Seine Vision: die vorhandenen Parkflächen entlang der Straße entsiegeln und auf die gegenüberliegende Straßenseite verlegen. Diese Fahrbahnverengung würde den Verkehr an einer zu schnellen Fahrweise hindern. Am Anfang und Ende der Parkflächen könnten Pflanzquartiere Platz finden – so würde der Verkehr auch gezwungen, das Tempo zu reduzieren, wenn die Plätze nicht belegt sind.

Seinen Vorschlag hat Arenz mehrmals an die Stadtverwaltung geschickt – aber nie eine Antwort erhalten. Es wurden tatsächlich keine Alternativen zur Geschwindigkeitsbegrenzung per Kissen erwogen, bestätigt Ralph Kießling.

Die Verlegung sei doch als Pilotprojekt erfolgt – die Testergebnisse aber nie öffentlich vorgestellt worden, wundert sich Arenz über die Intransparenz des ganzen Vorgangs. »Ich habe meinen Vorschlag mehreren Anwohnern hier auf dem Petrisberg bereits gezeigt und dieser wird von so gut wie allen als die bessere Alternative zu den Berliner Kissen gesehen.« Die Evaluation des Pilotprojekts sei im April 2023 im Dezernatsausschuss IV vorgestellt worden, heißt es aus dem Rathaus schlicht. Sie habe ergeben, dass die Kissen einen Beitrag zur punktuellen Geschwindigkeitsreduzierung und damit zur Verkehrssicherheit leisten könnten.

An anderen Stellen gut bewährt

An der Kreuzung Feldstraße/ Krahnenstraße und in der Engelstraße bremsen inzwischen zwei weitere »Berliner Kissen« erfolgreich den Verkehr. Hier liegen sie sehr sinnvoll. Denn für Fußgänger hat sich die Situation nach Einschätzung des Amts StadtRaum Trier deutlich verbessert.

Auch aus anderen Stadtteilen laufen Anfragen. Weitere Schwellen sollen zum Beispiel vor Kindertagessstätten folgen – wenn die technischen Voraussetzungen und die finanzielle Machbarkeit im Budget der Straßenunterhaltung dies denn zulassen.

Die reichlich verlegten Schwellen auf der oft passantenfreien Straße »Auf dem Petrisberg« bleiben dagegen wohl trotz Kritik dauerhaft an dieser Stelle erhalten.


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