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"Er war ein Europäer": Festakt zu 200 Jahren Karl Marx

Rund 1.500 geladene Gäste sowie ein beachtliches internationales Pressekorps waren am Freitagnachmittag in der Konstantin-Basilika zugegen, als Prominenz aus Politik, Wissenschaft und Kirche den Festakt zum 200. Geburtstag des in Trier geborenen Philosophen Karl Marx begingen.

"Das hätte sich Karl Marx wohl nicht träumen lassen: Wo vor 1.700 Jahren noch der weströmische Kaiser Konstantin residierte, feiert Staat und Kirche nun gemeinsam einen Festakt zu Ehren des wohl berühmtesten Sohnes der Stadt Trier. Gleich in vier Museen – ein Novum – wird dem Leben und Werk des Philosophen nachgespürt. Die Causa Marx ist dabei nicht unumstritten, wie fast alle Festredner nicht müde werden zu betonen. Er müsse in seiner Zeit gedacht und verstanden werden, so der Tenor. Im Hinblick auf die Opfer sei auch ein kritischer Blick auf das Werk Marx‘ zu werfen, fordert die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer. Zusammen mit Friedrich Engels habe er durch seine revolutionären Schriften tatsächlich die Welt verändert, so Dreyer weiter, die in Begleitung ihres Ehemannes und ehemaligen Trierer Oberbürgermeisters Klaus Jensen erschien. Im Umstand, dass sich Marx in Paris, Brüssel und schließlich in London aufhielt, erkennt Dreyer zudem die europäische Dimension des Autors. Was Marx zu sozialen Gerechtigkeit innerhalb der EU gedacht hätte? „Ohne Zeitmaschine wissen wir nicht, wie er die die EU-Sozialpolitik bewertet hätte“, lautet die Antwort der Ministerpräsidentin. Auf jeden Fall sei er Europäer gewesen.

Ohne Trier kein Marx

Das war das Stichwort für Jean-Claude Juncker, seines Zeichens EU-Kommisionspräsident und Ehrenbürger der Stadt Trier, der, obwohl geplagt von einem Hexenschuss, nicht daran vorbeigekommen war, etwas – wie er selbst zugibt - zu Marx sagen zu müssen. „Für Karl Marx ist Trier ein behütender, inspirierender aber auch stimulierender Ort gewesen“, sagte er. Und: Ohne Trier hätte es keinen Marx gegeben. Hier habe er sich zunächst mit Hegel beschäftigt, sei mit Napoleons fortschrittlichen Code Civil in Berührung gekommen, der in der Stadt weiterhin galt, als die Franzosen längst abgezogen waren, und hier habe er seinen Sinn für das Politische entwickelt. „Dass irgendjemand Marx‘ Worte als Waffe gegen andere Menschen eingesetzt hat, das ist ihm nicht anzulasten“, konstatiert Juncker. Kritik übt er indes an der Radikalität, die in seinen Schriften zum Ausdruck kommt. Insbesondere im Hinblick auf die Frage des Verhältnisses zwischen Arbeit und Kapital sei die Antwort auf die Marx’schen Theorien die Ideen eines Oswald von Nell-Breuning, der eher auf ein Miteinander von Arbeit und Kapital setzte und die Bürger dazu ermunterte, sich für arme Menschen einzusetzen. Hier finden sich Anknüpfungspunkte für die Caritas, der kirchlichen Fürsorge. Bischof Stephan Ackermann warnte indes vor einer allzu überzogenen Betrachtung: „Eine Art Heilsverehrung ist fehl am Platz.“ Jedoch, so Ackermann weiter, habe die Kirche Vieles von Marx‘ Soziallehre aufgegriffen.

Hatte Marx ein Problem mit Frauen?

Einen weiteren Aspekt des streitbaren Philosophen sollte Katharina Barley erörtern. Wohl nicht aus Zufall oblag es ihr als Bundesjustizministerin die Frage zu beantworten, ob Marx ein Problem mit den Frauen gehabt habe. Sie attestierte ihm einen „sperrigen Charakter“, dem es dennoch gelang, die damals in der Trierer Gesellschaft begehrte Jenny von Westphalen zu ehelichen. Sie habe wohl „viel zu seinem Erfolg beigetragen“, stellte Barley fest. Und dennoch: Das Verhältnis Marx‘ zu Frauen sei ihrer Ansicht nach eher ein schillerndes gewesen.

Keine Buchstabenfriedhöfe

Nach den großen Ausstellungen zu Konstantin und Nero bietet die Karl-Marx-Ausstellung schließlich noch ein Novum: Neben dem Stadtmuseum Simeonstift, dem Rheinischen Landesmuseum sowie dem Museum am Dom ist dieses Mal auch die Friedrich-Ebert-Stiftung als vierter Ausstellungsort mit an Bord. Vorsitzender der SPD-nahen Stiftung ist der ehemalige rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck, der in den kapitalistisch geprägten Gesellschaften reformatorische Antworten auf die Frage des Kapitals ausgemacht haben will. „Das stetige Suchen spürt man in vielen Ländern“, so Beck. Und er befindet: „Die Ausstellung ist großartig geworden. Man hat sich Marx genähert, ohne auf Buchstabenfriedhöfe zu treffen.“ Die Karl Marx 2018 Ausstellungsgesellschaft (KAMAG)  zeichnet sich hierfür verantwortlich. Für die wissenschaftliche Leiterin der KAMAG, Prof. Dr. Beatrix Bouvier, sei Karl Marx nun „ein Stück plastischer“ geworden. Kein Wunder, denn der textlastige Philosoph erscheint in der Ausstellung in angenehmer Begleitung zeitgenössischer Kunst, die die Lebensumstände im 19. Jahrhundert greifbarer macht. Und wie jede Generation sich neu mit den Theorien Karl Marx‘ auseinandersetzt, so geschieht das 2018 in Trier eben durch die Ausstellung. Hat dem Theoretiker die Gedenkpause gut getan? Darauf muss jeder in der Nach-Wende-Ära eine Antwort für sich selbst finden. Fotos: Funkbild/Tittel


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