Erinnerung an eine Epidemie in der Eifel
Im Jahr 1962, als das nukleare Wettrüsten seinen Höhepunkt erreicht, als in Algier und Paris Bomben explodieren, bricht im Wirtschaftswunder-Deutschland der junge Mediziner Nikolaos Spyridakis in die Eifel auf. Im Kreis Monschau sind die Pocken ausgebrochen, hochansteckend und lebensgefährlich. Mitten im Karneval droht nun Stillstand, Quarantäne. Der Rither-Chef will die Spezialöfen-Fabrik um jeden Preis offenhalten, keine 20 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs ist man weltweit gut im Geschäft. Ganz andere Pläne hegt Vera Rither: Die Alleinerbin studiert in Paris, bewundert den Beauvoir und kehrt mit Jazzplatten und einer Schreibmaschine zurück nach Monschau. Dort begegnet sie Nikolaos, der als Betriebsarzt durch die tief verschneite Eifel zur Patientenvisite gefahren wird, vor Ansteckung geschützt durch einen Stahlarbeiteranzug. So unterschiedlich die beiden auch sind - der kretische Arzt, der als Kind die Gräuel der deutschen Besatzung miterlebt hat, und die schwerreiche Vollwaise -, furchtlos ergreifen sie die Chance, die die Epidemie ihnen bietet. Inmitten der tödlichenBedrohung scheint ihr Leben voller Möglichkeiten. Doch die Krankheitsfälle häufen sich, und das Virus nimmt, was es kriegen kann.
Steffen Kopetzky erzählt von einer Liebe im Ausnahmezustand und verwandelt ein Kapitel deutscher Geschichte in packende Literatur - aktueller denn je...
Wie konnten die Pocken nach Monschau kommen?
Steffen Kopetzky: In der wahren Geschichte, die mich zu diesem Roman inspiriert hat, war es ein Monteur der Firma Junker aus Lammersdorf, der die Pocken aus Indien mitbrachte. Er selbst war geimpft, weshalb die Infektion bei ihm glimpflich verlief, anders als bei seiner kleinen Tochter, die schwer erkrankte. Unglückliche Umstände und Fehler der Ärzte führten dazu, dass das Pocken-Virus sich über den ganzen Landkreis ausbreiten konnte. Die Lufthansa hatte das Virus binnen ein paar Stunden aus Südasien nach Deutschland gebracht – und es dauerte dann zehn Wochen voll größter Anstrengungen, um es wieder einzudämmen.
Die Menschheit hat es geschafft, die Pocken durch gemeinsames Handeln auszurotten. Mithilfe der milderen, für Menschen weniger gefährlichen Kuhpocken wurde eine Impfung entwickelt. Um 1980 wurden die Pocken vollständig ausgerottet, koordiniert durch die WHO. Jeder, der vor dieser Zeit auf die Welt kam, trägt noch eine Spur dieser gewaltigen, historisch einmaligen Anstrengung: die Impfnarbe auf dem Oberarm.
Einen der Helden des Romans gab es wirklich. Wie viel ist Wahrheit, und was ist Fiktion?
Steffen Kopetzky: Die Pockenepidemie im Monschauer Land war der letzte große Ausbruch in Deutschland. Und sie wurde zum Medienereignis, wochenlang hat man bundesweit darüber berichtet. Ich habe mich im Roman genau an den zeitlichen und örtlichen Rahmen der Epidemie gehalten; ihre Ursache, ihr Verlauf und ihr Ende entsprechen den Tatsachen. Die Rolle, die der bedeutende Düsseldorfer Dermatologe Günter Stüttgen dabei gespielt hat, ist historisch; und es gab tatsächlich einen jungen griechischen Arzt, der in Deutschland studierte und eine Funktion wie Nikos im Roman hatte. Aber bis auf Stüttgen sind alle anderen Namen und Figuren fiktional, und viele Ereignisse habe ich neu zusammengesetzt. Ich habe mich von der historischen Wahrheit inspirieren lassen, um eine Liebes- und Abenteurergeschichte daraus zu machen, die sehr viel über diese Zeit und die Menschen erzählt.
Bestseller-Autor - auch Hörbuch
Steffen Kopetzky, geboren 1971, ist Autor von Romanen, Erzählungen, Hörspielen und Theaterstücken.Sein Roman «Risiko» (2015) stand monatelang auf der «Spiegel»-Bestsellerliste und war für den Deutschen Buchpreis nominiert, der «Spiegel»-Bestseller «Propaganda» (2019) für den Bayerischen Buchpreis. Steffen Kopetzky - Monschau (Roman, 349 Seiten), 22,00 Euro, ISBN: 978-3-7371-0112-7
Das Hörbuch erscheint im Argon Verlag, gelesen von Johann von Bülow.