

Der Kern dieser Reform besteht darin, dass sogenannte Filialapotheken künftig auch ohne approbierten Apotheker vor Ort betrieben werden dürfen. Stattdessen soll eine pharmazeutisch-technische Assistenzkraft (PTA) die Leitung und die tägliche Arbeit übernehmen können, während die fachliche Verantwortung weiterhin bei einem Apotheker liegt, der nicht vor Ort sein muss. Diese Reform mag auf den ersten Blick eine pragmatische Antwort auf den Fachkräftemangel sein, doch sie stößt auf massive Kritik.
»Apotheker haben ein abgeschlossenes Pharmazie-Sudium. Das macht ihn zum Fachmann für alle Fragen rund um die pharmazeutische Versorgung. Alle anderen Berufsbilder, die in der Apotheke vorkommen, können dies in dem Maße nicht leisten und natürlich würde sich die Qualität der pharmazeutischen Versorgung in Apotheken ohne Apotheker verschlechtern,« weiß Apotheker Peter Kaulard von der Marien-Apotheke in Imgenbroich.
Denn bei Apotheken ohne Apotheker würde es für Kranke, Pflegende und Familien mit kranken Kindern zur reinen Glückssache werden, ob sie in einer Apotheke eine Apothekerin oder einen Apotheker antreffen. Das Gesetz habe sowohl für chronisch Kranke als auch für Bürger bei akuten Erkrankungen mit einem Sofortbedarf an Medikation extrem negative und nicht akzeptable Auswirkungen. »Wichtige Versorgungen würden in diesen Behelfsapotheken gar nicht mehr oder nur noch an einem Tag in der Woche stattfinden können. Wo Apotheke draufsteht, muss auch eine Apothekerin bzw. ein Apotheker drin sein«, betont Martin Katzenbach, Pressesprecher der Apotheker in der StädteRegion Aachen. Darauf hätten Patienten und Kunden ein Anrecht. Apotheker Peter Kaulard ist zudem der Meinung, dass in diesem Zusammenhang völlig vergessen werde, wie wichtig das direkte Gespräch zwischen Apotheker und Patient sein kann, das durch digitale Kommunikationsmodelle nur notdürftig ersetzt werden könne. Insofern sei es notwendig, die vorhandenen Strukturen zu stabilisieren, anstatt Versorgung und Leistung abzubauen. Apothekerin Cornelia Hamann von der Hubertus-Apotheke in Roetgen blickt ebenfalls kopfschüttelnd auf den Reformentwurf: »Nur in Anwesenheit eines Apothekers, dürfen starke Schmerzmedikamente ausgehändigt und Rezepturen angefertigt werden. Was ist, wenn eine Mutter für ihr Kind mit Neurodermitis eine angerührte Salbe dringend benötigt?« Auch angesichts bestehender Lieferengpässe bei Arzneimitteln und einer immer älter werdenden Bevölkerung brauche man eine noch stabilere Versorgung. »Es kommt schließlich auch niemand auf die Idee, eine Arztpraxis von medizinischen Fachangestellten führen zu lassen – oder eine Grundschule ohne Lehrer zu öffnen«, verdeutlicht Hamann.
Tritt die Reform in Kraft und die Apotheken werden weiter geschwächt, vermutet Cornelia Hamann einen Zusammenbruch des Systems. »Um Apotheken zu stärken, muss nach über einem Jahrzehnt des Honorarstillstands die Vergütung der Apotheken deutlich angehoben werden«, weist auch der Pressesprecher der Apotheker darauf hin. Die Unterfinanzierung führe zu wirtschaftlich instabilen Apotheken, da es in den letzten Jahren erhebliche Kostensteigerungen gegeben habe. Dem pflichtet auch Hamann bei: »Nur mit einer erhöhten Honorierung lassen sich weitere Schließungen vermeiden.«
Befürworter der Reform argumentieren, dass PTAs gut ausgebildet sind und die Aufgaben in einer Apotheke in vielen Bereichen bereits eigenständig übernehmen können.
Ob die Reform umgesetzt wird, bleibt abzuwarten. Die Diskussion um die Balance zwischen wirtschaftlicher Effizienz und der qualitativ hochwertigen medizinischen Versorgung wird dabei wohl im Vordergrund stehen.
Die Apothekenreform von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach zielt darauf ab, dem zunehmenden Mangel an Apothekern und der Überalterung der Apothekerschaft entgegenzuwirken. Insbesondere in ländlichen Gebieten fällt es vielen Apotheken schwer, einen Apotheker für die Leitung zu finden, was in der Folge zur Schließung vieler Apotheken führt. Lauterbachs Vorschlag soll die Versorgungssicherheit in diesen Regionen verbessern und den Betrieb von Apotheken wirtschaftlich attraktiver gestalten.