Thomas Förster

Handwerk braucht mehr als ein Strohfeuer

Städteregion Aachen. Das Handwerk verteilt keine Vorschusslorbeeren und setzt doch große Hoffnung darauf, dass eine stabile Regierung in Berlin für Aufschwung sorgen wird.

Corona und Flutkatastrophe sind glücklicherweise vorbei - doch damit auch die große Zahl an Aufträgen aus der Privatwirtschaft, was dem Handwerk zu schaffen macht.

Corona und Flutkatastrophe sind glücklicherweise vorbei - doch damit auch die große Zahl an Aufträgen aus der Privatwirtschaft, was dem Handwerk zu schaffen macht.

Bild: HWK Aachen

Region (Fö). »Die von der Bundesregierung angekündigten Sonderabschreibungen müssen zügig umgesetzt, das 500-Milliarden-Euro-Infrastrukturpaket noch vor der Sommerpause mit konkreten Maßnahmen gefüllt und die Entbürokratisierung im Laufe dieses Jahres spürbar vorangebracht werden. Andernfalls droht nach der Industrie auch das gesamtgesellschaftlich und wirtschaftlich unverzichtbare Handwerk in eine ernstzunehmende Krise zu geraten.« Mit diesen Worten hat Georg Stoffels, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Aachen, bei der Vorstellung des Frühjahrskonjunkturgutachtens klare Forderungen an die Politik gerichtet.

Viele der rund 17.500 Handwerksbetriebe in der StädteRegion Aachen sowie den Kreisen Düren, Euskirchen und Heinsberg blicken auf ein schwieriges Winterhalbjahr zurück. Laut aktueller HWK-Umfrage berichten 43 Prozent der Betriebe von sinkenden Auftragszahlen, 44 Prozent von rückläufigen Umsätzen. Zudem haben 36 Prozent ihre Investitionen reduziert. »Das ist insbesondere eine Folge der anhaltenden Flaute am Bau. In Deutschland fehlen rund 550.000 Wohnungen – eine Besserung ist derzeit nicht absehbar«, so Stoffels. Während bislang vor allem die Hochbaugewerke wie Maurer und Betonbauer unter der Zurückhaltung beim Wohnungsneubau litten, trifft die Stagnation inzwischen zunehmend auch die Ausbaugewerke. »Jede nicht gebaute Wohnung braucht auch keine neue Heizung, kein neues Bad, keine Dämmung und keine moderne Elektroinstallation«, beschreibt Stoffels die sogenannten Zweitrundeneffekte. Dementsprechend befürchten 22 Prozent der Unternehmen einen Personalabbau, nur jeder zehnte Betrieb plant Neueinstellungen.

Die marode Infrastruktur und das Ziel vieler Eigenheimbesitzer eigenen Strom zu nutzen, lassen Straßenbauer und Dachdecker als Gewinner aus der aktuellen Lage hervorgehen. Die Auslastung ist aufgrund der Energiewende gerade bei diesen, aber auch bei Elektrikern und Installateuren ungebrochen hoch. »In den Infrastrukturberufen suchen nahezu alle Unternehmen händeringend Hilfs- und Fachkräfte, um die laufenden und künftigen Aufträge stemmen zu können«, erklärt Stoffels. Daher wurde im letzten Jahr auch mehr ausgebildet. »Das muss so weiter gehen, denn 2026 entsteht eine Abilücke - und das, wo derzeit 25 Prozenten unserer Lehrlinge Abiturienten sind.

Wie die Befragung weiter zeigt, müssen sich die Verbraucher nicht zuletzt aufgrund der weiter steigenden Sozialversicherungsbeiträge und der ungebrochen hohen Materialkosten auf höhere Handwerksrechnungen einstellen. »Das Handwerk ist besonders personalintensiv. Wenn Lohnnebenkosten wie Renten-, Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge weiter steigen, werden viele Handwerksleistungen zum Luxusgut – und das kann nicht im Sinne der Politik sein«, mahnt Stoffels und fordert einen umfassenden Reformprozess der sozialen Sicherungssysteme.

Die StädteRegion Aachen bleibt das wirtschaftliche Kraftzentrum des regionalen Handwerks: Hier meldeten 63 Prozent der Betriebe stabile oder steigende Umsätze. Der Kammerdurchschnitt liegt bei 56 Prozent. Dahinter folgt der Kreis Düren, dessen Zahlen in allen Bereichen um den Kammerdurchschnitt liegen. Anders sieht es in den Kreisen Heinsberg und Euskirchen aus. Dort sind besonders viele Bauunternehmen ansässig, die nicht nur unter der anhaltenden Flaute, sondern auch unter zunehmendem Preisdruck bei öffentlichen Ausschreibungen leiden.


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