Muse Elke Koska: "Anpassung wäre für mich große Unfreiheit"
Frau Koska, Sie sind Muse von HA Schult, der seit 1970 Aktionskunst betreibt und mit den "Trash People" seit 1996 um die Welt zieht. Wie viel Elke Koska steckt in den Müllmenschen? Elke Koska: Als Muse ist man dem Künstler gegenüber sehr loyal und würde daher niemals sagen, ob und welchen Einfluss man konkret hatte. Allerdings würde ich gegebenenfalls auch Einfluss nehmen, denn Schult und ich streiten uns nie um etwas Persönliches, aber um Kunst können wir trefflich streiten. Was ist Ihre Aufgabe bei einem solchen Kunstprojekt? Koska: Da ich für die Organisation und Logistik zuständig bin, versuche ich immer das Machbare zu machen. Schult als Künstler versucht zunächst einmal seine Idee zu machen. Und dann diskutieren wir heiß. Bei den Trash People habe ich natürlich von Anfang an mitgearbeitet ? bei der Produktion und dann auch bei ihrer Reise um die Welt. Heute ist es das größte globale künstlerische Projekt. Erklärtes Ziel von HA Schult ist es, zum Nachdenken über unseren Wohlstandsmüll anzuregen. Mit den Müllmenschen will er Kontraste, Reibung, Provokation zu erzeugen. In Monschau war der Rahmen für die Müllmenschen die pittoreske Fachwerkfassade. Doch Erregung gab es kaum. Viele Besucher fanden die Installation sehr schön und harmonisch. Ist der künstlerische Effekt erreicht worden? Koska: Ja, aber das ist eine relative Betrachtung. Was für den einen harmonisch wirkt, ist für den anderen gar nicht harmonisch. Wie bei allem, so gibt es auch beim Müll den schönen Schauder. Ich finde schon, dass es gegensätzlich war. Dazu gehört auch, dass die Trash People in jeder Kulisse anders wirken. In Moskau auf dem Roten Platz wirkten sie wie Soldaten. Vor den Pyramiden von Gizeh hatten sie etwas Touristisches. In Monschau sahen sie in der mittelalterlichen Stadtkulisse aus wie aufmarschierte Ritter. In Monschau steht für mich die Zeit still. Monschau ist wie ein kleines Venedig. Ein Rahmen aus einer anderen Zeit. Sie vergleichen Monschau mit Venedig? Koska: Ja, wenn deutsche Romantik, dann Monschau. Ohne Übertreibung. Aber ist der Müll in Deutschland noch ein großes Thema? Wir haben ein Kreislaufwirtschaftsgesetz. Wir sprechen von Wertstoffen statt von Müll. Wir trennen und spülen Joghurtbecher. Wir recyceln. Das Thema brennt nicht mehr. Ist das in anderen Regionen der Welt noch anders? Koska: Ja, wenn Sie die Vermüllung der Ozeane betrachten oder in Entwicklungsländer schauen. Aber auch bei uns. Es ist doch absurd, dass wir unseren Müll in Stollen einlagern, ins All schießen wollen oder immer noch Abwässer ins Meer leiten. Oder betrachten Sie den Mülltourismus. Wir verbrennen in Köln den Müll aus Sizilien, der mit dem Lkw kommt. Wahnsinn! Welche konkrete persönliche Erinnerung nehmen sie von Monschau aus mit auf die weitere Reise um die Welt? Koska: Das Schöne an Monschau ist die persönliche Nähe zu den Menschen. Sie sind sehr interessiert, sehr freundlich. Nun kann man sagen, es ist Provinz. Aber Provinz ist für mich nie eine lokale Sache. Provinz findet im Kopf statt. Provinz kann man auch in New York im Kopf haben. Die Trash People wurden hier mit so viel Interesse und ja geradezu liebevoll aufgenommen, das hat mich berührt. Kommen wir auf das Thema Muse zurück. Sind Sie als Muse auch Managerin oder ist das Organisatorische von dem Musischen zu trennen? Koska: Muse ist Managerin. Muse ist nicht nur Inspiration. Das war schon bei Dalí und seiner Gala so. Sie waren fast 30 Jahre mit HA Schult verheiratet. Was unterscheidet eine Muse von einer Ehefrau? Koska: Eine Muse geht über die Ehefrau hinaus. Eine Muse hat in erster Linie den Respekt vor der Kunst und dem Mann als Künstler. Die Liebe ist dabei ein Bereich unter vielen. Nach fast 30 Jahren Ehe ist bei uns einfach die Liebe weggefallen, aber alle anderen Bereiche wie Respekt und Wertschätzung für seine Kunst sind geblieben. Also ist die Muse die nächsthöhere Entwicklungsstufe einer Ehefrau des Künstlers? Koska: Ja. Absolut. Wobei eine Muse nicht Ehefrau sein muss. Sie kann auch nur Muse sein. HA Schult und Sie sind beide wieder verheiratet. Wie organisieren Sie dieses Zusammenspiel zwischen Ex-Partner, neuen Partnern und den Aufgaben als Muse? Koska: Letztlich haben Schult und ich eine besondere Beziehung, die man mit einem Ehepartner nicht haben kann. Uns verbindet die Kunst. Das ist eine starke Beziehung. Stärker als Liebe und Zuneigung, die im Laufe des Lebens kommen und gehen. Die Liebe zur Kunst bleibt. Ob es einen neuen Partner gibt oder nicht, spielt für die Kunst keine große Rolle. Daher bin ich letztlich auch eine der ganz wenigen Menschen, auf die HA Schult hört. HA Schult hat gelegentlich einen robusten Umgang mit seinen, mit ihren Mitarbeitern, die er schon mal öffentlich scheucht und in den Senkel stellt. Trifft das Sie als Muse auch? Koska: Schult braucht Chaos und Konfrontation für seine Kunst. Niemals die Harmonie. Ich hingegen brauche Harmonie für mein Leben und für die Kunst. Daher baue ich mit unseren Leuten am liebsten auf und Schult kommt, wenn alles fertig ist. In Monschau war das anders. Das stimmt. Aber er braucht das. Er weiß es aber vermutlich gar nicht. Er ist auch nicht nachtragend und wundert sich vielleicht, wenn jemand eine halbe Stunde später noch etwas verstimmt ist. Er hat das schon längst wieder vergessen. Es gehört bei ihm zur Performance? Koska: Ja, irgendwie. Ich versuche das aber wenn möglich zu stoppen und von meinen Mitarbeitern fernzuhalten. Die verzeihen ihm das aber mittlerweile weil sie wissen, er macht es als Künstler, nicht als Mensch. Musen wie die von Picasso oder Dalí standen stetes im Schatten des Künstlers oder wurden erst nach dem Tod des Künstlers als eigenständige Person bekannter. Allein durch Ihr äußeres Auftreten trifft dies auf Sie nicht zu. Ist das ein bewusster Kontrapunkt, um im Schatten des Künstlers dennoch wahrgenommen zu werden? Koska: Ich bin eine emanzipierte Frau. Und die Beziehung zwischen Künstler und Muse funktioniert nur, weil wir gleich stark sind. Ich nehme mich aber zurück. Ich gebe ihm immer die Möglichkeit sich zu präsentieren, weil ich in mir ruhe. Ich brauche nicht die Bühne und das Feedback. Feedback dürfte aber dennoch kommen, allein schon wegen Ihres Stylings, das alles außer gewöhnlich ist. Koska: Ja, so sah ich aber schon aus, als der Schult mich kennenlernte. Ich bin also kein Produkt von ihm. Ich habe mich schon als kleines Mädchen stilisiert und habe das konsequent fortgeführt. Mir war dabei klar: Ich werde ein Leben lang um mich und wie ich mich ausdrücken will kämpfen müssen. Anpassung wäre für mich aber die größere Unfreiheit gewesen. Weil ich lebe wie ich leben will, bin ich ein gut gelaunter und fröhlicher Mensch und ruhe in mir selbst. Sind Ihre Kleidung, Ihre Frisur, Ihre Accessoires, Ihre Schminke, dass Sie mal einen Plüsch-Tiger am Kopf tragen, mal Plastikrosen und Erdbeeren, eine inhaltliche Aussage oder gefällt es Ihnen einfach möglichst bunt? Koska: Ganz einfach: Es ist mein persönlicher Geschmack. Das gefällt mir. Mehr nicht. Ich bin eher überrascht, dass so viele Menschen in Beige herumlaufen. Beige Menschen haben keine Entscheidung getroffen. Für nichts. Schwarz, Rot oder Grün ist immer eine Entscheidung. Beige tragen all die Leute, die Angst haben sich zu etwas zu bekennen. Da habe ich mir dem schwarzen Hemd heute Morgen ja einen Glückgriff getan? Koska (lacht): Ja, danach habe ich auch geschaut. Leute, die sich beige anziehen, reden auch beige nach dem Motto "Was könnten die Nachbarn denken". Wichtig ist aber sein eignes Leben zu leben und nicht das der Nachbarn. Werden Sie häufig gefragt, wie lange Sie morgens im Bad brauchen, um Schminke und Deko anzulegen? Koska: Jede zweite Frau fragt mich das. Ich brauche konkret eine Viertelstunde. Das geht ganz schnell. Zack, zack, zack und schon ist`s fertig. Ich habe ja ein ganzes Leben lang Übung. Wie sieht Ihr weiterer Lebensweg aus? Muse bis zur Rente, sofern es die beim Künstler, der schon 74 ist, je geben wird oder wollen Sie noch eigene Projekte umsetzen? Koska: Nein. Ich fühle mich nicht im Schatten von Schult. Er ist ein ganz wichtiger Künstler und darum ist es eine schöne Sache, seine Kunst zu vertreten. Muse sein, das ist für mich kein Beruf, sondern eine Lebenseinstellung. Die werde ich bis an mein Lebensende haben. Und: Ich vermute mal, ich werde älter als Schult, denn ich bin jünger und Frauen leben ja bekanntlich länger. Daher werde ich immer für seine Kunst da sein. Von Monschau reisen die Trash People nach Tel Aviv in Israel und nach Lhasa in Tibet. Soll das ewig so weitergehen oder wollen Sie mal irgendwo landen ? mit oder ohne Trash People? Koska: Wenn man aufhört ? egal mit was im Leben ? ist es das Ende. Und es ist noch lange nicht zu ende. Es gibt noch so viel zu sehen, zu zeigen und zu konfrontieren. Und es bleibt immer spannend, da die Trash People überall anders aussehen. Und es bleibt eine Herausforderung ? beispielsweise 20 Seecontainer mit Schiff, Eisenbahn und Lkw nach Tibet zu bringen. Da stecken drei Jahre Vorbereitung und einige 100.000 Euro drin. Wir bleiben in Bewegung. Keine Frage. Es geht weiter.