Thomas Förster

Rohstoff, dem man beim Wachsen zusehen kann

Imgenbroich. Ein natürlicher Rohstoff, dem man praktisch beim Wachsen zuschauen kann: Hinter diesem »Wundermittel« steckt der tropische Bambus. Verarbeitet wird er bei Heinen Automation im Imgenbroicher Himo.

Imgenbroich (BST). Es gibt Sorten dieser immergrünen Pflanze mit der exotischen Herkunft zumeist aus Asien, die binnen eines einzigen Tages um rund einen Meter förmlich in die Höhe schießen, weiß Yannic Windeln. Das bedeutet umgerechnet pro Stunde einen regelrechten Wachstumsschub von gut 40 Millimetern. Sein exzellentes Know-how, das sich Windeln bei einem Forschungsprojekt an der Fachhochschule (FH) Aachen erarbeitet hat, will der 30-jährige Heinsberger jetzt noch mit seiner Promotion krönen.

Bambus ersetzt Aluminium

Welche überzeugenden Eigenschaften Bambus »drauf« hat, demonstrierten die vielfältigen Partner dieses »Joint Ventures«, einer engen Kooperation zwischen Wissenschaft und Wirtschaft, im Imgenbroicher Himo. Dieses von Björn Schmitz gesteuerte Handwerker-Innovationszentrum Monschau strahlt in die ganze Eifel und darüber hinaus aus. Drei Jahre lang haben Forscher und Praktiker ihre Köpfe zusammengesteckt, um jetzt ein überzeugendes Ergebnis präsentieren zu können. Auf den Punkt gebracht: Bambus kann stabile Bauelemente aus energieintensiv produziertem Aluminium problemlos ersetzen und damit durch natürlichen Leichtbau ähnlich hochfeste, sichere Verbindungen schaffen. Und er liefert nebenbei auch noch eine überzeugende ökologische Bilanz der Nachhaltigkeit mit einem deutlich geringeren CO2-Fußabdruck.

Kinderwagen aus Bambus

Mitten in den Räumlichkeiten des Himo, in denen die Abschlusspräsentation über die Bühne geht, steht ein moderner Kinderwagen. Welches Elternteil hat denn da seinen Nachwuchs mit in den Betrieb bringen müssen, weil mal wieder die Betreuung kurzfristig ausfällt?, schießt es dem Beobachter spontan durch den Kopf. Mitnichten: Die rollende »Transporthilfe« für die Kleinen ist das entscheidende Anschauungsobjekt, das demonstrieren soll, was jetzt schon alles mit Bambuspflanzen möglich ist. Der Prototyp bestand – allerdings noch ohne Baby an Bord – seine erste Bewährungsprobe.

Professor Markus Schleser vom Lehrgebiet Füge- und Trenntechnik sowie Lasertechnologie am Fachbereich Maschinenbau der FH Aachen und sein FH-Kollege Professor Stephan Kallweit, Experte für Robotik und Automatisierungstechnik sowie Programmierung und Informationsverarbeitung, hatten die Projektleitung in dieser »BambusFAB«. Das steht für »Fertigungsanlage für die automatisierte Bambusrohr-Verarbeitung«.

Produktion im Himo

Einer der örtlichen Partner dieses Zukunftsprojekt ist Diplom-Ingenieur Kurt Heinen, Geschäftsführer der im Himo mit 25 Mitarbeitern ansässigen Firma Heinen Automation. Sie steuerte die in eine durchsichtige Hülle gepackte Sondermaschine zum Gesamtprozess bei, welche die zugeführten Bambusrohre automatisiert mit Hilfe eines Roboterarms blitzschnell auf Länge schneidet. Diesem Abschnitt des Produktionsprozesses gehen andere Arbeitsschritte voraus. Zunächst ein Scanverfahren, in dem die Bambusrohre geometrisch erfasst werden. Vier Millionen Messpunkte werden dabei in einer Datei gespeichert. Denn im Ergebnis sollen die gewachsenen Rohre aus der Natur so einheitlich ausgewählt und aufbereitet sein, dass sie in einem automatisierten Produktionsprozess bearbeitet und mit immer gleicher Qualität verfügbar sind.

Damit dies gelingt, steuert die von Professor Kallweit geleitete Aachener ILA 5150 GmbH hochsensible Messtechnik bei. Weiterer Partner mit FH-Wurzeln sind das von Professor Andreas Gebhardt gelenkte Institut für werkzeuglose Fertigung aus Aachen und die EnDePro GmbH aus Redwitz in Oberfranken nahe Bamberg und Coburg, ein Ableger des traditionsreichen Kinderwagenherstellers Gesslein.

Ein entscheidendes Element ist der von ILA beigesteuerte 3D-Drucker, der aus Kunststoffmaterial die hochfesten Verbindungsmuffen herstellt, damit die einzelnen Bambusrohre letztlich zu einem stabilen Kinderwagen mit spezieller Klebetechnik zusammengefügt werden können, der allen Sicherheitsanforderungen im praktischen Alltag souverän standhält. Für diesen Produktionsabschnitt hatten die Projektpartner die Firma Gesslein gewinnen können. Alexander Popp aus der Geschäftsleitung der Kinderwagenfabrik zeigte sich offen dafür, eines Tages ein entsprechendes Fahrzeug mit einem Rahmen aus Bambus auf den Markt zu bringen – womit der innovative Technologietransfer von der Hochschule in die Wirtschaft dann erst vollendet wäre. Zunächst seien aber noch die anderen Partner gefragt, zertifizierte Prozesse zu gewährleisten, sagt Popp. Im Ergebnis konnte in Imgenbroich ein mit weniger als zwölf Kilogramm recht leichtes Modell vorgestellt werden, das sich auch problemlos zusammenklappen lässt.

Von dem Projekt zeigte sich auch Monschaus Bürgermeisterin Dr. Carmen Krämer (parteilos) begeistert. »Das ist ein perfektes Beispiel dafür, was wir brauchen, damit aus tollen neuen Ideen innovative Produkte werden können«, was letztlich neue Arbeitsplätze schaffe.

In Asien ist man mit Bambusbauten schon viel weiter, wie es im Himo hieß. Hier werden neben Fahrrädern, die den geforderten hohen Belastungen problemlos standhalten können, auch bereits viel komplexere Elemente wie Brücken, Baugerüste und sogar Hochhäuser aus diesem natürlichen Rohstoff gebaut.


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