Sorge vor dem Winterhalbjahr
Energiekrise, hohe Materialkosten in Kombination mit langen Lieferzeiten, Fachkräftemangel sowie die Folgen der Corona-Pandemie und der Flutkatastrophe setzen die Handwerksunternehmen unter enormen Druck.
Region. »Die Handwerksbetriebe schauen grundsätzlich auf ein erfolgreiches Halbjahr zurück. Mit dem Andauern des Ukrainekriegs vergrößerten sich aber fast täglich die Herausforderungen, sodass die Betriebe inzwischen angesichts der Vielzahl von Krisen mit Sorge in die Zukunft blicken.» Das hat Peter Deckers, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Aachen (HWK), bei der Vorstellung der Konjunkturherbstumfrage heute unterstrichen. Erschwerend komme hinzu, dass die Unternehmen zunehmend Aufträge aufgrund der weiterhin vorherrschenden Liefer- und Materialengpässe stornieren oder neue Anfragen ablehnen müssten. »Trotz voller Auftragsbücher kann sich diese Bündelung äußerst negativer externer Faktoren mittel- bis langfristig auch auf den Arbeitsmarkt auswirken«, führt Deckers weiter aus.
Zum Umfrageschluss Ende September bezeichneten 87 Prozent der Betriebe ihre Geschäftslage als »gut« oder »befriedigend«. 40 Prozent rechnen aber mit einer Verschlechterung der Situation im kommenden halben Jahr. Gut die Hälfte erwartet eine Stagnation auf dem jetzigen Niveau und neun Prozent eine Verbesserung. Zu Beginn des Jahres hatte weniger als ein Viertel der Unternehmen größere Zukunftssorgen. »Aber erste negative Tendenzen zeigten sich in den vergangenen sechs Monaten bereits bei den Auftragseingängen. Nur noch 56 Prozent konnten das Niveau vom Frühjahr halten«, so Deckers weiter. Für das kommende halbe Jahr rechnen 18 Prozent der Betriebe mit volleren Auftragsbüchern, während jeweils 41 Prozent eine Stagnation oder sogar Rückgänge prognostizieren. »Die von der Bundesregierung erwartete Rezession wird auch an den Handwerksbetrieben nicht spurlos vorbeigehen. Das belegen die nun vorliegenden Daten leider eindrücklich«, sagt Deckers. Aufgrund der weiterhin steigenden Materialkosten bei gleichzeitigen Lieferengpässen mussten 72 Prozent der Unternehmen ihre Verkaufspreise anheben. Damit bestätigten sich die Prognosen aus der Frühjahrsumfrage, in der sogar 80 Prozent der Betriebe mit einem Preisanstieg rechneten. Da auch in den kommenden Monaten weder mit einer Verbesserung bei den Lieferzeiten von Material noch mit einem Sinken der Materialkosten zu rechnen ist, müsse sich die Kundschaft auf weiter steigende Preise einstellen.
Weniger Zukunftsinvestitionen, aber stabiler Arbeitsmarkt
»Mit Sorge beobachten wir die in Anbetracht der aktuellen Krise verständliche Investitionszurückhaltung der Betriebe«, erläutert Deckers. 30 Prozent der Betriebe haben ihre Ausgaben für Maschinen, Werkzeuge, Räumlichkeiten und digitale Ausstattung bereits heruntergefahren und 45 Prozent planen dies in den kommenden Monaten, während 55 Prozent nicht bei den wichtigen Investitionen in die Zukunft sparen wollen.
»Trotz aller negativen Entwicklungen präsentiert sich der Arbeitsmarkt im Handwerk weiterhin sehr robust«, stellt der HWK-Hauptgeschäftsführer erfreut fest. Mehr als zwei Drittel (69 Prozent) der Betriebe verzeichneten im vergangenen halben Jahr stabile Beschäftigungszahlen, bei 13 Prozent gab es Personalzuwächse, während 18 Prozent Mitarbeitende abbauen mussten. Auch im Winterhalbjahr wollen fast drei Viertel (74 Prozent) an ihrer Belegschaft festhalten und zwölf Prozent diese sogar vergrößern. »Das Handwerk ist ein verlässlicher Arbeitgeber und die Unternehmen haben ein sehr großes Interesse daran, ihre hervorragend ausgebildeten Fachkräfte zu halten«, resümiert Deckers. Die langfristigen Folgen der vergangenen Krisenjahre seien aber noch nicht absehbar.
Politik muss schnell handeln
»Bislang ist das Handwerk in der Region gut durch alle Krisen der vergangenen zwei Jahre gekommen. Aber jetzt ist die Politik gefordert, die angekündigten Hilfspakete schnellstmöglich auf den Weg zu bringen. Ansonsten steht auch der eine oder andere Handwerksunternehmer vor den Trümmern der jahrzehntelangen Arbeit«, unterstreicht Deckers den Handlungsbedarf. Und dabei gehe es nicht nur um energieintensive Branchen wie die Bäcker, sondern um die Breite der Handwerksbetriebe.