Hohe Windschutzhecken, tief gezogene Dächer und vom Westen abgewandte Innenhöfe und immer wieder landwirtschaftlich genutzte Freiflächen prägten einst das Bild der Eifeldörfer. Heute haben das Schließen von Baulücken, moderne Bauweisen und der Drang der Häuslebauer zur Individualität die Orte verändert. Dies in Einklang zu bringen und nicht nur die Infrastruktur der Dörfer, sondern auch deren Erscheinungsbild attraktiv zu halten, ist das Ziel eines Gestaltgutachtens in der Gemeinde Roetgen.
»Wir wollen, dass Bauherren und Architekten bei ihren Planungen einmal den Blick nach rechts und links werfen, um ihr Vorhaben in vorhandene Strukturen einzubetten«, erklärt Prof. Rolf Westerheide von der Fakultät für Architektur an der RWTH-Aachen. Der Diplom-Ingenieur hat gemeinsam mit seinen Mitstreitern in den letzten Monaten die Bürger des Roetgener Gemeindegebietes befragt, was ihnen an ihrem Wohnumfeld gefällt und was nicht. Zusätzlich wurde das Thema auch mit Schülern der Grundschule Roetgen bearbeitet.
»Es ist nicht alles schlecht«, stellt Westerheide klar, »aber wir haben interessante Erkenntnisse erlangt.« Sowohl die Ergebnisse der Umfrage und der Schulwerkstatt als auch erste Ergebnisse des Gestaltgutachtens, mit dem das Institut für Städtebau und Landesplanung an der RWTH Aachen University beauftragt wurde, werden in einer Bürgerwerkstatt vorgestellt und diskutiert.
Anlass für die Erarbeitung eines Gestaltgutachtens bietet der nach wie vor hohe Siedlungsdruck, der seit den 1970er Jahren die bis dahin dörflich geprägte, lockere Baustruktur mit Einzelhäusern gerade in Roet-gen zunehmend städtisch überprägt hat.
Verdichtung
Während die Orte bis Mitte der 1990er Jahre zunächst deutlich in die Fläche wuchsen, wurden in den letzten 20 Jahren verstärkt bisher unbebaute Innenbereiche als Bauflächen genutzt. Rasant verändert sich das Dorfbild durch Bauvorhaben, die den Maßstab der Nachbarbebauung deutlich verlassen und den öffentlichen Raum überformen. »Wir wollen keinen Maßnahmenkatalog aufstellen, um die Bürger in ihrer Gestaltungsfreiheit einzuschränken«, versichert Bürgermeister Jorma Klauss. »Aber die Politik wird darüber entscheiden, wie und wo man eingreifen muss, um nicht identitätsstiftende Baustrukturen zu zerstören.«
Gerade dem Heimat- und Geschichtsverein (HeuGeVe) Roetgen ist die Ortsgestaltung ein wichtiges Anliegen. »Seit einigen Jahren hat man den Eindruck, dass sich das Bild von Roetgen unvorteilhaft verändert«, meint HeuGeVe-Vorsitzender Dieter Fischer. Ortsbildprägende Bauten verschwinden für immer und ortsbildtypische Gebäude seien an vielen Stellen bedroht. »Vor allem der skandalträchtige Abriss des so genannten Schmiddemhauses im Jahre 2014 brachte das Fass zum Überlaufen«. Man wolle die Entwicklung zur charakterlosen Vorstadt Aachens verhindern.
Für das gesamte Spektrum baulicher Tätigkeit – von Abbruch, Umbau und Erweiterung bis zum Neubau – ebenso wie für die Gestaltung öffentlicher Räume sollen Gestaltungsspielräume definiert werden, um eine bauliche Entwicklung weiter zu ermöglichen, aber Alleinstellungsmerkmale in den einzelnen Ortsteilen zugleich zu sichern.
»Rott hat es geschafft, seinen Charakter zu bewahren«, stellt UWG-Ratsherrin Sivlia Bourceau fest. »Wir müssen das auch für die anderen Orte schaffen.« Über rechtliche Vorgaben für die Sicherung von Gestaltungsvorgaben wird schlussendlich der Rat befinden.
Bürgerwerkstatt
Am Freitag, 15. Januar, um 19 Uhr findet im Bürgersaal an der Grundschule Roetgen eine Bürgerwerkstatt statt. So sollen alle Bürger der drei Ortsteile Roetgen, Rott und Mulartshütte an der Erstellung eines Gestaltgutachtens für die Gemeinde Roetgen und an einem offenen Dialog über Potentiale der Ortsbildentwicklung mitwirken. »Die Teilnahme und das Engagement aller Bürger sind die Voraussetzung dafür, gemeinsam ein nachhaltiges und identitätsstiftendes Ortsbild für alle Ortsteile zu entwickeln«, wirbt Bürgermeister Jorma Klauss.