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Thomas Förster

Zeitreise in die 30er Jahre

Monschau. »Wieder-Entdeckt« zeigt bekannte Ikonen und vergessene Positionen der Foto-Kunst
Monschau. Das Fotografie-Forum der StädteRegion Aachen präsentiert zu Jahresbeginn eine umfassende Ausstellung zur Fotografie der 1930er Jahre, welche von der Leiterin Nina Mika-Helfmeier kuratiert wurde. »Der Titel Wieder-Entdeckt lässt sich als zweifache Aufforderung verstehen. Zum einen zeigt die Schau künstlerische Positionen, die bisher wenig beachtet wurden. Zum anderen lassen sich an den ausgewählten Werken bedeutende Tendenzen der Fotografiegeschichte ablesen, welche in den 30er Jahren ihren Anfang nahmen und Generationen von Künstlernnachhaltig beeinflussen sollten«, so die Kuratorin.

Die Ausstellung umfasst ca. 160 Arbeiten, darunter zahlreiche Vintages von Fotografinnen und Fotografen, die zum Teil in Vergessenheit geraten sind. Im Rahmen der Ausstellung werden u.a. Arbeiten von Edith Tudor-Hart (1908 - 1973) gezeigt. Sie war eine österreichisch-britische Exilfotografin. Beeinflusst von den Strömungen der sozialdokumentarischen Fotografie und des Neuen Sehens schuf sie in Wien und England ein bedeutendes fotokünstlerisches Werk. Es sollte jedoch fast ein Jahrhundert dauern, bis ihr Werk erstmals einer breiten Öffentlichkeit im Rahmen einer eigenen Ausstellung vorgestellt wurde. Ihre politische Haltung spiegelt sich in den Sujets ihrer Fotografien wieder. Die Künstlerin beschäftigte sich intensiv mit den gesellschaftlichen Verhältnissen ihrer Zeit, besuchte die Londoner Arbeitersiedlungen oder porträtierte Bergarbeiter. Ihre fotografischen Streifzüge durch europäische Städte nehmen die Besucher unmittelbar mit in das Geschehen: Sie zeigen die beengten Hinterhöfe Londons oder Schuhputzer und Näherinnen bei ihrer schweren Arbeit.

Armut und Perspektivlosigkeit zeigen die Fotografien von Walker Evans ungeschönt. Im Auftrag eines Regierungsprojektes der Farm Security Administration dokumentierte Evans die Lebensbedingungen der ländlichen Bevölkerung in den Südstaaten der USA. Er beobachtete den Alltag, den einfachen Leute: Arbeiter, Farmer und Handwerker und zeichnete ein nüchternes und zeittypisches Porträt der armen amerikanischen Landbevölkerung. Durch seinen ungewöhnlichen Blick und einer Herangehensweise, die möglichst objektiv Momente einfangen wollte, schuf er ikonische Bilder der Fotografiegeschichte. Er gilt heute als einer der Väter der dokumentarischen Fotografie und beeinflusste bedeutende Künstler wie Helen Levitt, Robert Frank, Diane Arbus oder Lee Friedlander. Evans Arbeiten währen der Wirtschaftskrise der 1930er Jahre sind Ikonen der Fotografiegeschichte.

Wichtigen Einfluss auf die Fotografie hatte auch Anton Stankowski. Der Künstler ist vielen heute durch seine Verdienste im Grafikdesign bekannt. Er entwarf unter anderem die Logos für REWE, Viessmann und die Deutsche Bank. Ende der 1920er Jahre absolvierte er an der progressiven Folkwangschule Essen ein Studium, in welchem Fotografie sowie Grafik und Typografie einen großen Stellenwert einnahmen. Schon damals arbeitete er viel mit Montagen, die sich aus eigenen Fotografien und Typografien zusammensetzten. In den 1930er Jahren und nach einer unfreiwilligen Übersiedlung nach Stuttgart arbeitete Stankowski unter anderem als Fotoreporter für die Stuttgarter Illustrierte. In seinen Werken sieht man ganz deutlich die Einflüsse der Konkreten und Konstruktiven Kunst, aber auch seine Freude am Experimentieren. Die Fotografien bestechen nicht nur durch ungewöhnliche Bildausschnitte, sondern zeigen ebenso einen spielerischen Umgang mit den Techniken der des Mediums. Zum Beispiel legte Stankowski für seine Fotogramme Gegenstände oder Insekten auf das Fotopapier und belichtete diese direkt. Derart entstanden ungeahnte Formen und Kompositionen, die noch heute ins Staunen versetzen.

Eine wahre Wiederentdeckung sind die Aufnahmen Fide Strucks, welche zum Großteil mehrere Jahrzehnte in einem Koffer schlummerten. Erst 2015 wurde das Gepäckstück mit rund 2000 Negativen von seinem Sohn Thomas Struck entpackt und systematisch erfasst. Zutage getreten sind beeindruckende Aufnahmen, die das Leben in Hamburg und Berlin der 30er Jahre festhalten. Eine Serie schildert das hektische Treiben an der Hamburger Börse. Die Geschwindigkeit beim Handeln auf dem Parkett wird ebenso durch die Bewegungsunschärfe der Fotografien unterstrichen. Hektisch geht es ebenfalls im Hamburger Hafen zu, wo Fischkutter ein- und ausfahren und wir durch Fide Struck einen Einblick in die Verarbeitung des Fangs erhaschen können. Einige dieser Aufnahmen sind zum ersten Mal im Rahmen einer Ausstellung zu sehen.

Während eines Rundgangs wird offenbar, wie entscheidend die hier zu entdeckenden Tendenzen für die heutige Fotografie waren. Die gezeigten Positionen erzählen von einer Zeit voller Umbrüche, welcher sie mit unterschiedlichen künstlerischen Strategien begegneten. Die Ausstellung »Wieder-Entdeckt. Fotografie der 1930er Jahre« ist bis zum 7. April in Monschau, Austraße 9, dienstags bis freitags von 14 – 17 Uhr sowie samstags und sonntags von 11 – 17 Uhr zu sehen. Der Eintritt ist frei. Kontakt unter Tel. 02472/803194 oder E-Mail an info@kuk-monschau.de


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