Edith Billigmann

Niederlagen und ihre Bedeutung fürs Leben

Region(edi). So blickt Boxweltmeister Henry Maske zurück - und nach vorne in Richtung Technologie und Sport.

Hochbejubelt, dann der tiefe Fall - Henry Maske weiß, wie sich Niederlagen anfühlen. Und an eine erinnert er sich noch besonders gut: 1984 bei den Ersatz-Olympischen Spielen von Kuba. Da gilt er als die große Hoffnung der Nation, doch zu Hause angekommen, ist er die größte Enttäuschung. So zumindest empfindet er es. "Niederlagen prägen unser Leben nachhaltig - mal mehr, mal weniger", sagt der viermalige Boxweltmeister und heutige Geschäftsführer von ROOQ-Trainingssystem, und er erzählt, warum es so wichtig ist, niemals aufzugeben.

Am 8. Juli ist er zu Gast beim Benefiz-Open-Air in Klausen und wird aus seinem bewegten Leben berichten. Wir haben den "Gentleman des Sports" in Aachen, seiner neuen Wirkungsstätte, besucht.


JUNG, DYNAMISCH, ERFOLGREICH - EIN LEBEN AUF DER ÜBERHOLSPUR

Mit sechs Jahren beginnt Henry Maske in seiner Heimatstadt in Brandenburg mit dem Boxsport, mit neun Jahren steigt er erstmals in den Ring, ein halbes Jahr vor der offiziellen Zulassung, weil er es einfach nicht mehr aushalten kann, keine offiziellen Wettkämpfe bestreiten zu dürfen. Und er gewinnt seinen ersten Kampf. Dann geht es weiter steil bergauf. Er wird der Überflieger, der Superstar, der Hoffnungsträger der Box-Nation. "Zumindest fühlt man sich so", sagt Maske rückblickend. Noch von der Erfolgswelle getragen, steigt er 1984 in den Olympischen Ring - und verliert. Ein Gefühl, das er bis heute nicht vergessen hat. "Und das ist auch gut so", bekräftigt er, "denn Niederlagen erden." Auf dem Boden der natürlichen Bedeutung angelangt, geht Maske seine Fehler an, schreibt mit 31 Profisiegen und einer Niederlage deutsche Box-Sportgeschichte.

Doch die Erfahrung seiner ersten großen Niederlage hat ihn nachhaltig geprägt. Wie sehr, erzählt er im Interview.


"Nur wer aufgibt, hat verloren."

 

Sie erinnern sich noch gut an das Gefühl der ersten großen Niederlage. Wie war das für Sie, Herr Maske?

Henry Maske: Kein schönes, aber ein sehr wichtiges Gefühl. Ich habe verstanden, wie das Leben tickt: Wenn du erfolgreich bist, hast du viele Freunde und Menschen um dich herum, die dir auf die Schulter klopfen und deine Nähe genießen wollen. Wenn nicht, dann bist du sehr schnell alleine. Die Reaktionen, die auf die Niederlage folgten, waren prägend. Nach dem Kampf meinte der Verbandstrai- ner: "Die haben dich betrogen." In der Kabine hieß es dann schon: "Du hast zu wenig gemacht." Zu Hause angekommen, hatte ich das Gefühl, die größte Enttäuschung der Nation zu sein. Bis dato dachte ich: "Die Welt wartet auf dich." Ich war jung und erfolgreich gewesen, hatte mich von der Welle tragen lassen und mich unangreifbar, ja unersetzlich gefühlt. Und dann das.

Wer hat Sie denn auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt?

Henry Maske: Meine Ohrfeige habe ich mir beim Armeesportclub abgeholt, aber nicht von ganz oben, sondern von meinem Trainer Manfred Wolke. Dessen harsche Kritik hatte selbst bei unserem damaligen Klubchef, Oberst Stemplinger, fast schon Mitleid ausgelöst.

Was hat das mit Ihnen gemacht?

Henry Maske: Bereits mit 20 Jahren habe ich kapiert, wie die Welt wirklich tickt, dass Erfolg und Niederlage ganz eng beieinander sind, dass es in erster Linie gar nicht so sehr um dich selbst geht, son- dern darum, dass Menschen auf der Erfolgswelle mitschwimmen möchten. Und ich habe gelernt, was Freundschaft bedeutet. Diese Erkenntnis, aber auch die Vorsicht, die damit einhergeht, hat mir später geholfen, auch in der Welt der Profis zu bestehen.

Heißt konkret?

Henry Maske: Verlieren ist möglich, damit umzugehen macht keinen Spaß, aber wer aufgibt, ohne gekämpft zu haben, der hat schon verloren. Niederlagen muss man wertig betrachten. Sie rütteln auf und zeigen, dass man doch nicht so gut ist wie gedacht.

Was bedeutet für Sie Freundschaft?

Henry Maske: Auf keinen Fall verbinde ich damit den inflationären Begriff, wie er in den sozialen Medien gerne verwendet wird. Freundschaft bedeutet für mich, dass zwei Menschen eine tiefe innere Verbundenheit spüren. Das war beispielsweise bei mir und dem ehemaligen Kanuten André Wohllebe so. Wir hatten uns zu DDR-Zeiten einmal im Jahr beim Trainingslager auf dem Rabenberg getroffen, darüber hinaus kaum. Aber bei jedem Treffen haben wir diese Verbundenheit, das Gefühl der absoluten Vertrautheit gespürt. Leider ist André viel zu früh gestorben. Die Trauerfeier und die Trauerrede haben gezeigt, dass ein ganz besonderer Mensch viel zu früh von uns gegangen ist.

Nach seiner aktiven Boxkarriere geht Henry Maske neue Wege. "Mit 32 habe ich dem, was ich liebte, Adieu gesagt", blickt der heute 58-Jährige zurück. Was er genau machen will, weiß er zu diesem Zeitpunkt nicht, aber im Boxsport sieht er für sich keine Perspektive mehr. Durch seinen finanziellen Background ist er abgesichert und kann sich bei der Suche nach dem Weg, den er beschreiten will, Zeit lassen. 1999 fällt die Entscheidung und Maske beginnt bei der Fast Food Kette McDonald's als Franchise-Unternehmer. "Ich habe damals etwas völlig Neues gemacht und damit auch viele überrascht", sagt er. Doch Maske bleibt ein Suchender. 10 Jahre nach dem letzten Kampf geht er noch einmal in den Ring und setzt mit dem fulminanten Revanchesieg gegen Virgil Hill ein Zeichen, was man mit Fleiß, Zielstrebigkeit und einer klugen Strategie erreichen kann - und das mit 43 Jahren im leistungsorientierten Boxsport. Dorthin kehrt er 2021 wieder zurück, wenn auch in anderer Funktion. Dem Franchise-Unternehmen sagt er nach 20 Jahren Lebewohl, doch für den Ruhestand ist es noch zu früh. Dann kommt Corona und eine zufällige Begegnung im Sommer 2020. Auf Empfehlung eines Journalisten nimmt er Kontakt zum Jungunternehmer Ralf Rüttgers auf, einem ehemaligen Boxer und mathematischen Genie, der ein Produkt entwickelt hat, das die Boxwelt revolutionieren soll. Maske steigt ein und wird zum glühenden Verfechter der modernen ROOQ-Technologie.

Warum?

Henry Maske: Weil ich davon überzeugt bin, dass es den Boxsport revolutionieren wird. Beim Boxen ist man so nah beieinander, dass letztendlich Feinheiten über Sieg oder Niederlage entscheiden. Diese Feinheiten mittels Technik aufzuspüren und sie so messbar und damit auch nutzbar für Trainingszwecke zu machen, ist einfach nur faszinierend. Ich weiß genau, dass mein ehemaliger Trainer interessiert gewesen wäre, denn schon damals wurde an der Technologie gefeilt, allerdings unter Laborbedingungen, nie in Echtzeit. Ein Sensor am Handgelenk macht das jetzt möglich. Wer sich auskennt, weiß, dass das eine Revolution in einer Sportart ist, in der Leistungen bisher objektiv nicht messbar waren. Sensoren an jeder Hand können vier Schlagarten je Seite messen und die durchschnittliche Geschwindigkeit der Schläge sowie deren Härte bei Widerstand. Die Daten geben eine ehrliche Antwort auf die Kondition, Ausdauer und Kraft und damit Auskunft über die tatsächliche Leistungsfähigkeit des Boxers. Natürlich sind die Ergebnisse jederzeit abrufbar über App und Cloud. Auf dieser Grundlage kann dann vom Trainer oder Coach ein individueller Trainingsplan erstellt werden. Nur was messbar ist, kann ich mit Sicherheit verbessern. Ich selbst habe diese Technik getestet und vertraue ihr. Diese Technik kann im Übrigen auch in der Fitness-Branche genutzt werden, beispielsweise für ein Box-Work-Out, das durch einen Instructor animiert wird. Hierfür haben wir bereits einen Rooq-Score als Belohnungssystem entwickelt.

Ihr Credo?

Henry Maske: Wenn Du von etwas überzeugt bist und ein klares Ziel vor Augen hast, dann gib alles und vor allem nie auf! Du wirst sehen: Das setzt ungeheure Energien frei.

Interview: Edith Billigmann


INFO

Weitere Informationen auf www.instagram.com/henrymaske_stiftung  


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