Edith Billigmann

Wie ein roter Faden ...

Region (edi). Die Trierer Pianistin Sylvie Kremer hat eine besondere Verbindung zum Klavier. sie sagt: "Musik hat mir mein Leben gerettet."

Mit vier Jahren verliert Sylvie Kremer ihren Vater und wächst als Halbwaise auf. Wenig später setzt sie sich ans Klavier ihrer Oma und versinkt dort in einer eigenen Welt. Was der Verlust des Vaters tatsächlich für sie bedeutet, wird ihr erst zehn Jahre später bewusst. Sie beginnt, ihren Emotionen eine Stimme zu geben. Das Klavier wird dabei ihr wichtigstes Instrument. Und so soll es auch bleiben. Beruflich folgt Sylvie ihrer Intuition, studiert Instrumentalpädagogik und arbeitet anschließend für verschiedene Musikschulen. 2005 wagt sie den Schritt in die Selbstständigkeit. Heute ist die geborene Triererin (43), die in Longuich zu Hause ist, für 40 Schülerinnen und Schüler die Anlaufstelle für anspruchsvollen Klavierunterricht.


MUSIK IST WIE HEILENDE MEDIZIN

Musik zieht sich durch Sylvies Leben wie ein roter Faden. Wie ihre Mutter, Schwester, ihre Cousine, Tante und ihr Schwager singt auch sie aktiv im Chor mit, aber mit ihrer Liebe zum Klavier verselbstständigt sie ihren musikalischen Weg. Familiäre Vorbilder gibt es kaum. Das Klavier, das bei ihrer Großmutter im Wohnzimmer steht und von dem sie sich schon als kleines Kind magisch angezogen fühlt, ist eher ein Statussymbol der damaligen Zeit. "Ein Klavier im Haushalt gehörte zum guten Ton", erklärt sie. Das Klavierspielen bringt sie sich selbst bei. "Nach Gehör", sagt sie. Damit weckt sie das Interesse ihrer Tante, die ihr daraufhin das Basiswissen beibringt. "Die Musik hat mir das Leben gerettet", weiß sie heute.

"Im Jugendalter habe ich meine Emotionen und Verlustängste über die Musik verarbeitet und geheilt." Irgendwann bemerkt auch ihre Mutter ihr Talent und ihren Ehrgeiz und meldet sie zum Privatunterricht an. Wenig später wechselt sie zur Kreismusikschule. Dort wird Hans-Dieter Höllen ihr Förderer. Er führt sie an die schwierigen Stücke von Liszt und Chopin heran und bereitet sie auf die Aufnahmeprüfung an der Musikschule am Dom in Trier vor. Von dort aus wechselt sie zum Conservatoire de Musique nach Luxemburg, wo sie mit dem "Premier Prix" abschließt. Nach erfolgreicher Aufnahmeprüfung an der Uni Koblenz studiert sie dort Instrumentalpädagogik mit Lehrbefähigung Klavier. Vier Jahre später schließt sie ihr Studium erfolgreich mit dem Examen ab.


DEM INNENLEBEN AUF DER SPUR

2005 macht sie sich selbstständig, unterrichtet aber weiterhin an der Trierer Musikschule Bleser auf dem Petrisberg. Ab 2011 arbeitet sie eng mit Thomas Schwab-Initiator der "Christmas Moments" und Musikproduzent von Santana - und seiner Musikschule in Mülheim an der Mosel zusammen. Beide Musikschulen haben mittlerweile den Betrieb eingestellt, doch Sylvies Neugier bleibt weiterhin ungebremst. Ihr Blick richtet sich immer mehr ins Innenleben des Klaviers.

Immer mehr verschmilzt sie mit dem Instrument, entwickelt ein feines Gehör und zeigt einen langen Atem, wenn es ums Klavierstimmen geht. Nach einem Basic-Seminar bei Mathias Meiners aus Bayreuth erhält sie die Möglichkeit, das professionelle Stimmen nach Gehör bzw. Temperaturlegung zu erlernen, und lässt sich vom bekannten Klavier- und Flügelbaumeister in Eschweiler, Georg Berretz, anleiten. Mittlerweile bietet sie neben ihrer hauptberuflichen Tätigkeit als Klavierpädagogin und Pianistin auch regelmäßig Klavierstimmungen an. Zu ihren Kunden zählen viele Klavierschüler und -liebhaber.


IM FLOW UND AUS EINEM GUSS

Weil es ihr um das große Ganze, sprich die gelebte und gespürte Einheit mit dem Klavier geht, hat sie auch das Mobiliar darauf abgestimmt. Spezialstühle der Firma MiShu passen die Bewegungen beim Spielen den körpereigenen Bewegungen an. Es entstehe ein "Flow-Gefühl", wie sie es nennt. "Das ist wichtig für ein authentisches Klavierspiel." Gepaart mit den Erfahrungen aus einem speziellen Künstlerseminar bei der Konzertcellistin Sonja Ulla Bolten, kann sie so ganz unmittelbar wertvolle Inspirationen und Impulse als musikalischen Ausdruck in ihre Konzertprogramme einfließen lassen.

Erst wenn alles "aus einem Guss ist", gibt sie sich zufrieden. Und dabei zählen die Stunden, die sie am Klavier verbringt, nicht. "Gut 10 bis 11 Stunden sind es am Tag", überfliegt sie schnell ihr eigenes Engagement, bei dem die Grenzen zwischen Beruf und Leidenschaft fließend sind. Als ihre Favoriten darf man die Balladen von Chopin, die Schubert-Sonate D 959 in A-Dur und Schumanns Carnaval op. 9 bezeichnen, aber Sylvie improvisiert auch gerne. Und sie sieht sich in einem ständigen Lernprozess. Dazu gehört auch die Teilnahme an Konzerten der Sommerakademie und den internationalen Meisterkursen mit namhaften Pianisten wie den Privatdozenten Prof. Irina Edelstein und Prof. Alexander Specchi.


INFO

Weitere Informationen auf www.sylvie-kremer.de und www.klavierstimmer.org  


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