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Die atomare Gefahr ist nicht gebannt

Große Protestaktionen wie die Radausfahrt »Tour de Bequerel« oder die Menschenkette sind wegen Corona derzeit unmöglich. Und doch agieren die Aktivisten weiter, um die Gefahr, die womöglich vom Atomkraftwerk Tihange ausgeht, öffentlich zu machen. Gerade jetzt, wo Erdbeben die Sorgen vor einem atomaren Unfall verstärken.
»Tihange2« soll 2023 vom Netz genommen werden. Die Erdbeben, die eine potenzielle Gefahr für Atomkraftwerke darstellen, haben Gegner der Atomkraft auf den Plan gerufen. Foto: Archiv

»Tihange2« soll 2023 vom Netz genommen werden. Die Erdbeben, die eine potenzielle Gefahr für Atomkraftwerke darstellen, haben Gegner der Atomkraft auf den Plan gerufen. Foto: Archiv

»Die Gefahrenlage hat sich nicht verändert. Wenn wir erfahren, dass sich Risse im Reaktor nicht vergrößert haben, beruhigt mich das keineswegs«, stellt Dr. Thomas Griese klar. Als Staatssekretär im Ministerium für Umwelt, Energie, Ernährung und Forst Rheinland-Pfalz hat der Grünen-Politiker ebenso für eine Abschaltung von »Tihange 2« gekämpft wie als Abgeordneter im Städteregionstag. »Seit 2012 leisten wir mit großem Engagement Widerstand gegen die belgische Atompolitik. Wenn man sieht, was wir erreicht haben, kann man schon ernüchtern«, so Jörg Schellenberg vom Verein »Stop Tihange«. Aktuell konzentriere er sich mit Mitstreitern wie Walter Schumacher auf die Atomkraftwerke Doel - dort habe man gemeinsam mit dem BUND NRW erreicht, dass keine Brennstoffe mehr aus Deutschland geliefert werden dürfen. »Im März könnte dem Kraftwerk der Saft ausgehen«, hofft Schellenberg. Als positives Signal werten Griese und Schellenberg die Zusicherung des belgischen Energieministeriums, alle Atomkraftwerke bis 2025 vom Netz zu holen. 2023 schon soll die Abschaltung der ältesten Reaktoren, darunter Tihange 2, erfolgen. Energieministerin ist Tinne Van der Straeten, die als Anwältin einst die Klagen der Städteregion Aachen vor belgischen Gerichte vorangetrieben hatte.
»Es ist erklärter Wille der städteregionalen Politik, alle politischen Initiativen zu ergreifen bzw. fortzuführen, bis Tihange 2 vom Netz ist«, unterstreicht Detlef Funken, Pressesprecher der Städteregion Aachen. Dazu gehöre insbesondere, dass das Gespräch mit der belgischen Energieministerin gesucht werden soll, um die Position der Dreiländerregion nochmals deutlich zu machen. Ein weiterer Baustein sei das Verfahren vor dem Petitionsausschuss des EU-Parlaments, das offen gehalten wurde und mit Unterstützung der regionalen EU-Abgeordneten wie Sabine Verheyen weiter vorangetrieben werden soll. Eine breite Allianz aus Bürgern, Unternehmen wie dem Medienhaus Weiss, zwei Bundesländern sowie Kommunen aus Luxemburg und den Niederlanden hatte auf Initiative des damaligen Städteregionsrates Helmut Etschenberg Ende 2016 in Brüssel eine Klage gegen den Weiterbetrieb von Tihange 2 auf den Weg gebracht. Sie alle machten ihre persönliche Betroffenheit geltend und klagten wegen einer Gefährdung von Leib, Leben und Gesundheit, die nach ihrer festen Überzeugung von Tihange 2 ausgeht. Die Klage richtete sich gegen den Belgischen Staat, die Föderalagentur für Nuklearkontrolle (FANC) sowie den belgischen Stromversorger und Betreiber der Atomkraftanlage, Engie Electrabel. Nachdem im Jahr 2018 in den Sicherheitsbunkern einiger Tihange-Reaktoren der Abbau von Beton sowie Anomalien in den Stahlverstärkungen festgestellt worden waren, hatte die Klagegemeinschaft Ende Dezember 2018 neue Argumente in das laufende Gerichtsverfahren eingebracht. Angeblich seien zwischenzeitlich Betonbunker saniert worden, einen Sicherheitsnachweis gibt es indes nicht. Nicht nur die Dreiländer Region Aachen, sondern weite Teile des Bundesgebietes, der Niederlande, Belgiens und Luxemburgs wären im Falle eines Super-GAUs von der Katastrophe betroffen. Das bestätigt die Studie des Wiener Instituts für Bodenkultur. Funken: »Es ist bedauerlich, dass das Gericht dieser Argumentation nicht folgen konnte und ausführte, dass nicht hinreichend nachgewiesen wurde, dass subjektive Rechte der Kläger verletzt wurden oder dass sich die FANC (die Föderalagentur für Nuklearkontrolle) oder der belgische Staat bei der Beurteilung der Sicherheit des Reaktorbehälters des Kernkraftwerks ‚Tihange 2‘ nicht sorgfältig verhalten hätten.« Auch wenn Online-Petitionen bereits Wirkung zeigten, wolle man wieder öffentlich protestieren, sobald es Corona zulässt, versichert Dr. Thomas Griese. Schließlich sei die Frage nach Atom-Endlagern weder in Belgien noch in Deutschland geklärt. »Dass sich über die Folgen der Atomenergie keine Gedanken gemacht wurde, ist der größte Irrtum der Industrie-Geschichte«, so Griese...


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