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Ein Erinnerungsschatten in der Krieger-Kapelle aufgehellt

»Wir beobachten mit Besorgnis, welch großen Zulauf rechtsgerichtete Gruppierungen auch in Deutschland verzeichnen und wie sie versuchen, rassistisches Gedankengut erneut salonfähig zu machen«, konstatiert Johannes Foemer, stellv. Vorsitzender des Kirchenvorstandes Schmidt. Wozu das führen könne, hätten die slawischen Völker vor über 70 Jahren auf besonders leidvolle Weise erfahren. In Erinnerung an die vielen sowjetischen Kriegsgefangenen wird nun eine Tafel in der Pfarrkirche St. Hubertus errichtet.
In der Kapelle in der Schmidter Pfarrkirche wird bereits zahlreichen Kriegsopfern gedacht. Die Tafel in Gedenken an die amerikanischen »Befreier« stammt von Mario Book (l.). Nun hat der Steinmetz die Nachbildung der verschollenen Tafel in Erinnerung an sowjetische Kriegsgefangene erstellt. Foto: T. Förster

In der Kapelle in der Schmidter Pfarrkirche wird bereits zahlreichen Kriegsopfern gedacht. Die Tafel in Gedenken an die amerikanischen »Befreier« stammt von Mario Book (l.). Nun hat der Steinmetz die Nachbildung der verschollenen Tafel in Erinnerung an sowjetische Kriegsgefangene erstellt. Foto: T. Förster

Für Bundespräsident Joachim Gauck war es »eines der größten Verbrechen« des Zweiten Weltkrieges: Die Ermordung bzw. der bewusst in Kauf genommene Tod von Millionen sowjetischer Kriegsgefangener. Der Historiker Peter Jahn beziffert die Anzahl der Opfer auf 3 bis 3,2 Millionen von insgesamt 5,7 bis 6 Millionen sowjetischer Kriegsgefangener, die an Hunger, Krankheiten und Entkräftung ums Leben kamen.

Ins Bewusstsein

Gauck stellte fest, dass das Verbrechen an den sowjetischen Gefangenen bis heute »in einem Erinnerungsschatten« liege. Ihr »grauenhaftes Schicksal« sei in Deutschland »nie angemessen ins Bewusstsein gekommen«. Diesen »Erinnerungsschatten« aufzuhellen, ist schon länger das Anliegen der Protagonisten für Friedensarbeit in der Kath. Kirchengemeinde St. Hubertus Schmidt. Die positiven Reaktionen auf die Ausstellung »verschleppt – verhungert – verscharrt« hätten bestätigt, dass man mit dem Erinnerungskonzept »Friedenskirche Schmidt« auf dem richtigen Weg sei, so der Projektbeauftragte Benedikt Schöller.

Zweite Förderung

Für innovative Pastoralprojekte stellt das Bischöfliche Generalvikariat den Kirchengemeinden im Bistum Aachen besondere Fördergelder zur Verfügung. Die Pfarre St. Hubertus erhielt für ihre friedenspolitischen Aktivitäten diese Sonderförderung nunmehr bereits zum zweiten Mal.

72 Verstorbene

Am Rande des »Buhlert« steht seit einigen Jahren ein Hinweisschild mit der Inschrift »Russenfriedhof«. Bis ins Jahr 1959 erinnerte auf dem »Waldfriedhof Buhlert« eine Tafelinschrift an den Tod von 65 Rotarmisten, die in deutsche Kriegsgefangenschaft geraten und dem Arbeitskommando Strauch zugeteilt waren. In einer aktuellen Untersuchung konnte die Dokumentationsstelle der Stiftung »Sächsische Gedenkstätten in Dresden« diesem Lagerdistrikt zwischenzeitlich 72 verstorbene Sowjetbürger zuordnen. Sieben von ihnen wurden würdelos verscharrt, die anderen auf der sowjetische Kriegsgräberstätte zwischen Rurberg und Kesternich beigesetzt.

Zwei Sprachen

Auch eine 1945 von russischen Kameraden gefertigte Gedenktafel verschwand mit der Auflösung der Grä-berstätte und gilt bis heute als verschollen. Grund genug für den Kirchenvorstand in Schmidt, zu handeln und Steinmetz Mario Book mit einer Nachbildung der Tafel zu beauftragen. Alte Fotos existierten noch, so dass eine originalgetreue Reproduktion möglich war. »Zum Andenken der gefallenen russischen Kgf. durch Nazi-Terror 1941-1945. Denkmal errichtet von russischen Kameraden 1945«, ist - wie auf dem Original - in kyrillischer und deutscher Schrift zu lesen. Das Replikat wird einen Ehrenplatz in der Maria-Hilf-Kapelle (im Volksmund »Krieger-Kapelle«) der Schmidter Hubertuskirche erhalten. Zug um Zug soll diese Kapelle zu einem »Raum des Friedens« umgestaltet werden, in dem künftig nicht nur der eigenen, sondern der Kriegstoten aller Nationen gedacht wird.

Gedenkfeier

Johannes Foemer freut sich schon auf Sonntag, 26. Juni, wenn Vladimir Pyatin, Senior Konsul des russischen Generalkonsulats in Bonn um 11 Uhr nach Schmidt kommt, um mit weiteren Ehrengästen die reproduzierte Gedenktafel in der Hubertuskirche der Öffentlichkeit vorzustellen. Für einen würdevollen musikalischen Rahmen sorgt »Cantilene«, ein deutsch-russischer Kammerchor aus Köln. Nach dem offiziellen Teil werden gratis Spezialitäten aus der russischen Küche gereicht.


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