(ste/ako/bil/sch)

»Früher war mehr Lametta. . .«

Weihnachten ist verknüpft mit liebgewonnenen Erinnerungen an Bratapfel-Duft, verschlossene Zimmer, Schlittschuhtouren auf zugefrorenen Seen und echte Kerzen am Baum. Wochenspiegel-Redakteure blicken zurück in ihre Kindheit. . .

Ob früher mehr Lametta war? "Klar, und wie!", erinnert sich Redakteurin Angelika Koch an die gestalterischen Vorlieben ihres Vaters. "Er musste irgendwann Lametta zum Großhandelspreis erstanden haben." Jedes Jahr dasselbe: Es klingelt zart ein Glöckchen, Klein-Angelika darf endlich das duftende Weihnachtszimmer betreten - und wird von der Opulenz des Weihnachtsschmucks fast betäubt. Vom Grün des Baums ist nichts mehr zu sehen, wohl wirklich jede einzelne Fichtennadel dient als Aufhänger für einen glitzernden Streifen. Im Laufe des Heiligen Abends pflegt sich das gesamte Konstrukt bedenklich zur Seite zu neigen ob des Gewichtes. Das Zittern in Angelikas Stimme beim obligatorischen Singen von "Oh du fröhliche" kommt nicht allein daher, dass sie sowieso nie eine Note trifft. Nein, es ist das Bangen, ob der Weihnachtsbaum hinter ihr kippt oder ob sie heil zu Ende trällern kann. "Der Baum ist übrigens nie wirklich umgefallen. Und jedes Neujahr wurde jeder einzelne Lamettastreifen sorgsam abgehängt, glattgestrichen, gebündelt und in Kartons verstaut." "Früher war nicht nur mehr Lametta, es waren auch mehr Kerzen", ist Redakteurin Sybille Schönhofen sicher. "Als meine Mutter die Herrin des Weihnachtsbaums war, die sowohl bei seinem Kauf als auch beim Schmücken das letzte Wort hatte, standen elektrische Kerzen sozusagen auf der Schwarzen Liste. Das hatte mehrere Konsequenzen: Zum einen tropfte immer Wachs auf den Fußboden, der am Morgen des jeweils nächsten Tages mit einem kleinen Küchenmesser von den Fliesen gekratzt wurde. Zum anderen sorgten die brennenden Kerzen in unmittelbarer Nähe leicht entflammbarer Tannennadeln für ein erhöhtes Spannungsfeld im Raum. Einer von uns musste immer den Baum im Blick behalten und der gut gefüllte Putzeimer mit Löschwasser hinterm Baum gehörte zu Weihnachten wie das Christuskind in der Krippe." "Schon die Adventszeit war einfach herrlich. Vielleicht weil sie so still war", sagt Redaktionsleiterin Stephanie Baumann. "Weihnachtsmärkte? Fehlanzeige. Internet? Gab es nicht. Stattdessen ruhige Abende mit der Familie, dampfender Kakao, Omas Geschichten und Mama bügelte Strohsterne. Wochenlang roch das ganze Haus nach Vanille, Zimt und allerlei Gewürzen, und im Vorratsraum türmten sich bunte Dosen voll mit Heidesand, Spritzgebäck, Kolaschen, Vanillestangen und anderen Köstlichkeiten - festverschlossen und sicher verwahrt. Dachte zumindest Mama. Papa schaffte es aber regelmäßig, das ungeschriebene Gesetz 'die gibts erst an Weihnachten' außer Kraft zu setzen. Schier unmöglich war das allerdings bei den traditionellen Christstollen, die - damals noch von Hand geformt und schön in Zellophan gewickelt - akkurat zum 'Durchziehen' auf den Schränken lagerten. Und dann der Heilige Abend: Aufgeregt und mit klopfendem Herzen haben wir Kinder gewartet, bis das Christkind seinen Job endlich getan hatte. Vor der Bescherung wurde bei uns gesungen, Blockflöte und Klavier gespielt. Immer wurde mir ein Herzenswunsch erfüllt, obendrein hatte die Puppe ein neues Kleid und auf dem Weihnachtsteller fand jeder seine Lieblingsschokolade. Und der Baum? Na ja, den fand ich als Kind eher unspektakulär, weil er stets 'Ton-in-Ton' in Silber oder Lila daher kam. Auf die kunterbunt geschmückten Fichten meiner Freundinnen war ich deshalb immer neidisch. Das ist lange her. Heute zieren Omas edle alte Silber-Kugeln meinen eigenen Weihnachtsbaum. Lametta? Finde ich scheußlich!" "Mir fällt bei Lametta natürlich der bekannte Weihnachtssketch von Loriot ein", verrät Redakteur Stefan Schröder. "Wer kennt ihn nicht, den Ausruf von Opa Hoppenstedt? Dieser Klassiker flimmert schon seit vielen Jahren pünktlich zur Weihnachtszeit, auf den Fernsehern in vielen deutschen Wohnzimmern. Auch unser Wohnzimmer bildete keine Ausnahme. Nach der Familienfeier fand sich die ganze Familie auf der Couch zusammen und verfolgte gemeinsam die erheiternde Frage, ob Dicki Hoppenstedt nun ein 'Zipfelchen' hat und wann das Atomkraftwerk aus dem Modellbaukasten 'Wir bauen uns ein Atomkraftwerk' endlich 'Puff' macht. Doch nicht nur Loriots Meisterwerk stand am Heiligen Abend auf dem Programm. Als weitere Klassiker folgte anschließend 'Familie Heinz Becker' mit 'Alle Jahre wieder'. Hier war es ebenfalls immer wieder eine helle Freude, Familienoberhaupt Heinz bei der Suche nach der 'Chrischtbaamspitz' zu beobachten."


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