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Edith Billigmann

Kinder, wie die Zeit vergeht… 

Trier. Anna Cäcilia Klasen hat mit ihren 100 Jahren schon einiges gesehen und erlebt. Da sammeln sich so einige Geschichten und Erlebnisse.

Das Leben hat viele Gesichter. Anna Cäcilia Klasen blickt   zurück auf 100 Jahre.

Das Leben hat viele Gesichter. Anna Cäcilia Klasen blickt zurück auf 100 Jahre.

Bild: Edith Billigmann; privat

An manchen Tagen hat Anna Cäcilia Klasen viel zu erzählen: über ihre Kindheit auf dem Bauernhof, die harten Kriegszeiten, das Leben in der patriarchalisch geprägten Familie und ihren sehnlichen Wunsch, das Gymnasium besuchen zu dürfen.

Von Edith Billigmann

Manchmal aber auch fehlen ihr die Worte, so wie jetzt im Nachgang zu ihrem 100. Geburtstag. Dann kramt ihre Tochter Ingeborg längst Vergessenes aus den tiefsten Ecken des Gedächtnisses hervor und lässt uns zurückblicken auf eine Zeit, in der Kindsein in einer Bauernfamilie mit früher Verantwortung und viel Arbeit verbunden war.

Heilenbach 1924

In dem kleinen Eifelort erblickt Cäcilia das Licht der Welt. Früh schon muss sie die Kühe hüten - den ganzen Tag lang, damit die wertvollen Tiere nicht abhanden kommen. Ihr Freund: Hund Hasso, der später, als ihre Familie Haus und Hof und Hund verkaufen muss, vor Kummer stirbt.

Als Arbeitskraft ist sie für die Familie unentbehrlich geworden. Ihr Wunsch, als gute Schülerin das Gymnasium besuchen zu dürfen, bleibt ihr versagt.

Doch Cäcilia verliert die Lebensfreude nicht, bricht immer wieder aus der Enge der Familie aus, sucht Gleichaltrige, mit denen sie feiern und unbeschwert die wenige Zeit, die ihr vergönnt ist, genießen kann. Kirmes ist angesagt. Der strenge Vater sieht das nicht gern. Doch Cäcilia steht auch am nächsten Morgen ihre Frau. "Wer tanzen kann, kann auch arbeiten", hatte er ihr gesagt. Daran hält sie sich und nimmt ihm so die Argumente.

Zweiter Weltkrieg

Cäcilia ist 17 und ihr Herz blutet. Sie weiß: Die vielen Soldaten, die die Familie zur Erholung aufgenommen hat, wird sie nie wiedersehen. Das soll sich bewahrheiten. Der Bürgermeister eines nahe gelegenen Dorfes rekrutiert gegen Ende des Krieges, der schon als verloren gilt, die letzten jungen Männer. Es sind fast noch Kinder, die durch diesen Wahnsinn ihr Leben lassen müssen. Der Krieg war allgegenwärtig, auch als die Schwester in Köln um Lebensmittel bittet. Mit Angst im Nacken fährt sie zu ihr und bewältigt die gesamte Strecke mit dem Fahrrad. Die Butter hat sie in Rhabarberblätter gewickelt, damit sie an den heißen Sommertagen nicht zerläuft.

Die Nachkriegsjahre

Ende der 40-er Jahre zieht Cäcilia nach Olewig und trifft auf dem dortigen Weinfest ihre große Liebe. 1950 wird geheiratet, ein Jahr später kommt Tochter Ingeborg zur Welt. Zwischen ihr und ihrer Schwester Renate liegt nur ein Jahr, zwischen ihr und Bruder Hans sieben Jahre. Als dann noch die eigene Mutter erkrankt, wird auch sie ebenso gepflegt wie der Onkel. "Für uns ist diese Belastung heute nicht mehr vorstellbar", wirft Enkelin Carmen ein. "Das Leben einer Frau hat sich damals zwischen Kindern, Küche und Elternpflege abgespielt - ohne Entlastung durch Kindergarten, Waschmaschine oder mobile Pflege. Trotz der harten Zeiten hat sie sich nie beschwert." "Sie hat viel gesungen", wirft Ingeborg ein. "So positiv und fröhlich ist sie auch meinen Kindern in Erinnerung geblieben."

Mit 66 Jahren . . .

...muss Cäcilia durch den plötzlichen Tod ihres geliebten Klaus einen Lebensabschnitt hinter sich lassen. Doch nach langer Trauer richtet sie ihr Leben neu aus und begibt sich mit ihrer Schwester Agnes auf Reisen. Sie will mobil bleiben, treibt jeden Tag Gymnastik und kann sich bis ins hohe Alter selbst versorgen. Erst mit 98 Jahren entscheidet sie sich für eine Rundumversorgung im Trierer Pflegeheim St. Irminen.

 


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