Mit dem Ohr ganz nah am Eifeler
Estland oder Kanada, vielleicht noch einige Alpakas dazu - so sahen Julia Kunze und ihr Mann Helge ihre Zukunft. Doch ihren Lebensort fanden sie schließlich unerwartet in der Eifel, unweit von Julia Kunzes Heimat. Dort porträtiert sie nun Menschen aus der Eifel oder mit Bezug zu dieser Region in ihrem "Eifelpodcast". Seit November 2020 trifft die gelernte Journalistin Menschen, die sie in ausführlichen Gesprächen am Mikrofon vorstellt. Aufgewachsen ist Julia im kleinen Ort Niederkastenholz bei Euskirchen, wo sie bereits während ihres Lehramtsstudiums für die Tageszeitung arbeitete. Auch an der Uni widmete sie sich dem Journalismus. "Ich habe viel mehr Hochschulradio gemacht als studiert", erinnert sie sich. Nach Aufenthalten in Amsterdam und London verschlug es sie nach Münster, wo sie zunächst ein journalistisches Volontariat absolvierte und in Münster PR-Arbeit für Menschen mit Behinderung aufbaute. "Ich dachte, hier verbringe ich den Rest meines Lebens." Als sie ihren heutigen Mann kennenlernte, wuchs der Wunsch nach einem Eigenheim. Da jedoch beide freiberuflich arbeiteten, gingen sie bei Hausbesichtigungen stets leer aus - und überlegten schließlich, wie sie eigentlich leben wollen. Mit einem grünen, ausgebauten Transporter reisten sie ab Juni 2019 deshalb durch die Welt und arbeiteten in verschiedenen sogenannten "Work Aways" mit. Los ging es nahe dem niederländischen Oost, wo das Paar eine "Earthship-Siedlung" besuchte, in der die Häuser komplett aus gebrauchten Materialien errichtet wurden und weitestgehend autark sind. "Reizvoll fand ich, dass man in dort in einer Gemeinschaft lebt und man gegenseitig auf die Kinder aufpasst", erzählt Julia Kunze. Danach war das Paar unter anderem in Deutschland, Frankreich, Lettland, Litauen, Estland, Schweden, Marokko und den Niederlanden unterwegs, wo sie verschiedene Arten zu leben kennenlernten. "In Marokko und Spanien war besonders eindrücklich, wie wichtig Wasser ist", berichtet Julia Kunze: "In Spanien wird es immer trockener, die Versteppung schreitet voran." Ihre Erlebnisse hat sie im Internet-Blog "Zukunftssuche" beschrieben. Als das Paar in Nordspanien weilte, machte langsam das Coronavirus auf sich aufmerksam. "Helge beobachtet die internationale Presse immer. Deswegen hatte er schon früh auf dem Schirm, dass da etwas auf uns zukommt", berichtet Julia. Da sie Grenzschließungen befürchteten, reisten sie zurück nach Deutschland. "Wir sind innerhalb eines Tages von Nordspanien bis zur deutschen Grenze durchgefahren", erzählt sie. Einen Tag später wurden die Grenzen tatsächlich dichtgemacht. Das Paar kam zunächst in der Einliegerwohnung bei Julias Eltern in Niederkastenholz unter. Schließlich erkoren die beiden Hausbesichtigungen zu ihrem neuen Hobby. "Man konnte ja nicht viel machen und so kamen wir raus", sagt Julia: "Da waren verrückte Häuser bei, zum Beispiel ein Blockhaus und ein Erdwärmehaus." Anfang Juni 2020 besichtigten sie eine alte Wassermühle in Schönecken. Die ließ sie fortan nicht mehr los. Im Juli beschlossen Julia und Helge schließlich, das Haus zu kaufen. Nicht nur die hauseigene Stromproduktion, das Wasserrecht, eine eigene Wasserquelle und die gute Internetanbindung gaben den Ausschlag. Denn Julia und Helge suchten eine Bleibe in einem Dorf mit gewachsener Gemeinschaft aller Altersgruppen, funktionierendem Vereinsleben und guter Infrastruktur - das alles fanden sie in Schönecken. Nach dem Umzug vom Transport in die Mühle musste alles neu eingerichtet werden. Das haben die beiden fast komplett über Ebay-Kleinanzeigen bewerkstelligt. Ihren Eifelpodcast startete Julia aus eigener Initiative. "Ich höre viele Padcasts," berichtet sie: "Eine Studie sagt, dass die Hälfte der Menschen in den USA Podcasts hören. Auch in Deutschland sind sie im Aufschwung. Man kann sie sehr gut nebenbei hören." Themen fand sie schnell. Teilweise entstanden sie aus Fragen, die das Internet nicht beantworten konnte - und aus der Frage: Was macht man, wenn man in der Eifel neu ist? "Die erste Folge sticht etwas heraus", erklärt sie. Die beschäftigt sich mit der Explosion des Munitionslagers, die Prüm am 15. Juli 1949 in großen Teilen zerstörte. Darüber unterhielt sie sich mit Monika Rolef, die die Katastrophe als Neunjährige erlebte. "Ich fand, es passte gut in die Coronazeit, von dieser Frau zu lernen, wie der Eifeler mit Krisen umgeht", erklärt Julia Kunze. "Ich glaube, es gibt einen totalen Bedarf an lokalen Nachrichten", ergänzt sie. In ihren Podcasts porträtiert sie vor allem Menschen - darunter bekannte wie Autor Ralf Kramp, Kabarettist Hubert vom Venn und Wirtschaftsprofessor Hermann Simon. Zu hören gibt es aber auch spannende Begegnungen wie Playmobil-Experte Dieter Fiedler und die Pflanzenspezialisten Susanne Lipps und Oliver Breda. Daneben beschäftigen sich thematische Podcasts unter anderem mit dem Effelsberger Radioteleskop, dem Geisterzug in Blankenheim und der Lage des Eifeler Handwerks.