gepostet von Nikolas Leube

Vielfalt hat viele Stimmen: Grußworte aus der Region setzen ein Zeichen

Region. Von Gleichstellung bis Inklusion: In der WochenSpiegel-Sonderausgabe zum Thema Vielfalt ergreifen Menschen aus der Region das Wort – für eine offene, gerechte und bunte Gesellschaft. Hier geht es zu ihren Grußworten.

V.l.: Gerd Dahm, Gerd Wanken, Angelika Mohr, Dr. Christoph Emmerling, Christina Hartmer

V.l.: Gerd Dahm, Gerd Wanken, Angelika Mohr, Dr. Christoph Emmerling, Christina Hartmer

Bild: 1) privat 2) privat 3) Foto Bartsch 4) privat 5) privat

Was bedeutet Vielfalt im Alltag? Wo funktioniert sie – und wo hakt es noch? In mehreren Grußworten nehmen Persönlichkeiten aus unserer Region Stellung. Sie erzählen von Herausforderungen, Erfolgen und Wünschen für eine offenere Gesellschaft. Ihre Worte machen Mut – und regen zum Nachdenken an.

"Ein Gesetz allein ändert nichts"

Gerd Dahm, Beauftragter der Menschen mit Behinderung der Stadt Trier

Seit nunmehr 23 Jahren ist das Behindertengleichstellungsgesetz in Kraft. Es regelt die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen und ist ein wichtiger Teil der Umsetzung des Benachteiligungsverbotes gem. Artikel 3 Absatz 3 Satz 2 Grundgesetz: „Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“

Wo stehen wir 23 Jahre nach Einführung dieses Gesetzes? Wie so oft ändert ein Gesetz erst einmal nichts. Es muss auch umgesetzt werden. Und es muss im besten Fall dazu führen, dass sich Denkmuster und Einstellungen ändern. Viele Hürden wurden in den vergangenen Jahren niedriger, Menschen mit einer Behinderung werden zunehmend sichtbarer als Teil einer vielfältigen Gesellschaft.

Wo müssen wir besser werden? Wir sind weit entfernt von einem Schulsystem, das inklusiven Unterricht umsetzt und damit die Teilhabe von allen Kindern gewährleistet. Es fehlt an bezahlbarem Wohnraum für Menschen mit einer Behinderung.

In Deutschland fallen Menschen mit einer Behinderung in den Status der Sozialhilfe. Sie dürfen nur eingeschränkt Eigentum besitzen und jede auch noch so kleine Hilfe durch die Mühlen von Verwaltungen und Versicherungen zu drücken. Das ist sehr kräftezehrend und entwürdigend. Hier braucht es auf allen Ebenen ein Umdenken. Inklusive Gesellschaft bedeutet, dass alle die Verantwortung dafür tragen, dass niemand ausgegrenzt wird. Der Weg dahin kann spannend und für alle bereichernd sein.

"Barrieren im Kopf abbauen"

Gerd Wanken, Behindertenbeauftragter des Kreises Bitburg-Prüm

Inklusion und Integration, wie sie in der UN Behindertenrechtskonvention für Menschen mit Beeinträchtigungen schon vor 15 Jahren beschrieben wurden, werden im Eifelkreis Bitburg-Prüm seit vielen Jahren gelebt und immer wieder eingefordert.

Menschen mit Beeinträchtigungen haben die gleichen Rechte wie ihre nicht-beeinträchtigten Mitmenschen; und dies gilt in allen Lebensbereichen (Arbeit, Bildung, Wohnen, Freizeit, Kultur).

Früher stand die Fürsorge um den behinderten Menschen im Vordergrund, heute geht es primär um die Ermöglichung und Hilfe eines selbstbestimmten Lebens und gesellschaftliche Teilhabe für den beeinträchtigten Menschen. Hierfür müssen wir uns stark machen und eine Lobby schaffen.

Dies geschieht im Eifelkreis durch zahlreiche Initiativen, Selbsthilfegruppen, Angebote der Kommunen und nicht zuletzt durch die Behindertenbeauftragten der Verbandsgemeinden und der Stadt Bitburg, die jetzt seit ein paar Monaten im Amt sind.

Vieles wurde erreicht (Euroschlüssel, Windeltonne, Barrierefreie WCs, Arbeitsplätze, Wanderwege), Einiges liegt auch noch im Argen. Als solidarische und offene Gesellschaft müssen wir noch mehr tun für bezahlbaren Wohnraum, für Mobilität in unserem Kreis, für kulturelle Angebote, für Freizeitmaßnahmen und müssen Barrieren in den Köpfen abbauen.

Dies bedarf sicherlich vieler kleiner Schritte auf dem Weg zu mehr Vielfalt und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben.

Viele kleine Schritte, die wir tun, sind besser als große Schritte, die wir planen. Einer dieser Schritte, ist diese Sonderausgabe des WochenSpiegel – danke.

"Es besteht Handlungsbedarf"

Dr. Christoph Emmerling, Behindertenbeauftragter des Kreises Trier-Saarburg

Das Leben mit einer Behinderung ist für Betroffene und ihre Angehörigen oft eine große Herausforderung. Bereits in Kindheit und Jugend und später im Erwachsenenalter können vielfältige Barrieren und Einschränkungen auftreten.

Nicht immer ist ein individueller Förderbedarf für jeden Menschen mit Behinderung gewährleistet, insbesondere für Personen mit kognitiven Einschränkungen.

Deshalb ist das Thema Inklusion von herausragender Bedeutung. Im Kreis Trier-Saarburg soll ein lokaler Aktionsplan zur Umsetzung der UN-Behindertenkonvention künftig dazu beitragen, die universellen Rechte von behinderten Menschen umzusetzen, unter anderem das Recht auf selbstständige Teilhabe.

In einigen Bereichen verzeichnen wir bereits eine positive Entwicklung hin zu uneingeschränkter Teilhabe, unter anderem bei der barrierefreien Mobilität (ÖPNV), im Bereich Kultur, Freizeit, Sport oder durch die Integrative Schule in Schweich.

Doch es besteht unter anderem immer noch erheblicher Handlungsbedarf in den Bereichen Wohnen, Arbeiten und Ausbildung. Für Menschen mit Behinderung stehen zu wenige geeignete und bezahlbare Wohnungen zur Verfügung. Ihre Arbeitslosenquote ist trotz zum Teil guter Ausbildung überproportional hoch.

Und insbesondere für Kinder und Jugendliche mit kognitiven Einschränkungen fehlen zum Teil geeignete, individuelle Förderangebote.

Die Behindertenbeauftragten im Kreis und in den VGs bieten Betroffenen ihre Hilfe an und unterstützen sie gerne dabei, eine selbstbestimmte Lebensführung zu ermöglichen.

"Ein gefährlicher Rückschritt"

Christina Hartmer, Gleichstellungsbeauftragte des Kreises Bitburg-Prüm

Vielfalt und gesellschaftliche Teilhabe sind Grundpfeiler einer modernen, demokratischen Gesellschaft. Die Gleichstellung von Frauen und Männern ist in unserem Grundgesetz fest verankert – doch ist sie heute weltweit nirgends faktisch erreicht – auch nicht in Deutschland.

Frauen erfahren weiterhin Nachteile, sei es durch ungleiche Verteilung von Sorgearbeit und damit verknüpft eingeschränkte Karrierechancen, erhöhte Armutsrisiken, mangelnde politische Repräsentation oder geschlechtsspezifische Defizite in Forschung und medizinischer Versorgung. Häusliche Gewalt ist besonders für viele Frauen bitterer Alltag.

Besorgniserregend ist ein zunehmender Trend zum Antifeminismus und ein Erstarken populistischer Strömungen. Frauenrechte geraten wieder unter Druck, und insbesondere queere Menschen sind immer häufiger Anfeindungen und Gewalt ausgesetzt. Dieser Rückschritt gefährdet nicht nur individuelle Freiheiten, sondern auch den gesellschaftlichen Zusammenhalt.

Ich wünsche mir eine Abkehr vom Populismus hin zu faktenbasierten, respektvollen Diskussionen. Denn Gleichstellung ist kein „Nice-to-have“, sondern ein entscheidender Motor für eine gerechte, nachhaltige und wirtschaftlich erfolgreiche Gesellschaft. Studien zeigen: Alle profitieren davon— nicht nur Frauen oder queere Menschen!

Lassen Sie uns gemeinsam aktiv für eine Welt einstehen, in der alle Menschen gleiche Chancen und Rechte haben!

"Es bleibt noch viel zu tun"

Angelika Mohr, Gleichstellungsbeauftragte des Kreises Trier-Saarburg

Vielfalt ist eine Stärke – und gesellschaftliche Teilhabe der Schlüssel zu einem gelingenden Miteinander. Als Gleichstellungsbeauftragte erlebe ich im Kreis Trier-Saarburg täglich, wie wertvoll ein offenes Zusammenleben ist.

Besonders Frauen leisten einen unverzichtbaren Beitrag zur Gestaltung der Gesellschaft. Sie führen Unternehmen und sind in weiteren leitenden Positionen tätig, sie sind in der Arbeitswelt in allen hierarchischen Stufen und Bereichen zu finden. Sie kümmern sich um die Familie, bringen sich in Elternvertretungen ein, engagieren sich in der Pflege und in Vereinen.

Wir haben große Fortschritte in der Gleichstellung erreicht: Frauen sind sichtbarer und viele Barrieren wurden abgebaut. Doch bleibt noch viel zu tun.

Nach wie vor stoßen Frauen auf Hindernisse – sei es beim Zugang zu Führungspositionen, in der Vereinbarkeit von Familie und Beruf oder bei Anerkennung ihrer Leistungen. Ihre Stimmen fehlen oft dort, wo über Rahmenbedingungen entschieden wird – in kommunalen Gremien.

Veraltete Strukturen erschweren Frauen den Zugang zur Politik. Gleichstellung gelingt nicht von allein.

Ich setze mich dafür ein, Frauen gezielt zu fördern, Netzwerke zu stärken und Barrieren abzubauen. Für die Zukunft wünsche ich mir eine Gesellschaft, in der Vielfalt nicht erklärt werden muss – sondern selbstverständlich gelebt wird. Denn nur mit gleichberechtigter Teilhabe aller können wir die Herausforderungen unserer Zeit solidarisch meistern.

 

Hier geht es zu den Sonderausgaben zum Thema Vielfalt.


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