

Portraitfotografie – was heißt das? Jemanden ins rechte Licht rücken? »Ja«, sagt Sebastian Brüggemann. »Auch das. Aber in erster Linie heißt es, authentisch zu sein. Das gilt für den, der vor der Kamera steht, aber auch für den dahinter.«
Brüggemann ist Diplom-Designer, Fotograf und Produzent. Er erzählt visuelle Geschichten, die berühren, provozieren und im Gedächtnis bleiben. Sein Medium ist das Bild – sei es ein ausdrucksstarkes Portrait oder ein mitreißender Werbeclip, der eine Marke erlebbar macht. Vor sieben Jahren ist er von Köln nach Prüm gezogen – aus Liebe zu seinem Sohn. »Es war wohl die mutigste Entscheidung meines Lebens«, sinniert er. »Aber es war die richtige.« Bereut hat er sie nicht, denn Prüm bedeutete auch einen Neuanfang. »Heute habe ich hier einen Freundeskreis, den ich nicht mehr missen möchte.«
Beruflich etabliert hatte sich der mittlerweile 45-Jährige schon lange vorher. Köln war für den gebürtigen Ostwestfalen die Stadt, in der er seine künstlerischen Fähigkeiten als Fotograf und Producer entfalten und zudem auch seine »alte« Leidenschaft als Laiendarsteller in TV-Serien verwirklichen konnte – übrigens bis heute. Denn schon in frühester Jugend hatte ihn das Leben als Schauspieler geflasht, doch auf den Rat der Eltern hin hatte er sich für einen »bodenständigen« Beruf entschieden und an der FH Aachen Design mit Schwerpunkt Medien studiert. »Technisch war ich ohnehin gut aufgestellt«, sagt er. »Aber wenn man sich von der breiten Masse abheben will, ist die gestalterische Seite viel wichtiger«, begründet er seine damalige berufliche Entscheidung.
Seinen ersten Auftrag erhält er von der Produktionsfirma Docma-TV, die unter anderem »Wildes Wohnzimmer« für VOX produziert hat. Weitere TV-Postproduktionen für VOX folgen, ebenso für Sender wie Kabel1, NDR und SWR. Er kommt in Kontakt mit Altstar Frank Elstner, für dessen Naturdokumentationen er als Cutter verantwortlich ist, und unterstützt mit seiner Arbeit investigative Tierrechtler, die mit verdeckter Kamera Tierquälereien auf großen Halterbetrieben aufdecken. Seit dieser Zeit kämpft er gegen die Missstände der Massentierhaltung, ernährt sich vorwiegend vegetarisch. Mit gutem Beispiel will er vorangehen und dazu beitragen, seinem mittlerweile achtjährigen Sohn eine lebenswerte Welt zu erhalten.
16 Jahre TV-Produktion liegen hinter ihm. Eine seiner Stärken, die er aber in der Eifel nicht entsprechend ausleben kann. In den Vordergrund ist die Fotografie gerückt, auch weil das Zwischenmenschliche ihm immer wichtiger geworden ist. Den Menschen die Angst vor der Kamera zu nehmen, ihnen Spaß zu vermitteln und diesen unbeschwerten Augenblick einzufangen – das sieht er als seine vorrangige Aufgabe. »Gute Bilder sind keine Zufallsprodukte«, sagt Brüggemann. »Sie sind das Ergebnis von durchdachter Inszenierung, präziser Technik und einem Gespür für das, was Menschen bewegt.« Im positiven Sinn ist er ein Seelenfänger, der das Ergebnis mit der Kamera festhält.
Die Anforderungen an visuelle Kommunikation haben sich verändert. Wo früher klassische Werbung dominierte, geht es heute um Storytelling, Authentizität und Markenidentität. »Die klassische Stellenanzeige hat ausgedient. Wer Nachwuchs sucht, muss zeigen, wofür sein Unternehmen steht«, erklärt Brüggemann. »Videos, die das Arbeitsumfeld erlebbar und die Marke emotional greifbar machen, sind heute entscheidend.« Hier setze er an. »Die größte Chance liegt in der Möglichkeit, neue, innovative Formate zu entwickeln.«
Herausfordern, überraschen – das will Sebastian mit seiner Kunst. Wie ihm das gelingt? Er arbeitet mit Gegensätzen, scheut auch nicht die Provokation als Gestaltungselement, solange es der Aussage dient. »Eine alte Kaffeewerbung hat mich geprägt: Sie hatte einen Schockmoment, der seine Wirkung nicht verfehlt hat. Denn nichts ist langweiliger als belanglose Werbung«, bringt es Brüggemann auf den Punkt.
Und dann ist KI ein Thema. »Die Integration von Künstlicher Intelligenz in der Medienproduktion eröffnet völlig neue kreative Wege, birgt aber gleichzeitig auch das Risiko, dass ganze Berufsgruppen vom Aussterben bedroht sind«, befürchtet er. Mittlerweile dürfen Passbilder von Fotografen nur noch digital ans Amt übermittelt oder auch direkt auf dem Amt gemacht werden. Ein Schritt, der Manipulationen verhindern soll, aber auch das Geschäft von Fotografen gefährdet. »Viel Lärm um nichts«, meint Brüggemann. »Bisher ist meines Wissens nach lediglich ein Fall mit einem gemorphten Gesicht bekannt.«
Und wo sieht sich Sebastian Brüggemann in zehn Jahren? »Auf Mallorca«, antwortet er spontan. »Egal, wo ich bin – ich werde immer Geschichten erzählen. Und in zehn Jahren habe ich die Aufgabe, meinem Sohn, der in meinem Leben die absolute Priorität genießt, bis zur Volljährigkeit ein guter Begleiter zu sein, erfüllt.«
Text: Edith Billigmann


