Bad Breisig/ Koblenz. In Bad Breisig wurden im Oktober zwei Männer umgebracht und verbrannt. Ein Pärchen muss sich dafür ab Dienstag vor dem Landgericht verantworten. Recherchen des WochenSpiegel bringen nun neue Fakten ans Licht. So etwa, dass sich einer der Angeklagten offenbar einen Klinikurlaub in einem psychiatrischen Krankenhaus erschlichen hat. Drei Tage später soll er zum Mörder geworden sein. Spurensuche in einem unfassbaren Kriminalfall.
Von Mario Zender
Bad Breisig/Koblenz. Ein spektakuläres Verbrechen wird ab dem kommenden Dienstag vor der Schwurgerichtskammer des Landgerichts Koblenz verhandelt. Im Zentrum des Mordprozesses stehen zwei verbrannte Leichen, die im Oktober vergangenen Jahres am »Rodder Maar« entdeckt wurden. Angeklagt wegen gemeinschaftlichen Mordes in Tateinheit mit gemeinschaftlichem Raub mit Todesfolge in zwei Fällen (Az. 2030 Js 64511/24) sind Brigitte H. und ihr Lebensgefährte Mariusz P. – beide aus Bad Breisig. Das Paar, das sich in einer psychiatrischen Klinik kennengelernt hat, soll laut Anklage mit schockierender Brutalität vorgegangen sein und aus Habgier zwei Bekannte gezielt und geplant getötet haben.
Im Keller des Hauses der 51-jährigen Frau und ihrem 40-jährigen Freund in Bad Breisig sollen sie ihren Opfern mit einem Vorschlaghammer die Schädel zertrümmert haben. Anschließend sollen sie die Leichen zum »Rodder Maar« gebracht und dort verbrannt haben. Recherchen des WochenSpiegel bringen nun neue Details des Falles ans Licht – und werfen eine brisante Frage auf: Hätte der Doppelmord möglicherweise verhindert werden können, wenn Gutachter einer psychiatrischen Klinik sich nicht von dem Tatverdächtigen Mariusz P. hätten täuschen lassen?
Denn der 40-Jährige befand sich zum Tatzeitpunkt, so Informationen unserer Zeitung, auf einem genehmigten Ausgang aus der forensischen Klinik Klingenmünster – obwohl er dort nach einem Urteil wegen seiner Gewaltvergangenheit untergebracht war. Am 13. Oktober 2024 erhielt er einen 12-tägigen Urlaub – offiziell, um ein Berufspraktikum zu absolvieren. Doch in der Metallbaufirma, bei der er hätte erscheinen sollen, wurde er nie gesehen.
Offenbar kontrollierte die Klinik nicht, ob Mariusz P. das Praktikum tatsächlich antrat – oder ob er die Vollzugslockerung dreist missbrauchte. Jetzt stellen sich Freunde der Opfer die Frage: Haben Verantwortliche im Pfalzklinikum Klingenmünster versagt? Warum wurde dem Patienten überhaupt Urlaub gewährt? Nur drei Tage später soll Mariusz P. nämlich sein wahres Gesicht gezeigt haben. Sein erstes Opfer ist Hubert L. (61), ein ehemaliger IT-Experte der Technischen Universität Darmstadt. Brigitte H. hatte ihn bei einer Zugfahrt kennengelernt. Aus dieser Begegnung entwickelte sich eine Freundschaft. Hubert L. unterstützte Brigitte H. auch finanziell. Der 61-Jährige soll sich bei Brigitte H. großspurig als Nachfahre einer reichen Adelsfamilie ausgegeben haben. Die Geschichte war gelogen, geglaubt wurde es von der 51-Jährigen offenbar dennoch. Vermutlich hatte es die untersetze Frau und ihr Lebenspartner auf das angebliche Geld von Hubert L. abgesehen, so vermuten es die Ermittler.
Am 16. Oktober 2024 kam es dann zum Bruch der Freundschaft– und laut Anklage zur grausamen Tat. Die Staatsanwaltschaft erklärt: »Der männliche Angeschuldigte (Mariusz P. d. Red.) soll dem Geschädigten (Hubert L. d. Red.) zunächst mit einem Messer einen Stich in den Hals versetzt und ihm anschließend mit einem Hammer mindestens zwei Schläge gegen den Kopf zugefügt haben, die letztlich zum Tod führten.«
Nur drei Tage später, am 19. Oktober, soll das Paar einen weiteren Menschen ermordet haben: Das Opfer diesmal ist John B. (28), ein Handwerker aus dem Kreis Altenkirchen. Auch er, Vater eines Kindes, soll mit Hammerschlägen im Keller des Hauses in der Straße »Im Brinken 1« in Bad Breisig getötet worden sein. Ein Fall, der selbst erfahrene Ermittler erschüttert.
Der leitende Oberstaatsanwalt Mario Mannweiler spricht von einer besonders perfiden Tat: »Nach dem Ergebnis der Ermittlungen wurden die Taten mit hoher Brutalität und Heimtücke begangen. Die arglosen Opfer rechneten mit keinem Angriff und wurden überrascht. Das wesentliche Tatmotiv war vermutlich Habgier.«
Nach dem Mord sollen Brigitte H. und ihr Freund Mariusz P. am 19. Oktober 2024 die Leichen ihrer beiden zuvor getöteten Opfer in eine Transportkiste gepackt und mit dem silbernen Skoda Fabia des 28-jährigen Opfers John B. zum »Rodder Maar« gebracht haben. Die Kiste war laut Ermittlungen Teil einer zuvor gelieferten Haushaltsware.
Bei der Verladung der Kiste kam es offenbar zu einer heiklen Situation: Ein Nachbar, der mit seinem Hund vorbeiging, soll dem Duo Hilfe angeboten haben – was dieses ablehnte. Am rund 13 Kilometer entfernten »Rodder Maar« angekommen, setzten die Tatverdächtigen die Kiste laut Staatsanwaltschaft in Brand – mutmaßlich, um Spuren zu vernichten. Am nächsten Tag, Sonntag, 20. Oktober letzten Jahres, entdeckten Spaziergänger die Brandstelle und informierten die Polizei.
Die Rechtsmedizin stellte später bei der Obduktion fest, dass die Leiche von Opfer Hubert L. vollständig, die von John B. nur teilweise verbrannt war.
Zunächst war unklar, um wen es sich bei den Opfern handelte. Nachdem eine Angehörige John B. als vermisst gemeldet hatte, rückte er in den Fokus der Ermittlungen. Er hatte zuvor Renovierungsarbeiten im stark sanierungsbedürftigen Haus von Brigitte H. in Bad Breisig übernommen – im Gegenzug sollte ihm dort eine Wohnung überlassen werden, was sogar notariell vereinbart war. Wie die Ermittlungen ergaben, kam es jedoch zum Streit über diese Vereinbarung.
Ein Streit, der tödlich endete.
Als sich die Ermittler außen am Haus in der Straße »Im Brinken 1« umschauten, stießen sie an der weißen Kunststoff-Kellertür auf Blutspuren. Diese sind bis heute, rund sieben Monate nach der Tat, noch sichtbar und mit Markierungen der Spurensicherung versehen.
Am 23. Oktober 2024, vier Tage nach dem mutmaßlichen zweiten Mord, klickten für Brigitte H. und Ihren Lebensgefährten die Handschellen. Seitdem sitzt das mutmaßliche Mörderpärchen in Untersuchungshaft. Während Brigitte H. die Tatvorwürfe bestreitet, schweigt Mariusz P. bislang eisern.
Beide Beschuldigten sind für die Ermittler übrigens keine unbeschriebenen Blätter.
Nach Recherchen des WochenSpiegel ist Brigitte H. wegen Eigentumsdelikten und Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz vorbestraft. Ihr Lebensgefährte Mariusz P. wurde am 14. Mai 2021, nach Informationen des WochenSpiegel, unter anderem wegen Körperverletzung in zwei Fällen, Sachbeschädigung und schwerer Brandstiftung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt.
Darüber hinaus wurde aufgrund einer im symptomatischen Zusammenhang mit den Taten stehenden Alkoholabhängigkeit die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt gemäß Paragraf 64 Strafgesetzbuch angeordnet. Mariusz P. soll sich zuletzt in der psychiatrischen Klinik Klingenmünster – bis zu seiner folgenschweren Beurlaubung am 13. Oktober 2024 – befunden haben.
Die Staatsanwaltschaft Koblenz bestätigte auf Anfrage die entsprechenden Recherchen des WochenSpiegel. Oberstaatsanwalt Thomas Büttinghaus erklärte: »Die angeordnete Unterbringung wurde zum Zeitpunkt der Festnahme des Angeklagten noch vollzogen. Dem Angeklagten wurden jedoch im Rahmen der Wiedereingliederung sukzessive Vollzugslockerungen gewährt – zuletzt am 13. Oktober 2024 in Form einer Beurlaubung für ein Berufspraktikum –, so dass er sich zur mutmaßlichen Tatzeit am 16. und 19. Oktober 2024 außerhalb der geschlossenen Einrichtung befunden hatte.«
Drei Tage nach seiner Freistellung für das angebliche Praktikum soll Mariusz P. seinem ersten Opfer mit einem Hammer den Schädel zertrümmert haben…
Was die Verantwortlichen des Pfalzklinikums in Klingenmünster zu dem Fall sagt erfahren lesen Sie
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