Von wegen Laptop und Handy: Kinder weisen Erwachsenen den Weg zurück zu dem, was wirklich wichtig ist im Leben
»Denkt euch, ich habe das Christkind gesehen…« beginnt das schöne alte Weihnachtsgedicht von Anna Anna Ritter (1865-1921). Wir haben es nicht gesehen, das Christkind, aber: Wir durften mit ihm sprechen.
Genau wie die vielen Kinder, die in der Adventszeit am Rande der Krippenausstellung in Graach mit ihm telefonieren durften. Was sich Kinder im Jahr 2016 wünschen, wollten wir ursprünglich wissen. Über unsere profane Neugier hinaus entspann sich ein tiefschürfendes Gespräch, das weit über die Geschenke für den Heiligen Abend hinausging.
»Manchmal wünschen sich Kinder einfach nur einen Tannenbaum«, erzählt das Graacher Christkind mit sanfter Stimme, »wenn die eigenen Eltern zum Beispiel kein Weihnachten feiern.« Ja, das gibt es tatsächlich, so wie es Hunger und Krieg und Tsunamis gibt und Elternhäuser, in denen übers Jahr mehr gestritten wird als irgendetwas sonst.
Auch dies ist ein häufig geäußerter Wunsch von Kindern im Jahr 2016: dass Mama und Papa endlich aufhören zu streiten. Sie haben Sehnsucht nach Ruhe, nach Frieden, nach liebevoller Gemeinsamkeit. Von wegen Gebimmel und Elektronik, von wegen Laptop und Handy. Das Graacher Christkind weiß es besser: »In diesem Jahr habe ich kein einziges elektronisches Gerät auf den Wunschzettel geschrieben.«
Liederschall über Graach
Die fast grenzenlose Offenheit der Kinder überwältige immer wieder. Einmal bekannte ein Junge ehrlich, dass er gar nicht ans Christkind glaube. »Musst du auch nicht«, hörte er da zu seinem Erstaunen. »Aber ich«, sagte das Christkind, »ich weiß immer am Heiligen Abend, wenn die Weihnachtslieder aus den Weinbergen über Graach schallen, dass es da ist.«
Im übernächsten Jahr (Das Graacher Christkind nimmt alle zwei Jahre Kinderwünsche entgegen, d. Red) war der Junge wieder da. »Jetzt weiß ich, dass du Recht hattest.« Die Familie, die eigentlich ganz woanders lebt, war mit ihm extra nach Graach gefahren, um diese Musik zu erleben. Manchmal werden Wünsche wahr, ob einer nun ans Christkind glaubt oder nicht.
Bei den Spielsachen seien in diesem Jahr Lego und Playmobil der Renner gewesen. Bei Mädchen wie bei Jungs. »Sie möchten halt richtig spielen, wie eh und je.« Es ist weniger der Besitz, der zählt, es ist vielmehr die Qualität gemeinsam verbrachter Zeit. Kinder scheinen das noch sehr genau zu wissen. In der Erwachsenenwelt wird meist nur noch darüber lamentiert.
Frieden für die ganze Welt
Nicht so in der Welt des Graacher Christkinds. Es war einmal beschäftigt bei einem großen Telefonkonzern in Köln und hat dort auf der Schildergasse sein Handwerk erlernt. »Im Akkord« hat es hier alljährlich in der Vorweihnachtszeit Wünsche entgegen genommen. »Dagegen ist meine Arbeit in Graach regelrecht geruhsam.« Dann hat es die Vorruhestandsregelung in Anspruch genommen, ist an die Mosel gezogen und hat gemeinsam mit seinem Mann das Graacher Frühmesserhaus renoviert.
Hier lebt es jetzt, genießt die Tage, hat endlich Trompete spielen gelernt, frühstückt spät, und schenkt den eigenen Kindern und Enkelkindern - Zeit. Auch das Christkind selbst hat Wünsche. Genau genommen hat es zwei, und sie sind ebenso elementar wie die vieler Mädchen und Jungen. Es wünscht sich: »Gesundheit für alle, die um mich sind, und Frieden für die ganze Welt.« pug Foto:Archiv
Anna Ritter (1865-1921)
Denkt euch, ich habe das Christkind gesehen!
Es kam aus dem Walde, das Mützchen voll Schnee,
mit rotgefrorenem Näschen.
Die kleinen Hände taten ihm weh,
denn es trug einen Sack, der war gar schwer,
schleppte und polterte hinter ihm her.
Was drin war, möchtet ihr wissen?
Ihre Naseweise, ihr Schelmenpack -
denkt ihr, er wäre offen der Sack?
Zugebunden bis oben hin!
Doch war gewiss etwas Schönes drin!
Es roch so nach Äpfeln und Nüssen!