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Farben im Kopf

"In der Kunst finden alle ihren Raum". In Wittlich startet ein neues Projekt für an Demenz erkrankte Menschen.

Das Grün hat es Maria besonders angetan: die Farbe ist so sanft, beruhigend und doch kraftvoll. Was war denn da noch gleich? Maria hat es längst vergessen. Seit sie dement ist, lebt sie in ihrer ganz eigenen Welt. Mit Holzstiften gestaltet die 65-Jährige unregelmäßige Kreise auf ihrem Blatt. Große und Kleine. Maria fühlt sich wohl, geht ganz in ihrer Beschäftigung auf, hat nur die Farben im Kopf. Sind Glücksgefühle grün. .?

Die Frage, ob Kunst bei einer Demenz-Erkrankung helfen kann, beantworten Fachleute übereinstimmend mit "Ja!" Denn kreatives Schaffen und künstlerische Werke wecken Emotionen und Erinnerungen - auch bei Menschen, die mit "Kunst" nichts zu tun hatten oder haben. Das bestätigt auch Silke Kruse, Künstlerin und Leiterin eines neuen Kreativangebotes für demenzkranke Menschen, das Ende Mai in Wittlich startet und gemeinsam mit Ulrike Jung-Ristic, Mitarbeiterin der Beratungs- und Koordinierungsstelle/Schwerpunkt Demenz auf den Weg gebracht wurde. "Mit den Händen etwas zu machen, tut Menschen mit Demenz sehr gut. Wenn sich die Hände mit etwas befassen, bewegt sich auch der Geist," sagt Silke Kruse. Bei der bildnerischen Arbeit mit demenziell veränderten Menschen dauere es zwar in der Regel eine Weile, bis sie aktiv würden. "Aber wenn sie einmal anfangen, bleiben sie dabei, obwohl es etwas ganz Neues für sie ist." Kreatives Schaffen und künstlerische Werke wecken Emotionen und Erinnerungen. Auf dieses Potenzial greift Silke Kruse auch in ihrer Arbeit mit Demenzpatienten zurück.

Wir haben mit der Künstlerin gesprochen:

Wochenspiegel: Im Nachbar-Landkreis Cochem-Zell wurde das Kreativ-Angebot "Bildnerisches Tun mit Menschen mit Demenz" bereits durchgeführt. Welche Erfahrungen haben Sie gemacht?

Silke Kruse: "Wir hatten kurze Workshops in einigen Altenheimen und auch bei der Tagespflege in Wittlich.Die Menschen sind sehr dankbar für jede Abwechslung und Anregung. Gerade im bildnerischen Bereich kann man mit Demenzkranken viel machen, weil die Beschäftigung damit weitgehend selbsterklärend sein kann. Ein schöner, ästhetischer Anblick, ein entspanntes Umfeld und das eigene Tun mit angenehmen Materialien bringen die Menschen in eine positive Stimmung. Auch das Gefühl, etwas mit den eigenen Händen gemacht zu haben, ist für sie etwas sehr Befriedigendes. Bemerkenswert finde ich auch, dass sich die meisten auf diesem Gebiet sehr gut für 1,5 bis 2 Stunden konzentrieren können. Und sie vergessen es nicht so schnell, selbst, wenn 14 Tage dazwischen liegen. Besonders schön: Die meisten lassen sich darauf ein, auch wenn sie keine Übung haben."

Was ist für Sie das Besondere an der Arbeit mit demenzkranken Menschen?

"Es ist immer wieder faszinierend zu beobachten, wie Menschen mit kognitiven Einschränkungen, die noch dazu meistens in ihrem langen Leben gar nichts mit bildnerischer Gestaltung zu tun hatten, einen "Draht" dazu finden, wenn man ihnen dabei hilft, sie dazu ermuntert und ihnen den (geistigen) Raum dazu gibt. Das zeigt mir, dass es etwas elementar Menschliches ist, das vielleicht in allen Menschen mehr oder weniger drinsteckt, eine sehr tiefe Schicht berührt und nie wirklich verloren geht. Das bewusst zu machen und zu fördern sehe ich als meine Aufgabe an."

Was erhoffen Sie sich von dem neuen Projekt in Wittlich und was kann Kunst bei demenziell erkrankten Menschen bewirken?

"Demenzkranke sind in ihren Gefühlen und Sinnen meistens noch sehr präsent. Zum Beispiel reagieren demenziell veränderte Menschen (und nicht nur die) sehr positiv auf intensive Farben. Diese werden eine wichtige Rolle in dem Kurs spielen. Ebenso ist das Spüren mit den Händen etwas ganz Elementares. Auch fortgeschritten Demenzkranke sind noch erreichbar, wenn sie etwas mit den Händen machen können. Diese Aktivierungen können auch noch über den Nachmittag hinaus fortwirken. Ich habe auch schon erlebt, dass Menschen, die ihr Gedächtnis weitgehend verloren hatten, sich nach Wochen an einen Nachmittag mit bildnerischem Gestalten erinnerten. In der Kunst können alle einen Raum finden. Es bedarf keiner besonderen Voraussetzungen, denn den Zugang zu Bildern findet man über die Sinne und Gefühle, nicht über den Verstand."

 An wen genau richtet sich das neue Kursangebot und welche "Minimal-Fähigkeiten" müssen Teilnehmende mitbringen?

"Das Angebot ist ausschließlich für dementiell veränderte Menschen mit oder ohne Begleitung von Angehörigen. Es werden keinerlei Kenntnisse oder Begabungen im bildnerisch-künstlerischen Bereich vorausgesetzt. Wenn die Mobilität nicht mehr gegeben ist, bitten wir um Begleitung von Angehörigen. Es kommt auch nicht auf ein bestimmtes Ergebnis an. Thema des Kurses ist der Prozess des Machens. Die Menschen gestalten so wie sie können, das kann auch auf einer ganz elementaren Ebene sein wie z.B. Papier reißen oder einfach nur verschiedenes Material fühlen. Wir werden mit Papiercollagen anfangen. Wie der Kurs weitergeht, richtet sich individuell nach den Menschen selbst. Stifte und Farben werden zum Einsatz kommen, eventuell auch plastische Materialien."

 Interview: Stephanie Baumann

Info & Anmeldung

  • Kursbeginn: Mi., 31. Mai 14 bis 16 Uhr, in der Caritas-Begegnungsstätte Wittlich, Kasernenstr. 37
  • Anmeldung ist erforderlich bei Ulrike Jung-Ristic, Beko Demenz, Caritas-Außenstelle Bernkastel-Kues, Tel. 06571 / 9155-13, oder 0 65 31 / 500-2987 E-Mail: u.jung-ristic@caritas-meh.de
  • Der Kurs-Einstieg ist jederzeit möglich.

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