Geheimtreffen um Klinik-Fusion
Von Mario Zender
Wir sehen drei Männer, die sich vor der Kreisverwaltung in Cochem unterhalten. Sie kommen gerade von einem vertraulichen Treffen bei Landrat Manfred Schnur über das absolutes Stillschweigen vereinbart wurde. Der eine ist Manfred Sunderhaus, Chef der Katharina Kasper Holding aus Dernbach. Er leitet Krankenhäuser, Altenheime und Pflegeeinrichtungen in über 130 Standorten mit mehr als 6.000 Mitarbeitern. Eines davon ist das finanziell angeschlagene Zeller Krankenhaus. Auf dem Foto spricht er gerade mit dem Zeller VG-Bürgermeister Karl-Heinz Simon und dessen Büroleiter Andreas Schorn. Die drei Herren hatten zuvor gemeinsam mit Landrat Schnur, den Managern der Mariengruppe, Erhard Böttcher und Thomas Wagner sowie VG-Bürgermeister Wolfgang Lambertz und Juristen der Kreisverwaltung zusammengesessen, um Unterstützung für die beiden Krankenhäuser zu finden.
Nach internen Unterlagen, die dem Wochenspiegel vorliegen, sieht die finanzielle Situation der beiden Krankenhäuser bedrohlich aus. Zitat aus einem vertraulichen Dokument, das von den Krankenhaus-Chefs Wagner und Sunderhaus unterzeichnet ist: "Somit wird sich für beide Häuser in den nächsten Wochen die bereits bestehende finanzielle Unterdeckung existenzgefährdend verschärfen."
Zu der prekären Lage hätten demnach verschiedene Faktoren geführt - unter anderem gesetzliche Vorgaben sowie umfangreiche Prüfungen der Leistungen der Krankenhäuser durch den medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK). Dieser würde bis zu 40 Prozent aller Fälle einer Fachabteilung prüfen, die dann "nicht, nur teilweise oder deutlich verzögert von den Krankenkassen vergütet" würden.
Bis zu fünf Millionen Euro Defizit
Zitat aus dem vertraulichen Papier der beiden Krankenhäuser: "All diese Entwicklungen haben dazu geführt, dass die beiden Träger über Jahre hinweg ein Defizit von jeweils 1,5 bis fünf Millionen Euro nur für die Grundversorgung in unserer Region aufgefangen haben."
Unter anderem wegen dieses Umstandes habe die Katarina Kasper Viasalus GmbH, die Trägerin des Zeller Krankenhauses, letztendlich im Januar 2019 Insolvenz angemeldet. Zitat aus den internen Unterlagen des Krankenhauses: "Die Marienkrankenhaus Cochem GmbH steht vor den gleichen Herausforderungen." Dieser Zustand soll nun mithilfe der Kommunen verbessert werden. Deshalb sind die beiden Häuser an Landrat Schnur herangetreten und hätten dort, so WochenSpiegel-Informationen, um Unterstützung beziehungsweise Bereitstellung von finanziellen Mitteln bis hin zu einer Beteiligung an den Krankenhäusern gebeten.
Sind die Krankenhäuser noch zu retten?
Dass sich die Krankenhäuser in Cochem und Zell in einer angespannten finanziellen Situation befinden, ist seit langem bekannt. Grund dafür sind offenbar die von der Politik eingeführten Fallpauschalen. Diese sehen vor, dass Leistungen pro Fall von den Krankenkassen bezahlt werden. Das bedeutet konkret: Viele Fälle (Patienten), viel Geld, wenige Fälle, geringere Einnahmen.
Die geringe Einwohnerzahl in unserer ländlichen Region sorgt seit Jahren dafür, dass die Lage der Kliniken angespannt ist. Die Krankenkassen, so geht es aus einem internen Papier der beiden Krankenhäuser hervor, sind demnach jedoch noch uneins über die Höhe eines Sicherstellungszuschlages, der an die Krankenhäuser gezahlt werden soll. Die Krankenkassen vermuteten offenbar ein dauerhaftes Defizit in den beiden Krankenhäusern. Und es sei nicht die Aufgabe der Kassen, dauerhafte Verluste zu finanzieren.
Zu diesen Problemen kommen die Folgen des Corona-Virus. In dem internen Papier der beiden Krankenhäuser steht dazu: "Nunmehr müssen darüber hinaus auch noch die Folgen des Corona-Virus bewältigt werden. Unmittelbare Folgen sind deutlich erhöhte Personal- und Materialkosten bei gleichzeitig behördlich geforderten Leistungsstillstand in der planbaren stationären Versorgung."
Bei der Besprechung von Krankenhaus-Managern und Landrat Schnur sowie den Bürgermeistern Simon und Lambertz wurden Denkmodelle besprochen. Landrat Schnur und der Zeller VG-Bürgermeister Simon sollen offenbar von einem Einstieg in eine Betreibergesellschaft überzeugt sein. Cochems VG-Bürgermeister Lambertz zeigte sich bei dem Treffen - nach Angaben von Teilnehmern - offenbar deutlich zurückhaltender.
Bis zur nächsten Sitzung soll nun ein Entwurf eines Gesellschafter-Vertrages ausgearbeitet werden. Dieser soll von der Kreisverwaltung erstellt werden. Die Vertreter der Krankenhäuser haben, so WochenSpiegel-Informationen, unterdessen auf die Unterzeichnung einer Vertraulichkeitserklärung der Beteiligten bestanden. Darüber soll beim nächsten Treffen beraten werden.
KOMMENTAR
Kostspieliger "Patient"
Von Mario Zender
Die Krankenhäuser Cochem und Zell haben enorme finanzielle Schwierigkeiten. Jetzt will die Cochem-Zeller Politik helfen. Was grundsätzlich richtig ist: nämlich kleine Krankenhäuser zu erhalten. Ob es jedoch richtig ist, sich als Landkreis oder Verbandsgemeinde an Krankenhäusern zu beteiligen, ist die andere Frage. Denn eine Beteiligung der kommunalen Hand ist ein finanzielles Risiko, ohne abschätzen zu können, wie viele Millionen in den nächsten Jahren nachgeschossen werden müssen. Wenn es hochbezahlte und erfahrene Klinikmanager nicht schaffen, das Cochemer oder das Zeller Krankenhaus in schwarze Zahlen zu bringen, schaffen das vermutlich auch Landrat Schnur und auch die Bürgermeister Simon oder Lambertz nicht. Die aktuell geführten, streng vertraulichen Gespräche von einigen Politikern sowie Krankenhausmanagern dürfen nicht dazu führen, in einer Hau-Ruck-Aktion eine Beteiligung einzufädeln. Es muss vielmehr versucht werden, neue Träger oder Konzepte zu finden, die die Krankenhäuser mit Fachwissen, Synergien und medizinischem Know-how wieder auf die Spur bringen. Dass die beiden Krankenhäuser fusionieren wollen, ist sicher ein erster Schritt. Doch diesem Schritt müssen weitere folgen. Unterstützt von der kommunalen Hand, aber ohne einen Einstieg der Kommune.
@Mail an den Autor: mzender@weiss-verlag.de
EXTRA
Das sagen die Beteiligten auf Anfrage
Kreisverwaltung Cochem-Zell:
Die wirtschaftliche Lage vieler Krankenhäuser, insbesondere von kleineren Häusern in ländlichen Regionen, ist sehr angespannt. Das hat gerade auch das Insolvenzverfahren für das Krankenhaus am Standort in Zell gezeigt. Dabei hat sich gerade in Zell der Wunsch nach einer wohnortnahen medizinischen Versorgung der Bürgerinnen und Bürger ausdrucksvoll gezeigt. Dabei wurden auch auf Transparenten oder durch verschiedene verbale Äußerungen die Forderungen nach einer kommunalen Lösung erhoben.
Hier hat beispielsweise die Verbandsgemeinde Zell bereits ihr Engagement gezeigt. Bereits in der öffentlichen Kreistagssitzung vom 25. März 2019 hat der Kreistag die Verwaltung ermächtigt, zusammen mit den Verbandsgemeinden, ein Entwicklungskonzept zur Sicherung der medizinischen Grundversorgung und der ambulanten und stationären Versorgung für den Landkreis zu entwickeln.
Stefan Mattes, Leiter Unternehmenskommunikation Katharina Kasper Gruppe:
Es finden bilaterale Gespräche bezüglich einer Abstimmung und Weiterentwicklung des Leistungsportfolios der beiden Häuser statt, um den gemeinsamen Versorgungsauftrag für die Patientinnen und Patienten für den Kreis Cochem-Zell bestmöglich erfüllen zu können. Bereits während der Insolvenz des Trägers, der Katharina Kasper ViaSalus GmbH, hat das Klinikum Mittelmosel große Unterstützung aus der Landes- sowie aus der Lokalpolitik erfahren. Die vorrangige Bestrebung der Geschäftsführung ist es, den Standort durch ein tragfähiges Zukunftskonzept zu sichern.
Bürgermeister Karl-Heinz Simon:
Dass wir hinter unserem Krankenhaus stehen, ist nichts Neues. Das habe ich öffentlich immer wieder erklärt. Die Lage für alle Krankenhäuser ist aktuell schwierig. Dennoch brauchen wir unsere beiden Krankenhäuser.Allerdings sind die Möglichkeiten der Verbandsgemeinde begrenzt. Deshalb müssen wir sehr genau schauen, wie eine Unterstützung aussehen kann.
VG-Bürgermeister Wolfgang Lambertz:
Das Cochemer und das Zeller Krankenhaus sind wichtige Institutionen für unsere Bürgerinnen und Bürger, die wir unbedingt erhalten müssen. Die finanziellen Möglichkeiten der Verbandsgemeinde Cochem sind in diesem Zusammenhang aber begrenzt.Ich fände es am Sinnvollsten, wenn von Seiten der Krankenhäuser ein intensiverer Austausch oder eine Zusammenarbeit stattfinden würden, die zu Synergien und Kosten führen könnte, um so den Fortbestand zu sichern.
Der Krankenhausträger des Marienkrankenhauses Cochem ließ eine Anfrage unserer Zeitung bis Redaktionsschluss unbeantwortet.