fs

»Viele Jugendliche suchen ihre Chance«

Lockdown und Flutkatastrophe prägen den Ausbildungsstellenmarkt 2021 im Kreis Eus­kirchen. Trotz gesunkener Bewerberzahlen konnten rund 85 Prozent der gemeldeten betrieblichen Ausbildungsstellen mit passenden Bewerbern besetzt werden.
Anja Daub (v.li., Agentur für Arbeit Brühl), Uwe Günther (Kreishandwerkerschaft Rureifel), Georg Stoffels (Handwerkskammer Aachen) und Waltraud Gräfen (Industrie- und Handelskammer Aachen)  zogen gemeinsam Bilanz zum Ausbildungsstellenmarkt 2021. Foto: Scholl

Anja Daub (v.li., Agentur für Arbeit Brühl), Uwe Günther (Kreishandwerkerschaft Rureifel), Georg Stoffels (Handwerkskammer Aachen) und Waltraud Gräfen (Industrie- und Handelskammer Aachen) zogen gemeinsam Bilanz zum Ausbildungsstellenmarkt 2021. Foto: Scholl

Gemeinsam mit Waltraud Gräfen, Industrie- und Handelskammer Aachen, Georg Stoffels, Handwerkskammer Aachen sowie Uwe Günther von der Kreishandwerkerschaft Rureifel stellte Anja Daub, operative Geschäftsführerin der Agentur für Arbeit Brühl, die Jahresbilanz der Aktivitäten auf dem Ausbildungsmarkt im Beratungsjahres 2020/2021 für den Kreis Euskirchen vor.

182 Bewerber weniger als im Vorjahr

Für den Zeitraum vom 1. Oktober 2020 bis 30. September 2021 wurden im Kreis Euskirchen 917 Bewerber registriert, 182 oder 16,6 Prozent weniger als im vergangenen Jahr. Dem gegenüber standen der Arbeitsagentur 710 Ausbildungsstellen im Kreis Euskirchen zur Vermittlung zur Verfügung, dies sind 126 oder 15,1 Prozent weniger als im letzten Jahr. »Der Ausbildungsmarkt im Kreis Eus­kirchen war im Frühjahr und Frühsommer noch von allgemeinen Einschränkungen und wirtschaftlichen Unwägbarkeiten aufgrund des mehrmonatigen Lockdowns seit Dezember 2020 geprägt. Insgesamt haben sich im Laufe des Beratungsjahres damit weniger junge Menschen bei uns gemeldet als das üblich ist, weil die gewohnten Zugangswege – die Schulen waren über einen langen Zeitraum geschlossen - beeinträchtigt waren. Im Juli traf dann die Hochwasserkatastrophe viele Unternehmen im Kreis mit voller Wucht.  In dieser Zeit wurden von den Unternehmen auch weniger Ausbildungsstellen gemeldet«, erklärt Anja Daub.
Trotzdem konnten rund 85 Prozent der gemeldeten betrieblichen Ausbildungsstellen in diesem Jahr mit passenden Bewerbern besetzt werden, 393 der 917 jungen Bewerberinnen und Bewerber aus dem Kreis Euskirchen konnten im Berichtsjahr eine ungeförderte betriebliche Ausbildung beginnen. Insgesamt 114 junge Menschen haben sich für eine weiterführende Schule, Studium oder ein Praktikum entschieden und 83 nahmen von einer Berufsausbildung Abstand und begannen eine Erwerbstätigkeit. Unter den Top 10 der Ausbildungsstellen waren im Kreis Euskirchen vor allem die Stellen im Einzelhandel oder Verkauf, hier wurden insgesamt 103 Auszubildende gesucht. Darauf folgte das Angebot der Ausbildung zum/zur Fachkraft Lagerlogistik mit 33 Stellen. Viele Angebote gab es auch für Ausbildungsplätze zum/zur Kaufmann/frau für Büromanagement, Zahnmedizinische/r Fachangestellte/r, Handelsfachwirt/in, Maschinen- und Anlagenführer/in, Verwaltungsfachangestellte/r als auch für den Elektroniker/in für Betriebstechnik. Auch von den Bewerberinnen und Bewerbern wurden vorrangig viele dieser Berufe gesucht. Wobei bei den männlichen Bewerbern weiterhin der Kfz-Mechatroniker oder auch Verkäufer und bei den jungen Frauen die Kauffrau für Büromanagement oder die Medizinische Fachangestellte hoch im Kurs standen.

104 Ausbildungsstellen noch unbesetzt

In vielen Fällen hätten Angebot und Nachfrage zusammengepasst, dennoch seien 104 Ausbildungsstellen unbesetzt und 48 Bewerber fanden bis Ende September keine passende Ausbildungsstelle. »Durch die allgemeinen Einschränkungen aufgrund des Lockdowns haben wir im Vermittlungsprozess viel Zeit verloren. Daher setzen wir jetzt verstärkt auf die bereits angelaufenen Nachvermittlungsaktionen. Es gibt nach wie vor noch viele Jugendliche, die eine Chance suchen und auch verdienen. Und auch zahlreiche Unternehmen suchen händeringend nach passenden Bewerberinnen und Bewerbern. Leider decken sich die Erwartungen und Anforderungen der Betriebe auf der einen und die Wunschvorstellungen der Jugendlichen auf der anderen Seite sehr oft nicht, so dass der rechnerisch einfache Ausgleich nicht funktioniert«, so die Ausbildungsmarkt-Expertin.
Anja Daub ist davon überzeugt, dass es sich für die Betriebe lohnt, auf Vielfalt und Toleranz bei der Azubi-Gewinnung zu setzen. Dabei können die Unternehmen auf die Unterstützung der Arbeitsagentur setzen. »Ich kann nur dafür werben, auch Jugendlichen eine Chance zu geben, die keine optimalen Startvoraussetzungen mitbringen, denn auch die auf den ersten Blick nicht so gut geeignet erscheinenden Bewerberinnen und Bewerber können sich zu hervorragenden Fachkräften entwickeln. Es lohnt sich, dies herauszufinden und die Arbeitsagentur unterstützt dies mit einem großen Portfolio an Unterstützungsmöglichkeiten«.

Persönlicher Kontakt ist viel wert

Dass mittlerweile wieder persönliche Beratungsgespräche möglich sind, erleichtert alle Beteiligten. »Durch die Pandemie gab es weniger Messen, wir waren weniger in den Schulen und es gab kaum Praktikumsplätze«, erklärt Waltraud Gräfen von der IHK. »Der persönliche Kontakt ist einfach etwas anderes und wir sind froh, dass wir wieder Gespräche von Angesicht zu Angesicht führen können«, sagt Gräfen. Dem stimmt auch Anja Daub zu: »Ich freue mich, dass wir inzwischen wieder Gespräche an den Schulen führen können und wieder die jungen Menschen in die Arbeitsagentur einladen. Aber trotzdem bin ich weiter auch großer Fan unserer digitalen Angebote, die wir während der Krise weiter ausgebaut haben«.
Weniger mit den Auswirkungen der Pandemie hatte offenbar das Handwerk zu kämpfen. »Wir konnten die ‚Corona-Delle‘ aus 2020 ausbeulen, sagt Georg Stoffels  Geschäftsführer für Recht und Berufsbildung bei der Handwerkskammer Aachen. Volle Auftragsbücher hätten sogar zu extremen Zuwächsen in manchen Branchen wie beispielsweise im Bau- und Ausbau sowie dem Elektro- und Metallhandwerk geführt. Das gelte jedoch nicht für die körpernahen Dienstleistungen. »Dass nur drei Friseure in diesem Jahr eine Ausbildung im Kreis Euskirchen begonnen haben ist sicher auf den Lockdown und die Flutkatastrophe zurückzuführen«, sagt Uwe Günther von der Kreishandwerkerschaft.


Meistgelesen