Frederik Scholl

»Wir würden es jederzeit wieder tun«

Kreis. Für ihre herausragenden Taten während der Flutkatastrophe wurden auch Menschen aus dem Kreis Euskirchen mit der Rettungsmedaille des Landes ausgezeichnet

18 Menschen aus Nordrhein-Westfalen sind vergangene Woche für ihre herausragenden Taten während der Flutkatastrophe mit der Rettungsmedaille des Landes ausgezeichnet worden. Darunter waren auch einige Retter aus dem Kreis Euskirchen. »Am 14. und 15. Juli jährt sich die verheerende Hochwasserkatastrophe, bei der in Nordrhein-Westfalen 49 Menschen ihr Leben verloren haben, zum zweiten Mal. Die Flut im Juli 2021 hat viele Menschen in unserem Land hart getroffen, unbeschreibliches Leid verursacht und ein gewaltiges Ausmaß der Zerstörung hinterlassen«, sagte Ministerpräsident Hendrik Wüst anlässlich der Verleihung der Rettungsmedaille des Landes Nordrhein-Westfalen. Stellvertretend für viele andere erhielten 18 Menschen, die in der Flut ihr eigenes Leben riskiert und das ihrer Mitmenschen gerettet haben, diese Auszeichnung.

»Im Vorfeld des zweiten Jahrestages kommen viele Erinnerungen an die Flut hoch, die bis heute schwer zu verarbeiten sind. Zugleich erinnern wir uns aber auch an die überwältigende Solidarität, die nach der Katastrophe überall im Land zu sehen und zu spüren war. Und wir erinnern uns an den mutigen Einsatz vieler Menschen, die inmitten der Katastrophe über sich hinausgewachsen sind und ihre Mitmenschen aus Notlagen befreit haben«, erklärte er Ministerpräsident. Auch einige Menschen aus dem Kreis Euskirchen seien während der Flutkatastrophe »über sich hinaus gewachsen« und wurden jetzt dafür geehrt.

Darunter waren Sascha Shah und Tobias Engels aus Zülpich. Sie und die Euskirchener Niklas Roggendorf und Alexander Schmidt retteten mehreren Menschen während der Hochwasserkatastrophe das Leben. 11 Menschen aus Bus gerettet In der Unterführung der L194 in Euskirchen, in Höhe der Zuckerfabrik, war ein Reisebus mit elf Insassen in den Wassermassen stecken geblieben. Die Menschen im Bus waren zuvor aus Schweinheim und Flamersheim evakuiert worden und waren auf dem Weg in eine Notunterkunft in Weilerswist. Schwimmend oder im tiefen Wasser watend hatten die vier Männer die Businsassen und die Insassen eines Pick-ups aus den Fluten in Sicherheit gebracht. »Natürlich haben wir uns über die Ehrung gefreut, aber wir haben das ja nicht getan um eine Medaille zu bekommen. Für uns war es selbstverständlich die Menschen aus dieser Situation zu retten und wir würden es jederzeit wieder tun«, sind sich Sascha Shah und Tobias Engels einig und sprechen damit sicherlich auch für viele andere Retter. Offen tragen möchten die beiden die Rettungsmedaille allerdings nicht, auch wenn der Ministerpräsident sie dazu ermutigt habe. »Das ist nicht mein Ding«, sagt Shah und Engels stimmt ihm zu.

Die zuvor bereits genannte Evakuierung aus den Orten Schweinheim, Flamersheim und Palmersheim war notwendig geworden, weil die oberhalb dieser Orte gelegenen Steinbachtalsperre zu brechen drohte. Auch an der Staumauer der Talsperre spielten sich damals dramatische Szenen ab. Wolf-Christian Lorenz aus Bad Münstereifel ist einer der drei Männer, die am 15. Juli 2021 maßgeblich dazu beigetragen, die drohende Katastrophe eines Dammbruchs abzuwenden. Der Ingenieur betreut die Steinbachtalsperre seit 1988. Als der Grundablass aus der bis zum Rand gefüllten Talsperre nicht mehr funktionierte, stieg er mit Carsten Bönsch aus Zülpich, Mitarbeiter der e-regio, die sich im Auftrag des Wasserversorgungsverbands Euskirchen Swisttal (WES) um den Betrieb und die Instandhaltung der Talsperre kümmert, in den Kontrollgang hinab. In diesem stand das Wasser bereits bis zur Brust. Beide stellten fest, dass der Grundschieber, der den Wasserauslass öffnet, nicht ohne Lebensgefahr geöffnet werden kann.

Also wurde Bauunternehmer Hubert Schilles aus Mechernich angefragt, ob er den Auslass auf der wasserabgewandten Seite des sich Damms, der sich durch herabgespültes Geröll und ähnliches zugesetzt hatte, freibaggert. Trotz der Lebensgefahr des Unterfangens übernahm Schilles die Aufgabe. Anschließend konnten Lorenz und Bönsch den Grundschieber im Kontrollgang öffnen und die Gefahr eines Dammbruchs abwenden. »In dieser Ausnahmesituation habe ich nicht wirklich nachgedacht. Ich habe nur gehandelt. Ich habe mich zu keiner Zeit in Lebensgefahr gesehen. Ich kannte das Dammbauwerk in- und auswendig. Und ich war sicher, dass alles gut wird«, erinnert sich Carsten Bönsch, Talsperrenwart bei e-regio, dem Betreiber der Steinbachtalsperre. e-regio Geschäftsführer Markus Böhm ergänzt: »Ich freue mich sehr, dass Carsten Bönsch mit der Rettungsmedaille ausgezeichnet wurde. Das ist eine große Anerkennung für seine mutige und selbstlose Tat nach der Flutkatastrophe, für die ich ihm sehr dankbar bin.«. Ingenieur Wolf-Christian Lorenz betonte nach der Auszeichnung durch den Ministerpräsidenten: »Mein Gedanke war eigentlich eher, dass es ein bisschen eine Stellvertreterfunktion für ganz viele andere Menschen ist, die in dieser Zeit Außergewöhnliches geleistet haben. Ich freue mich natürlich über eine Auszeichnung«. Mit Freude hat Bad Münstereifels Bürgermeisterin auf Lorenz‘ Auszeichnung reagiert. »Christian Lorenz hilft uns darüber hinaus in Bad Münstereifel mit all den betroffenen Dörfern beim Aufbau der Infrastruktur von Stunde null an nach der Flut«, so die Bürgermeisterin.

Eine Rettungsmedaille ging übrigens auch in den benachbarten Rhein-Sieg-Kreis. Dort rettete der Polizei­taucher Patrick Reichelt (Polizeihauptkommissar) aus Swisttal-Heimerzheim mehr als 60 Personen aus vom Hochwasser eingeschlossenen Gebäuden.


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