Lydia Schumacher

Frust wegen hoher Straßenausbaubeiträge

Ilona Schmidt und Christian Pias aus Trittscheid berichten über die Höhe der Straßenbeiträge, die sie zahlen sollen.

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Zwischen 20.000 und 80.000 Euro sollen Anlieger in Trittscheid für die grundhafte Straßensanierung berappen. Das bringt den ganzen Ort auf die Barrikaden. Jetzt hoffen hier alle auf neue Mehrheiten im Land. 
TRITTSCHEID. Eigentlich war das Leben entspannt in diesem Ortsteil von Üdersdorf. Das hat sich jedoch an einem Tag im Mai dieses Jahres schlagartig verändert. Den Anliegern im Ort wurde mitgeteilt, wie teuer die grundhafte Sanierung der Dorfstraße und der Fortsetzung, der Lavastraße,  sie kommen wird. Insgesamt soll die Sanierung der 640 Meter langen Ortsdurchfahrt gut zwei Millionen Euro kosten. Nach Abzug der Anteile, die  Dritte tragen, bleiben 1,5 Millionen Euro übrig. Einen Teil davon übernimmt die Ortsgemeinde,  Der größte Batzen aber geht an die Anlieger: 1,1 Millionen Euro sollen die 47 Grundstückseigentümer in Trittscheid berappen. Unterscheidlich hoch sind die Kosten je Eigentümer, weil sie sich nach der Grundstücksgröße richten.
Percy Meckelbach erinnert sich noch an den Tag im Mai: »Wir haben eine Dorf-App, in der jeden Tag gut etwas los war. Nach diesem Termin wurde es ganz still.« Seine Frau habe dann in der App nachgefragt, ob man sich mal treffen solle. Gerechnet habe man mit fünf, vielleicht zehn Leuten. Gekommen seien aber nahezu alle Einwohner.
Merkelbach und seine Frau haben hier ein altes Bauernhaus erworben und saniert. Jetzt sollen sie  38.000 Euro für die Straße zahlen. Sowieso, berichten die beiden, wäre der Ort nahezu ausgestorben, hätten nicht Menschen entdeckt, dass sie hier betagte Immobilien zu günstigen Preisen erwerben, diese sanieren und in Ruhe ihr Alter genießen könnten.
Die Beiträge bedrohen manche Existenz im Ort
So wie Ilona Schmidt, die mit ihrem Partner ein großes Stück Land für sich und die Pferde erworben hat und nach eigener Erzählung kaum das Geld aufbringt, um das betagte Haus zu sanieren. Sie sagt, sie könnten die 30.000 Euro schlicht nicht zahlen: »Wir sind über 70 Jahre alt und bekommen auch keinen Kredit mehr.« Sie fürchtet, dass das Haus verkauft werden müsste, um die Straßenbeiträge zu bezahlen. »Dann dürfen wir zwar zahlen, haben aber  nichts mehr davon, weil wir wegziehen müssten«, sagt Schmidt.
Christian Pias hat sprichwörtlich den Vogel abgeschossen: »80.000 Euro sollen wir zahlen. Dabei haben wir vorwiegend Ackerland. Ein Teil wurde vor Jahren, ohne unser Zutun, in Bauland umgewandelt.« Jetzt werde auch das Bauland für die Berechnung des Straßenbaubeitrags herangezogen.
Nur noch Rheinland-Pfalz erhebt die Beiträge verpflichtend
Grundlage für die Erhebung ist das Kommunalabgabengesetz (KAG) des Landes Rheinland-Pfalz. Nur in diesem Bundesland seien die Kommunen noch dazu verpflichtet, Straßenbaubeiträge zu erheben, sagt Merkelbach. Und dass die Ampelkoalition aus SPD, FDP und den Grünen die Erhebung von einmaligen Beiträgen auf wiederkehrende Beiträge umgestellt hat, helfe nicht. »Wir sind eine zu kleine Abrechnungseinheit. Bei uns müssen eben 47 Eigentümer alle Straßenprojekte zahlen«, so Merkelbach.
Das Bun­desland Baden-Württem­berg hat nie Straßen­beiträge kassiert. Acht weitere Bundesländer haben die Beiträge für die Grundstücksbesitzer mittlerweile abgeschafft, zuletzt auch Bayern und Nordrhein-Westfalen. In diesen Fällen ersetzt das Land den Kommunen den Einnahmeverlust. In eini­gen Bundesländern, wie etwa Hessen, Niedersach­sen oder Bremen, wurde es den Kommunen freige­stellt, ob sie die Anlieger an den Kosten beteiligen oder nicht. Dort müssen die Kommunen selbst die Kosten tragen.
Hoffen auf neue  Mehrheiten im Land
Gordon Schnieder, Vor­sitzender der CDU-Frak­tion im Mainzer Landtag, meint, dass Rheinland-Pfalz, als Schlusslicht, »die rote Laterne« abge­ben und die Anlieger im Land ebenfalls entlasten sollte. Im Juni hat die CDU einen Gesetzesentwurf zur Änderung des KAG im Landtag eingebracht. Bis zu 200 Millionen Euro jährlich soll das Bundes­land demnach künftig an Kommunen zahlen, um ihnen den Ausfall der Ein­nahmen zu ersetzen.
Für die BI in Trittscheid ist das ein Grund zur Hoff­nung: »Wir haben uns zu­erst dafür eingesetzt, dass das Vorhaben auf Eis liegt, bis nach der Landtags­wahl. Vielleicht kommen wir ja unbeschadet aus der Nummer raus«, sagt Percy Merkelbach. Die Ortsgemeinde habe zwar signalisiert, dass die Bei­träge in bis zu fünf Raten gezahlt werden könnten,. Das helfe aber nieman­dem, der nicht einmal eine davon leisten könne. Die Einwohner hat die Sorge um ihre Existenz zusam­mengeschweißt. Banner wurden aufgestellt und fast jeder hat ein »Preis­schild« am Grundstück angebracht. Auch eine Online-Petition wurde gestartet
 
Kurzkommentar »Am Rande bemerkt« von Lydia Schumacher: 
Pleite durch die Straßen?
In Rheinland-Pfalz werden Eigentümer der Grundstücke entlang der Ortsstraßen »verpflichtend« zur Kasse gebeten. Nur noch in Rheinland-Pfalz! Wie man sieht, können die Beiträge Existenzen bedrohen. Der Bund der Steuerzahler in NRW hatte im Zuge der Abschaffung der dortigen Anliegerbeiträge festgestellt, dass teils mehr als die Hälfte der vereinnahmten Gelder in die Vereinnahmung derselben fließt. Von einem »Bürokratiemonster« war die Rede. Könnte es hier so ähnlich sein?   
Zur Onlinepetition der  BI geht es mit diesem Link: 
Online-Petition
Wer Sie wissen möchte, wie zwei der drei Ampelparteien (SPD und FDP) in RlP zur Abschaffung der Beiträge stehen, findet  Antworten der Landtagsabgeordneten aus der Vulkaneifel im Interview auf Seite 3 der Printausgabe im e-Paper ab Samstag, 19. Juli: 
Interview im e-Paper
 

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