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Auf den Spuren der mächtigsten Frauen Asiens im Mittelalter

Ihr erster großer Erfolg, das waren »Die Puppenspieler«. Dann folgten viele weitere Bestseller, darunter Historische Romane, Fantasy, Krimi, Drama, Liebesgeschichten oder auch Kinderbücher. Es gibt kaum ein Genre, über das Dr. Tanja Kinkel nicht geschrieben hat. WochenSpiegel-Redakteurin Andrea Fischer sprach im Vorfeld des zweiten Teils des Saar-Hunsrück Literatur- und Musikfestivals am 17./18. Oktober in der Glockengießerei Mabilon mit der Bestsellerautorin und Literaturpreisträgerin.

Woher nehmen Sie die Ideen für Ihre Bücher? Was inspiriert Sie? Wie tanken Sie Kraft? Die Ideen kommen  mir auf unterschiedlichste Weise - durch den Anblick eines Gebäudes (zum Beispiel  "Mondlaub", da war es entscheidend, die Alhambra zu sehen), durch das Gespräch mit einem Freund (war bei "Götterdämmerung" der Fall), durch die Lektüre eines anderen Buches (so erfuhr ich überhaupt von Manduchai - durch "Secret History of the Mongol Queens"  von Jack Weatherford, das 300 Jahre mongolischer Geschichte aus weiblicher Perspektive behandelt). Für „Schlaf der Vernunft“ war es ein Gespräch zwischen Helmut Kohl und Klaus Kinkel, an Kinkels 70sten Geburtstag, dem ich folgen durfte, wo darüber gesprochen wurde, dass dieser in den 90ern, ohne Genehmigung seines Kanzlers, mit RAF Mitgliedern über den dann auch erfolgten  Gewaltverzicht gesprochen hatte.
Doch um Menschen glaubwürdig beschreiben zu können, muß man Menschen beobachten, ihnen zuhören. So inspiriert mich auch einfach eine Zugfahrt, bei der ich erlebe, was um mich geschieht, und mir meine Gedanken mache, welche Geschichten sich hinter den Menschen verbergen.
Kraft geben mir nicht zuletzt meine Leser.  Das Gefühl, Menschen durch das, was man erzählt, zu erreichen, ist ungeheuer belebend. Die Geschichte von Manduchai spielt in China und der Mongolei. Waren Sie selbst auf Spurensuche dort? Was fasziniert sie an der fernöstlichen Kultur? Ja, ich habe beide Länder besucht. Ich glaube, man kann erst versuchen, die Mongolen zu verstehen, wenn man die ungeheure Weite ihres Landes erlebt hat - und den "ewigen blauen Himmel", wie sie ihn nennen.  Die verfeinerte, zum Handlungszeitraum bereits Jahrtausende alte Zivilisation der Chinesen stellte dazu einen faszinierenden Gegensatz dar.

Manduchai, die Königin der Mongolen, und Wan, die Kinderfrau und Konkubine des chinesischen Kaisers,  kamen an die Macht, nicht obwohl, sondern eben weil sie Frauen waren." Auch heute gibt es viele Frauen an der Macht. Glauben Sie, dass eine Frau die bessere Regentin ist, eben weil Verstand und Gefühl enger miteinander verwoben sind? Nicht zwangsläufig. Es gibt sowohl bei Männern als auch bei Frauen kompetente und weniger kompetente Politiker. Aber Frauen stehen in den meisten Teilen der Welt noch immer vor größeren Hindernissen, ehe sie überhaupt in eine Machtposition gelangen, und sind daher oft um einiges abgehärteter.

Wie sieht Ihre Mischung zwischen Fakten und Fantasie aus? Das kann man nicht prozentmäßig aufgliedern wie ein Küchenrezept. Ich versuche bei jedem Roman, erst einmal so viel wie möglich über Zeit, Ort und Menschen herauszufinden. Doch irgendwann muß ich mich entscheiden, welche von vielen biographischen Theorien über eine Person mir persönlich als wahrscheinlich erscheint, welche Geschichte ich erzählen will, was dazu an Fakten notwendig ist, und was nicht. Hüten muß man sich als Autorin historischer Romane vor allem vor dem, was Lion Feuchtwanger "verkleidete Fußnoten" nannte, also Fakten, die nur aufgelistet werden, weil der Autor zeigen will, daß er seine Recherche gemacht hat, nicht, weil sie für das Romangeschehen wichtig sind.

In vielen Ihrer Romane beschäftigen Sie sich mit berühmten und sagenumwobenen Frauen. Woher kommt Ihr Faible und was macht für Sie eine starke Frau aus? Es gibt viele Arten weiblicher Stärke, nicht nur eine. Um nur einmal die beiden Heldinnen meiner allerersten Romane miteinander zu vergleichen, die gegensätzlicher nicht hätten sein können: Byrons Schwester Augusta Leigh hatte nie eine Machtposition, sie hat kein Kunstwerk geschaffen, und man weiß überhaupt nur von ihr, weil ihr Bruder weltberühmt wurde. Eleonore von Aquitanien dagegen, die Heldin meines zweiten Romans, war Herrscherin über zwei Reiche (wenn auch nicht zur gleichen Zeit), Frankreich und England, sie veränderte durch ihre Entscheidungen die politische Landschaft Europas nachhaltig. Und doch würde ich Eleonore nicht stärker als Augusta nennen.  Sie waren nur stark auf eine andere Weise. Augusta hatte sieben Kinder,  eines war geistig behindert, einen völlig nutzlosen Ehemann, der nur Schulden machen konnte, und hatte den schlimmsten Skandal ihrer Zeit durchzustehen.  Trotzdem blieb sie liebesfähig und optimistisch, statt zu verbittern. Ich nenne das eine große emotionale Stärke.

Was war das Schlimmste und das Schönste, das Sie während Ihrer Recherchen zu Ihrem neuen Roman erlebt haben? Das Schlimmste: Details über einige mittelalterliche Bestrafungsmethoden der Mongolen zu erfahren. Nicht, daß in Europa zur gleichen Zeit weniger brutal gefoltert wurde...
Das Schönste:  einem mongolischen Kind dabei zuzuschauen, wie es eins mit Pferd und Wind wird und beim Nadam-Fest allen davon galoppiert. Sie schaffen es, in all Ihren Romanen sehr viel Atmosphäre entstehen zu lassen. Wie fühlen Sie sich so gut in die jeweilige Zeit ein? Glauben Sie an Reinkarnation? Können Sie sich vorstellen, schon einmal in der Zeit Ihrer Romane gelebt zu haben? Das Wie: gründliche Recherche und Empathie. Reinkarnation: nein, persönlich glaube ich nicht an sie, obwohl es einige meiner Romanfiguren tun.  
Wenn ich in der Zeit meiner Romane gelebt hätte, dann hätte ich in den allermeisten Epochen aller Wahrscheinlichkeit nach nicht sehr lange gelebt, sondern wäre bereits mit Mitte zwanzig im Kindbett, wegen zu viel Arbeit auf dem Feld gestorben, wenn  mich nicht  Pest oder Typhus erwischt hätten. Da bin ich doch froh, ein Kind des späten 20. Jahrhunderts zu sein! Abschließend noch ein paar Fragen zu Ihrer Lesung am Sonntag, 18. Oktober, um 17.30 Uhr in der ehemaligen Glockengießerei in Saarburg. Was erwartet unsere Leser? Waren Sie schon einmal in der Region um Trier? Wie lange werden Sie bleiben? Ich habe schon zweimal in Trier selbst gelesen und war bei meiner Passion für die Antike natürlich von den römischen Ruinen begeistert. Aber auch bei Karl Marx habe ich vorbei geschaut.
Diesmal kann ich leider nur kurz bleiben; am nächsten Tag habe ich bereits wieder in meiner fränkischen Heimat Termine. Was die Leser erwartet: eine spannende Stunde, so hoffe ich, und Bilder von meiner Recherchereise durch die Mongolei. Vielen Dank für das Interview. Immer gerne! DIE AUTORIN: Tanja Kinkel, Jahrgang 1969, studierte Germanistik sowie Theater- und Kommunikationswissenschaft. Mit 19 Jahren schrieb sie ihren ersten Roman. Im Laufe ihrer Karriere erhielt diverse Literaturpreise, Stipendien in Rom, Los Angeles, an der Drehbuchwerkstatt in München. Darüber hinaus ist sie im PEN-Präsidium. Die Bestsellerautorin veröffentlichte bislang 15 Romane, die in mehr als ein Dutzend Sprachen übersetzt sind. www. www.tanja-kinkel.de. FIS/Foto: FF


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